Auch auf dem 48. Historikertag wird dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Gelegenheit geboten, sich einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Wie vor zwei Jahren in Dresden, vor vier Jahren in Konstanz und – zum ersten Mal in der Geschichte des VHD – vor sechs Jahren in Kiel können Doktorandinnen und Doktoranden ihre Dissertationsprojekte im Rahmen einer Poster-Session präsentieren. Aus einer Vielzahl von Bewerbungen haben es schließlich 37 Nachwuchswissenschaftler geschafft: ihre Poster hängen im zweiten Stock der Dorotheenstraße 24. Eine Jury kürte die drei besten Teilnehmer, die am Abend des 30. September im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums Preise verliehen bekamen.
Von Martin Stallmann und Carlos A. Haas
Das Medium Poster birgt spezifische Probleme, bietet aber auch Vorteile. Aus den Naturwissenschaften kommend und seit einigen Jahren zunehmend in den Geisteswissenschaften beachtet, liegt sein größter Vorzug unbestreitbar in der Breitenwirkung, die es entfalten kann. Sitzen in Vorträgen vielleicht 100 Zuhörer, so ist es – zumindest theoretisch – möglich, dass eine vielfache Menge an Interessierten die Poster sieht und so einen Einblick in die jeweiligen Arbeiten erhält. Das Medium Poster eignet sich also als Multiplikator, was gerade für junge Wissenschaftler von entscheidender Bedeutung sein kann.
* Das Foto zeigt Niels Petersen bei der Preisverleihung.
Das Medium Poster eignet sich also als Multiplikator.
Andererseits gilt es, Schwierigkeiten zu umschiffen, die aus der besonderen Form des Mediums erwachsen. Die Reduzierung komplexer Inhalte, vielschichtiger Zusammenhänge und kontroverser Forschungsmeinungen auf ein DIN A 0 Poster ist heikel und stellt besondere Anforderungen. Es sind mehrere Ebenen, die hier zu erkennen, zu unterscheiden und letzten Endes dennoch zu einem großen und vor allem schlüssigen Ganzen zusammenzufügen sind.
Da wäre zunächst einmal die visuelle Ebene: Die Aufmerksamkeit des potentiellen Betrachters muss erst gewonnen werden, wobei ein origineller, farblich ansprechender Eye-Catcher ausschlaggebend ist. Idealerweise wird bereits auf dieser Ebene ein thematischer Bezug hergestellt, der das jeweilige Thema attraktiv und spannend erscheinen lässt und Lust auf mehr macht.
Wissenschaftliche Poster sind eine Kunst für sich. Visualisierung und Komplexitätsreduktion sind gefragt.
Ist der Betrachter solchermaßen auf das Poster aufmerksam geworden, greift die zweite Ebene: Ausgangslage, Erkenntnisziele und erste Thesen müssen in zwei bis drei Sätze wiedergegeben werden. „In der Kürze liegt die Würze” – das klingt einfach, ist aber bei näherer Betrachtung sehr schwer. Die Schnittstelle von Visualisierung und Reduzierung sind die Textelemente eines Posters. Die Schrift darf nicht zu klein sein, weil das Lesen sonst Mühe bereitet. Es können aber auch nicht nur einige wenige plakative Sätze in der „richtigen” Schriftgröße auf dem Poster platziert werden, wenn dadurch die Hälfte des Inhalts wegfällt.
Aus dem – letzten Endes zwar irgendwie banalen, aber eben doch gravierenden – Problem des Platzmangels ergibt sich das sprachliche Problem: Die Sprache soll verständlich sein, ohne Inhalte allzu sehr zu verkürzen.
Poster als Balanceakt
Das Poster ist also ein Paradebeispiel für die ständige Balance zwischen Wissenschaftlichkeit und ihren entsprechenden Standards auf der einen Seite und den Gesetzen medialer Vermittelbarkeit auf der anderen. Dieser Balanceakt wird in einer Geschichtswissenschaft, die immer aktiver und bewusster den Kontakt mit der außeruniversitären Öffentlichkeit sucht, immer konstitutiver.
Die auf dem aktuellen Historikertag ausgestellten Poster decken zeitlich eine Spanne von der Antike bis zur Gegenwart ab. Interessant sind aber die Proportionen: Ein Poster zu einem Thema aus der Antike und zwei aus der mittelalterlichen Geschichte stehen sieben Postern über Projekte, die sich mit der Frühen Neuzeit beschäftigen, entgegen. Alle drei Bereiche rangieren weit abgeschlagen hinter Arbeiten, deren Gegenstand die Zeit ab etwa 1880 ist: Siebenundzwanzig (!) Poster beschäftigen sich mit Themen aus der Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts!
Themen aus der Antike oder der Frühen Neuzeit waren Mangelware.
Eine Vermutung drängt sich hier sehr schnell auf: Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen Forschungsgegenstand und der Vertrautheit oder Offenheit mit bzw. für Präsentationstechniken. Die Zeit seit 1880, also die Zeit, seit der Photographien in umfassender Weise bei der Medialisierung der Gesellschaft von Bedeutung sind, ist hierbei besonders präsent.
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