In Lindau am Bodensee tagen diese Woche wieder die Nobelpreisträger. Die Wissenschaftler hat die Aussicht auf ein postfaktisches Zeitalter aufgeschreckt. Dagegen muss sich doch etwas machen lassen!
Donald Trump hat auch sein Gutes: Seine polemischen Halbwahrheiten und sein Rückzug aus dem Weltklimavertrag fordern zum Widerspruch auf. „Wir diskutieren jetzt viel mehr über Politik“, sagt mir eine junge Chemikerin aus Kalifornien beim Frühstück in Lindau. Sie ist für die jährliche Tagung der Nobelpreisträger an den Bodensee gereist und trifft gleich das zentrale Thema. Auch die etablierten Forscher sind aufgeschreckt und diskutieren in Lindau darüber, wie man den Dialog mit der Öffentlichkeit gestaltet, damit es mehr um richtige Fakten geht und weniger um alternative.
Es ist zwar nicht ausgemacht, dass die Wahrheit in der öffentlichen Debatte seit Trump auf dem Rückzug ist. Aber alle spüren den Gegenwind und wollen dagegen kämpfen. Mario Molina, der das Ozonloch mitentdeckt hat, zählt zum Beispiel die Errungenschaften auf, die es ohne Wissenschaft nicht gäbe: Smartphones, Impfungen und Häuser, die Erdbeben standhalten. „Wir Wissenschaftler müssen an einem Strang ziehen und die Bedeutung der Forschung vermitteln“, sagt er in Lindau. Und William Moerner, Mitentwickler der Fluoreszenz-Mikroskopie, fordert die Teilnehmer der Tagung auf, mit ihren Angehörigen und Freunden zu sprechen – weil man Menschen auf einer persönlichen Ebene besser überzeugen könne.
Die Ratschläge: neutral bleiben und mehr erklären
„Es darf nicht passieren, dass Leute dominieren, die sich der Realität verweigern“, sagt auch Stefan Hell, der den Nobelpreis zusammen mit Moerner erhielt (für die Erfindung der STED-Mikroskopie). Doch während in allen Diskussionen, die ich in Lindau verfolge, kaum über die Medien gesprochen wird, nimmt Hell die Journalisten ins Gebet: Sie sollten die Fakten neutral vermitteln und dabei kein anderes Ziel verfolgen, als zu informieren. „Oft ist es gut gemeint“, sagt Hell, „aber die Konsequenzen werden übersehen.“ Ein Beispiel möchte er nicht nennen, weil er sich nicht in die Tagespolitik einmischen wolle. Und dann sagt er doch noch: „Man darf nicht schreiben, dass alle Menschen gleich sind“ – auch wenn man damit Benachteiligten helfen wolle.
Die Soziologin Helga Nowotny, die früher unter anderem den Europäischen Forschungsrat (ERC) geleitet hat, gibt bei einem Pressegespräch der Deutschen Welle einen weiteren Rat zur richtigen Kommunikationsstrategie: „Zeigt den Leuten, wie Wissenschaftler zu ihren Schlussfolgerungen gelangen“, sagt sie. Und sie hat auch eine Erklärung dafür parat, warum die Wissenschaft so stark auf die Herausforderung Trumps reagiert: Die Erwartungen an die Rationalität sind – zu Recht – gestiegen und werden nun systematisch unterlaufen.
Kommentare (4)