In einem kleinen Kreis begann der Vortrag „Über menschliche Grenzen hinweg: Der Traum vom Fliegen im Mittelalter” von Prof. Dr. Oliver Auge. Eingangs zeigte Prof. Auge auf, dass das Motto „Geschichte hat Zukunft” eine hoffnungsvolle Prognose ist. Schließlich wird damit ausgedrückt, dass Geschichte als Geschehenes immer eine Zukunftsperspektive aufweist, sozusagen die Zukunft enthält.

i-b66ecbb22670af57253ec8c2ebb3d3cb-Leonardo_da_Vinci_helicopter.jpgVon Friederike Gund

Passend zum Thema Grenze wählte Prof. Dr. Auge sein Thema: der Traum vom Fliegen. Hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit verschiedenen Bereichen: der Technik-, Religions- und Kirchengeschichte sowie der Literaturgeschichte. Die wichtigste Frage, die man sich dabei stellt, ist, welche Techniken man in der Vergangenheit zum Fliegen verwendete und ob das Fliegen damit überhaupt möglich war.
* Die Skizze zeigt die Flugspirale von Leonardo da Vinci.


Till Eulenspiegel, der Flug vom Magdeburger Rathaus und ein menschenalter Traum

Exemplarisch dafür erweist sich die 14. Historie des Till Eulenspiegels, der Flug vom Magdeburger Rathaus. An diesem Beispiel zeigte Prof. Auge auf, dass die Menschen im Mittelalter nach Neuem strebten und den Traum vom Fliegen hatten, wie ein Vogel durch die Lüfte gleiten wollten.

Bereits in frühchristlichen Bildern entdeckt man häufig Engel mit Vogelfedern, die Botschafter Gottes, die zwischen der Erde und dem Himmel hin und her flogen. Die Himmelfahrt Christi zeigt sich bereits im mittelalterlichen Festkalender und auch die Apostelgeschichte erzählt vom aktiven Flug in den Himmel, bei dem Christus von Engeln hinaufgetragen wird. Neben der Himmelfahrt Christi wird auch Mariä Himmelfahrt verehrt. Auf dem Konzil in Ephesos 431, auf welchem diskutiert wurde, ob Maria eine „Gottesgebärerin” oder die Gebärerin des Christus sei, wurde entschieden, sie als „theotokos” (griechisch für „Gottesgebärerin”) zu bezeichnen. Die eigentliche Marienverehrung begann jedoch erst im 11. Jahrhundert.

i-3b36b57484a1e24a0f8f79d0b723f027-Daedalus.jpgAuf einigen Bildern des Mittelalters sind Betende ebenfalls leicht vom Boden erhoben mit Flügeln dargestellt. Sie befinden sich in der sogenannten Levitation. Nicht mehr vergleichbar mit unseren heutigen Assoziationen dazu war das Fliegen in mittelalterlicher Zeit ein Attribut des Göttlichen. Vor allem die Sage von Dädalus und Ikarus war den Menschen eine Warnung, nicht zu hoch hinaus zu wollen. (siehe Darstellung rechts)

Der Flugversuch des Simon Magus um 1490 zeigt, dass an der Wende vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit das Thema Fliegen präsent geblieben war. Doch Simon Magus stürzte aus den Lüften vor dem Kaiser nieder, wurde als Simon der Gaukler beschimpft und als Vater aller Ketzer. Die Rede war von einem Dämonenflug.

Flügel: Die Verbindung mit dem Göttlichen

Anders als in der Religionsgeschichte stehen in der Literaturgeschichte die germanischen Götter, vor allem die Walküren, im Vordergrund. Mit ihren Flügeln stellen sie die Verbindung zu etwas Göttlichem her.

Exemplarisch zu dem Traum vom Fliegen und dessen Grenzen stellte Prof. Auge die Geschichte von einem jungen Mann vor, der Greife (eine Mischung aus Löwe und Adler) an einem Korb befestigte und über dem Korb Köderfleisch anbrachte, sodass eine Aufwärtsbewegung durch das Fliegen der Greife entstehen konnte. Doch das Konstruieren eines solchen Flugapparates wurde als Verkörperung des Antichristen angesehen, da versucht wurde, in die göttliche Sphäre einzudringen, und der Jüngling mit einem Sturz in die Tiefe bestraft wurde.

