Nur knapp ein Dutzend Zuhörer und ein Schüler, der Autor dieses Artikels, waren bei der Präsentation von Frau Prof. Dr. Susanne Rau anwesend. So hatten sie und der Veranstalter sich das wohl nicht vorgestellt.

i-962c47c91d20c28779aaf88f612473a0-Auerbachs_Keller.jpgVon Klaus Körmös

Gleich zu Beginn merkte Prof. Rau an, dass ihr Vortrag, der in der Kategorie des Schülerprogramms zu finden war, nicht für Studenten oder studierte Personen sei, sondern viel eher ein Vortrag für Schüler sein sollte. Doch wie eingangs erwähnt, fand sich kein Schüler unter den wenigen Zuhörern und die Zielsetzung, einen Vortrag für Schüler anzubieten, wurde verfehlt. Prof. Dr. Rau musste dann auch bei ihrer Präsentation mehr oder weniger improvisieren, um die Zuhörer mit noch nicht bekannten bzw. neuen Thesen und Fakten zu „füttern”. (* Die Zeichnung zeigt ein legendäres Gasthaus, nämlich “Auerbachs Keller”. Allerdings nicht in der frühen Neuzeit, sondern im 19. Jh.)


Der Name der Veranstaltung war Programm und so drehte sich die gesamte Präsentation um die Gastfreundschaft und die verschiedenen Gasthausarten in Europa. Hauptaugenmerk lag dabei vor allem auf der Entwicklung der Gasthauskultur vom Mittelalter bis heute.

Gasthäuser als Kommunikations- und Integrationsrahmen

Zu Beginn war es der Rednerin ein Anliegen, über Begriffe wie „Grenze” oder „Gasthaus” zu reden und so etwas wie eine passende Definition für diese Begriffe zu finden. Sie konnte mehr als deutlich die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten eines Gasthauses der Frühen Neuzeit darstellen. So fungierte ein Gasthaus im Mittelalter nicht nur als Ort der Gastlichkeit, wie der Name schon ausdrückt, sondern auch als zentraler Kommunikationsort und primärer Treffpunkt von Einheimischen und Fremden, aber auch von Nachbarn und Verwandten.

Auch beim Wort Grenze differenzierte sie. Sowohl als territoriale Grenze mit Türen, Schranken und Barrikaden kann man das Wort verstehen als auch als Form von sozialen Schranken und Begrenzungen durch die verschiedenen Schichten einer Gesellschaft und der daraus resultierenden Kauf- und Konsumkraft. Selbst die religiösen Grenzen in Gasthäusern durch Verbote oder damalige Gesetze kann man als Grenzen ansehen, genau wie die symbolischen Grenzen durch Grenzsteine oder aber „Durchgang-Verboten-Schilder”. Nicht zu vergessen seien dabei auch die temporären Grenzen, die durch Zeit und Generationswechsel wie von selbst verschwinden oder neu auftauchen.

“Die Gastlichkeit einer Kultur lässt sich an ihren Grenzen messen.”

Die Hauptthese, die Prof. Dr. Rau in den Raum stellte und ursprünglich mit Schülern diskutieren wollte, was sie nun aber mit einem studierten Kreis tat, war wie folgt: “Die Gastlichkeit einer Kultur lässt sich an ihren Grenzen messen.”

Mit dieser These wird auf die wechselseitige Abhängigkeit zwischen der (regionalen) Kultur und der Offenheit von Wirtshäusern in der jeweiligen Region angespielt. Schließlich kann sich erst dann eine gemischte Gesellschaft bilden, wenn viele verschiedene Menschen zusammenkommen und in einen Diskurs treten.

