Zehn Jahre verschärfte Sanktionen haben der iranischen Wissenschaft zugesetzt, aber sie zugleich erfindungsreich und selbstbewusst gemacht. Die Forscher suchen nun den Kontakt zu westlichen Kollegen. Meine Eindrücke aus einer kurzen Reise nach Teheran.
„Der Schlüssel zur Entwicklung ist Wissenschaft und Technologie“, steht auf der Leinwand am Kopfende des Saals. Der Ausspruch wird dem iranischen Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei zugeschrieben, und es spricht einiges dafür, dass es der iranischen Regierung damit ernst ist. Ich bin beim Vizepräsidenten für Wissenschaft und Technologie zu Gast, einer von vielen Gesprächsterminen in Teheran. Ich begleite die Robert Bosch-Stiftung aus Stuttgart, die prüfen will, wie sie der iranischen Wissenschaft den Anschluss erleichtern kann. Nach der Lockerung der internationalen Sanktionen stehen die Forscher dort in den Startlöchern.
Der Stellenwert der Wissenschaft zeigt sich nicht zuletzt darin, dass es neben dem Wissenschaftsminister noch einen Vizepräsidenten gibt, der einen höheren Status haben soll als die wissenschaftlichen Regierungsberater in anderen Ländern (hier eine Übersicht des aktuellen Kabinetts). Während sich der Wissenschaftsminister um die Universitäten kümmert, legt der Vizepräsident thematische Schwerpunkte wie zum Beispiel Hirnforschung und Nanotechnologie fest und vergibt auch Fördermittel. Ein Beispiel besichtige ich später an der University of Tehran: Dort hat der Vizepräsident dem National Brain Mapping Center mit zehn Millionen US-Dollar ein schickes, gut ausgestattetes Gebäude ermöglicht.
Der Iran will keine Zeit verlieren
An der University of Tehran machen die Wissenschaftler klar, dass sie sich auf die Bedingungen der westlichen Wissenschaft einstellen und auf Augenhöhe zusammenarbeiten möchten. Im Ranking der Fachpublikationen ist der Iran in den vergangenen zehn Jahren von Platz 34 auf Platz 16 vorgerückt. Mit solchen Ergebnissen gehen die iranischen Forscher selbstbewusst um – anders, als ich es von deutschen Hochschulen gewohnt bin. Die Sanktionen mögen es ihnen erschwert haben, im Ausland Instrumente zu kaufen, aber sie haben ihre Kreativität angespornt. Und hier und da macht sich das Marketing bemerkbar: wenn beispielsweise ein humanoider Roboter „Surena“ genannt wird – so heißt der Vizepräsident für Wissenschaft und Technologie mit Vornamen.
Die Pläne für die internationalen Kooperationen sind schon ausgearbeitet. „Wir haben entschieden, in erster Linie mit europäischen Ländern zusammenzuarbeiten“, sagt der Dekan des College of Engineering, Nasser Soltani. Aber er fügt hinzu, dass man auf rasche Reaktionen der Wunschpartner hoffe: „Unsere Studenten sind jung, und wir können nicht von ihnen verlangen, dass sie warten.“ Eine junge Frau erzählt mir später, dass sie ihr Master-Studium in Malaysia absolviert habe, weil ihr die Einreisebedingungen der europäischen Länder zu kompliziert waren.
Die UN sind optimistisch
Internationale Kooperationen, erklärt der Präsident der University of Tehran, Mahmoud Ahmadabadi, seien eine der drei Säulen seiner Strategie. Hinzu kämen die gesellschaftlichen Herausforderungen – die meisten Projekte, die uns in Teheran vorgestellt werden, sind anwendungsorientiert – und Unternehmertum. Rund 3000 Hightech-Firmen sind in den letzten Jahren im Iran entstanden und die Universitäten unterstützen ihre Mitarbeiter dabei, weitere zu gründen. Bisher ist deren Anteil an den Forschungsausgaben noch gering, doch ein kürzlich veröffentlichter UN-Bericht bezeichnet Investitionen von 1,5 Prozent des Bruttosozialprodukts als realistisches Ziel. In Deutschland steckt die Wirtschaft zwei Prozent in Forschung und Entwicklung (hier die Zusammenfassung des UNCTAD-Berichts als PDF).
„Teheran mag tausende Meilen vom Silicon Valley entfernt sein“, sagt Ferial Mostofi von der Teheraner Handelskammer. „Aber wir nähern uns.“ Mit der bisherigen Entwicklung sei man noch nicht zufrieden, sagt sie, und fordert mehr Investitionen, Kooperationen, Technologieparks und weniger Bürokratie. Über Schwierigkeiten Kredite zu bekommen, klagt Haleh Hamedifar, die Leiterin der Biotech-Firma Cinnagen. Aber dann zählt sie die Erfolge ihrer Firma auf, zu denen auch ein Medikament für Multiple Sklerose gehört, das zusammen mit dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut IGB vor zehn Jahren entwickelt worden ist. Cinnagen arbeite an der Zulassung für den europäischen Markt, sagt Hamedifar. Sie betont auch, dass ihre 1900 Mitarbeiter im Durchschnitt nur 32 Jahre alt seien.
Viele Medikamente, erfahre ich später, werden im Iran jedoch einfach günstig kopiert, weil man sich nicht um internationale Patente kümmern muss. Ein italienisches Mitglied aus der Delegation der Bosch-Stiftung warnt deshalb: Als Italien 1978 pharmazeutische Patente anerkannte, brach die Industrie ein.
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Anmerkung: Die Robert Bosch-Stiftung hat einen Teil meiner Reisekosten übernommen. Ich habe dafür keine Gegenleistung zugesagt.
Über den Besuch unserer Reisegruppe berichten die University of Tehran, die Sharif University of Technology und die Tehran Chamber of Commerce auf ihren Websites.
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