Donald Trump will den Weltklimavertrag von Paris kündigen und neu verhandeln. Welche Optionen hat er und wie würden sie sich auswirken? Ein Blick in den Vertragstext gibt Antworten.
Donald Trump hat angekündigt, den Weltklimavertrag von Paris zu kündigen, und er hat sogar eine kleine Show daraus gemacht, indem er in den letzten Wochen mehrfach betonte, sich ganz bald endgültig zu entscheiden. Die Kündigung ist im Artikel 28 des sogenannten Paris Agreement geregelt (Trump und einige andere sprechen vom „Paris Accord“). In diesem Artikel werden die Fristen genannt [Angaben korrigiert]: Erst nachdem der Vertrag drei Jahre gültig ist, darf er gekündigt werden – also ab dem 4. November 2019. Die Kündigungsfrist liegt bei einem Jahr, so dass die USA am 4. November 2020 aus ihren Verpflichtungen entlassen wären. (Das ist ein Tag nach den nächsten geplanten US-Präsidentschaftswahlen.) Bis dahin bleiben die USA Vertragspartner und damit stimmberechtigt.
Ich wage keine Prognose, wie sich der Rückzug der USA auf das Verhandlungsklima auswirken wird. Der Science Media Center Deutschland hat eine Reihe von Klimaforschern gefragt: Die einen befürchten eine Lähmung, die anderen sagen ein gemeinsames trotziges „Jetzt erst recht“ voraus. Aber ich kann die rechtlichen Konsequenzen genauer erläutern, denn ich entwickle seit einigen Monaten mit den Kollegen vom Online-Wissenschaftsmagazin „Substanz“ einen neuartigen Zugang zu sperrigen Texten wie dem Weltklimavertrag. Wir möchten es den Nutzern ermöglichen, sich direkt mit dem Originaltext zu beschäftigen, und bieten eine einfache Navigation und auf Wunsch viele erläuternde Informationen.
Wer will das Paket wieder aufschnüren?
Donald Trump hat angekündigt, den Klimavertrag neu verhandeln zu wollen, was mehrere Staatschefs (darunter Angela Merkel) sofort zurückgewiesen haben. Das ist auch schwer vorstellbar, denn es hat viele Jahre gedauert, um das Abkommen im Dezember 2015 in Paris festzuzurren. Zudem ist mit dem Paris Agreement ein komplexes und wackeliges Konstrukt geschaffen worden, das erst mit der Zeit wirken kann. Viele werden sich weigern, das Paket wieder aufzuschnüren. Es gibt aber kein formales Hindernis: Die Vertragsstaaten treffen sich einmal im Jahr zu einem Klimagipfel, um den Vertrag zu konkretisieren oder zu ergänzen. In diese andauernden Verhandlungen kann die US-Regierung ihre Vorschläge einbringen. Weil unter dem Dach der Vereinten Nationen üblicherweise im Konsens entschieden wird, können die US-amerikanischen Vertreter auch versuchen, die weiteren Diskussionen einfach zu blockieren. Die anderen Staaten haben aber durchaus die Möglichkeit, Einwürfe des scheidenden Verhandlungspartners zu ignorieren. Das Konsensprinzip ist nicht festgeschrieben.
Der Klimavertrag legt den Vertragsstaaten einige Pflichten auf, aber er schreibt ihnen nicht vor, wie sehr sie sich im Klimaschutz engagieren sollen. Seine Ziele legt jeder Staat selbst fest, und es drohen keine Sanktionen, falls man die Ziele verfehlen sollte. Die USA würden also in dieser Hinsicht keine Nachteile erleiden, wenn sie im Vertrag blieben und Donald Trumps Politik verhinderte, dass das Land die von Barack Obama genannten Ziele erreicht (Obamas Ankündigung kurz vor dem Klimagipfel in Paris hatte den Verhandlungen damals Schwung verliehen). Doch mit der Kündigung entziehen sich die USA einem mühsam ausgehandelten Verfahren, das auf Verhandlungen setzt statt auf Strafen, um dem Klimawandel zu begegnen. Das Verfahren entspringt dem Gedanken, dass der Klimawandel eine globale Herausforderung ist, der sich die Staaten gemeinsam stellen müssen.
Wie das Vertrauen wachsen soll
Zentral ist, dass die Vertragspartner den Vereinten Nationen alle zwei Jahre über ihre Anstrengungen berichten müssen. Das klingt nicht nach viel, doch es war für manche Länder schon ein Zugeständnis an Transparenz. Die Berichte werden von Sachverständigen geprüft (Artikel 13, Absatz 11), und die Prüfer werden nicht nur feststellen, ob ein Land seine Ziele erreicht hat, sondern auch, ob es noch mehr machen könnte (Artikel 13, Absatz 12). So bekommen die Diplomaten offizielle Zahlen und Einschätzungen an die Hand, mit denen sie argumentieren und politischen Druck aufbauen können. Hinzu kommt, dass die Vertragsstaaten ihre Selbstverpflichtungen alle fünf Jahre überprüfen müssen und sie dabei nur verschärfen, aber nicht abschwächen dürfen (Artikel 4, Absatz 3). Anschließend ziehen die Staaten auf einem Sondergipfel gemeinsam eine Zwischenbilanz (Artikel 14).
Das Verfahren funktioniert im Grunde auch ohne die USA. Ob genügend Druck für mehr Klimaschutz aufgebaut werden kann, wenn ein großer Emittent nicht mitverhandelt, kann ich nicht abschätzen. Man darf aber darauf hoffen, dass Donald Trump die CO2-Emissionen nicht deutlich hochschrauben kann, denn einige US-Bundesstaaten sind im Klimaschutz sehr engagiert (zum Beispiel in der Under-2-Coalition, die den jährlichen Ausstoß auf zwei Tonnen pro Kopf reduzieren will). Der Bürgermeister von Pittsburgh erklärte via Twitter, dass er sich an das Paris Agreement halten wolle. Trump hatte in seiner Anspache gesagt, er vertrete die Menschen von Pittsburgh und nicht die von Paris.
Ganz los wird man die USA nicht
Die USA werden auf den Klimagipfeln der UN weiterhin vertreten sein, denn sie bleiben offenbar in der Klimarahmenkonvention, die vor 25 Jahren in Rio de Janeiro verabschiedet wurde (die Klimakonferenz begann am 3. Juni 1992). Die Rahmenkonvention hätte man schon innerhalb eines Jahres kündigen können und hätte sich damit automatisch aus dem Paris Agreement zurückgezogen. Womöglich befürchtet Donald Trump, dass er damit zu viele Mitspracherechte aufgeben würde.
Der Einfachheit halber hat die Staatengemeinschaft beschlossen, dass die jährlichen Klimagipfel auf der Grundlage der Klimarahmenkonvention zugleich die Konferenzen sein sollten, auf denen man über den Klimavertrag von Paris diskutiert. Nun wird man immer sauber trennen müssen, worüber man gerade spricht. Aber das müssen die Diplomaten ohnehin, denn Nicaragua und Syrien, die – wie alle Staaten der Welt – die Rahmenkonvention ratifiziert haben, sind beim Paris Agreement nicht dabei (und 48 weitere Staaten haben zwar schon unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert, also offiziell als geltendes Recht anerkannt).
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