Wie sieht es für einen Fremden im Mittelalter in Europa aus, wenn er sich in ein hospitium, eine Herberge, eine Taverne, eine Patisserie oder ein Kaffeehaus begibt?
Darf er sich gleich an den Tisch mit Einheimischen setzen, um ein Bier zu trinken, darf er überhaupt eintreten ins Haus oder wird er vielleicht sogar verscheucht?
Um an solche Informationen und auch profunde Antworten zu kommen, sei es sehr wichtig, auf mehrere Quellen zurückzugreifen, wobei hier die persönlichen Reiseberichte von einzelnen und auch die Gerichtsakten, die meist über Raufereien oder Störungen berichten, wichtig seien. Sie geben Aufschluss darüber, wie ein Gasthaus oder eine Schenke aussahen und in welcher Art und Weise sie sich im Laufe der Zeit entwickelt haben.

Früher Wirthaustourismus: Das Beispiel Lyon

Besonders genau konnte die Referentin über Lyon berichten, wo es schon eine Karte aus dem Jahr 1690 gab, auf der die einzelnen Gasthäuser verzeichnet waren und in der sich schon so etwas wie „Tourismus” ankündigte, da sich hier die Gasthäuser an zentralen Punkten und Plätzen der Stadt orientierten oder sich alle in unmittelbarer Nähe zueinander befanden.

Das Gasthaus diente zudem auch noch als Ort der sozialen Integration zwischen den Geschlechtern und als Ballungsort für verschiedene Menschen mit zum Teil unterschiedlichen Auffassungen und Ideen.

Dass damalige Reisende zahlreiche Grenzen überschreiten mussten und dabei immer sowohl ihren Pass als auch einen Gesundheitsschein bei sich tragen mussten, dass sie dabei nie wussten, wem sie vertrauen dürften und wer sie im nächsten Moment ausrauben würde, und dass es damals noch keinen McDonald’s zur Verpflegung gab, zeigt die Wichtigkeit und den Stellenwert eines Gasthauses in der Zeit der Frühen Neuzeit als eine Art Zufluchtsort und vermeintlichen Ruhepol auf einer Reise.

(Redaktion: KP/MS)

Kommentare (4)

  1. #1 Marc Scheloske
    Oktober 4, 2010

    Interessanter Bericht. Danke dafür. 🙂

    Du erwähnst oben einige Fragen, die die Historiker interessieren, wenn sie sich mit der frühen Wirtshauskultur beschäftigen. Also bspw. ob man sich zu einem Fremden an den Tisch setzen durfte etc.

    Gab Frau Prof. Rau auch Antworten darauf? Und gab es im Vortrag evtl. auch eine Antwort darauf, ob und inwiefern sich die Wirtshäuser und die Gepflogenheiten in den früheren Jahrhunderten von heute unterscheiden?

  2. #2 Klaus Körmös
    Oktober 4, 2010

    Ja, die Wirtshäuser haben sich tatsächlich verändert und zwar vor allem kommerzialisiert.
    Früher waren es einfache Häuser zumeist, die Fremden ein Gästezimmer anboten und sie vom eigenen Essen z.B. essen ließen. Mit der Zeit “erkannte” man das Potenzial, so würde ich das nennen, von “Gästehäusern” und so hat sich das eben bis heute auch verändert.
    Was früher im eigenen Haushalt und im eigenen Haus stattfand (Bett, Essen, gelegentlich sanitäre Einrichtungen) findet nun in eigenen Häusern statt, ohne dass die Besitzer zwanghaft in den selben Häusern wie die Gäste und Fremde untergebracht sein müssen.

  3. #3 Kaya Presser
    Oktober 4, 2010

    Wurden denn bei den anderen Veranstaltungen wenigstens noch ein paar Schüler gesichtet? Oder waren einfach gar keine da, mal abgesehen von den beiden, die interviewt wurden???

  4. #4 klaus körmös
    Oktober 4, 2010

    gesichtet wurden schon welche, allerdings waren diese nur zu “speziellen” Vorlesungen, wie z.B. “Hitler googeln” oder “Zwischen Leidenschaft und Profession”, die extra für Schüler angeboten wurden.
    Im Großen und Ganzen jedoch waren es wohl eher mehr Studenten und Interessierte als Schüler…