So war der Wunsch, fliegen zu wollen, zum Einen motiviert durch Neugier und dem Streben wider die Gottheit, zum Anderen auch ein Kampf zwischen dem Monopol der Luftfreiheit und zwischen Christen und Heiden.

Als wichtiges Thema stellten sich die Hexen heraus, die mit selbsthergestellten Salben nach den Anleitungen des Dämons durch die Lüfte flogen. Die Hexen hatten die Kraft zur Verfügung, fliegen zu können und konnten sie einsetzen, wenn sie nur wollten. Die Hexe wurde als willige Täterin dargestellt.

i-71e32b94da1926ba4356d8eebdcf0b01-Eilmer_von_Malmesbury.jpgGescheiterte Flugversuche

Der Mönch Eilmer von Malmesbury, der im 12. Jahrhundert lebte, band sich Flügel an Hände und Füße, stürzte jedoch bei seinem Flugversuch und blieb verkrüppelt. Auch ein Geistlicher aus England unternahm einen Flugversuch, stürzte ebenfalls ab und brach sich ein Bein.

1256 entwickelt Roger Bacon einen Flugapparat, der ein Steuer für den Menschen aufweist und bewegt werden kann, sodass die Flügel durch die Luft peitschen. Um die Grenze oder auch den Fortschritt, den die Menschen im Mittelalter gemacht haben, erkennen zu können, muss man sich an das damalige Weltbild erinnern, dass Luft um die Erde eingeschlossen war und außen herum ein riesiges Feuer. So kam man auf die Theorie, dass ein Schiff in der Luft fliegen kann, wenn man es mit Feuer befüllt. Hier wird erneut deutlich, dass Geschichte Zukunft hat.

Die Rakete, die in China im 11. Jahrhundert erfunden wurde und im 13. Jahrhundert nach Deutschland kam, war möglicherweise schon Gegenstand des Kriegswesens im Spätmittelalter. Auch die Kunst des Drachenfliegens, ebenfalls in China erfunden, bei dem die Zunge des Drachen Feuer spuckt und mit diesem durch die erwärmte Luft schweben kann. Man erkannte also, dass das Feuer essentiell für das Fliegen war. Aufgrund eines Traums beschäftigte sich Leonardo da Vinci ein Leben lang mit dem Fliegen. Er konstruierte verschiedene Fluggeräte, Fallschirme und auch Hubschrauber. Er legte einen weiteren Grundstein für die Zukunft des Fliegens, denn Geschichte hat Zukunft.

Der Vortrag illustrierte sehr schön die innovativen Leistungen der Menschen im Mittelalter, zeigte jedoch auch, dass diese nicht immer zur Verwirklichung ihrer Träume ausreichten.

(Redaktion: KP/MS)

Kommentare (1)

  1. #1 Oliver Auge
    Januar 6, 2011

    So sehr es mich freute, dass Frau Gund einen so ausführlichen und schön illustrierten Bericht samt positivem Fazit über den Vortrag verfasste, so leid tut es mir, dass sich doch etliche Ungenauigkeiten und Fehler in den Bericht eingeschlichen haben. Von Simon Magus wird schon in der Bibel berichtet, nicht erst 1490, der hier ungenannte junge Mann, der mit Korb und Greifen in den Himmel geflogen sein soll, war Alexander der Große (!), Roger Bacon entwickelte keinen eigenen Flugapparat, sondern schrieb nur vage von der Möglichkeit eines solchen und die Hexen flogen mit ihren Salben natürlich nicht real…
    Vielleicht hätte – als Vorschlag für künftige Berichte – eine kurze Rückmeldung beim Referenten diese Irrtümer vermeiden helfen. Ich hätte dafür zur Verfügung gestanden…