Wenn es eine Hitliste der Begriffe geben würde, die in den letzten Jahren immer populärer wurden, dann wäre mit Sicherheit “Flatrate” dabei. Die Flatrate hat Karriere gemacht. Dabei gibt es das zugrundeliegende Prinzip natürlich schon länger. Aber gerade im Feld der Mobilkommunikation und Kommunikationstarife forschen Ökonomen über die zugrundeliegenden Effekte. Den “Flatrate-Bias” beispielsweise.
Eine “Flatrate” ist ja zunächst einmal nichts anderes als ein Pauschaltarif. Der Kunde zahlt für die Nutzung einer bestimmten Dienstleistung oder eines Produkts eine fixe Gebühr pro Zeiteinheit. So einfach. Das kennen wir von der Monatskarte für den ÖPNV oder eben neuerdings von Angeboten der Telekommunikationsdienstleister.
Der „Flatrate-Bias”
Und prinzipiell sind Flatrates natürlich eine feine Sache: anstatt für jede einzelne Fahrt mit U-Bahn oder Bus einzeln zu bezahlen, entrichtet man eben den Obulus für die Zeitkarte und fährt dann den ganzen Monat. Doch wenn man sich die Nutzungsmuster von Pauschalangeboten genauer ansieht, so trifft man recht häufig auf einen interessanten Effekt: den sog. Flatrate-Bias. Kurz: ökonomisch betrachtet nutzen nicht alle Kunden das Angebot wirklich aus – wer nicht wirklich häufig mit dem öffentlichen Nahverkehr fährt, wäre möglicherweise mit Einzelfahrscheinen dennoch günstiger unterwegs gewesen…
Warum greifen wir doch immer wieder zu Flatrates?
Nichtsdestotrotz sind Flatrates sehr beliebt: Viele empirische Studien zeigen, dass sich Konsumenten häufig nicht für den günstigsten Tarif entscheiden, sondern Pauschaltarife bevorzugen. Eine Erklärung für das Zustandekommen des „Flatrate-Bias” ist möglicherweise das Phänomen der Verlustaversion: die Ökonomen Daniel Kahneman und Amos Tversky zeigten, dass wir Verluste scheuen und uns kleine Verluste stärker schmerzen.
Deshalb – wenn man dieser Erklärung folgt – erscheint es uns oft attraktiver einmal eine Pauschalgebühr zu entrichten, anstatt ständig kleine Beträge zahlen müssen.
Kein Wunder also, dass auch im Telekommunikationsbereich Flatrates so populär sind. Flatrate-Pakete, die Kommunikationsverbindungen zum Festpreis anbieten, gehören zu den beliebtesten Privatkunden-Tarifen. Kalkulierbare monatliche Kosten lassen viele Handy-Besitzer zu dieser Option greifen.
Neue Studie zur Flatrate-Nutzung im Geschäftskundenbereich
Bislang wurde das Phänomen allerdings nur für den Privatkundenbereich untersucht. Für den Geschäftskundensektor lagen bislang keine Studien vor. Diese Lücke wurde nun durch Dr. Susanne Stingel geschlossen.
Sie hat mittels telefonischer Befragung in mehr als 600 Unternehmen detaillierte Informationen zum Tarifwahlverhalten gesammelt. Dabei wurden die Entscheider für den Abschluss eines Mobilfunkvertrages befragt und die Nutzungsdaten durch Rechnungen ermittelt. Das Ergebnis zeigt Paralellen zum Privatkundenverhalten.
Auch Geschäftskunden nutzen gerne die Flatrate-Tarife, um sich vor unerwartet hohen Mobilfunkrechungen zu schützen („Versicherungseffekt”). Ein Bequemlichkeitseffekt ist ebenfalls festzustellen: Die Befragten fürchten, Einsparpotentiale durch richtige Tarifwahl würden möglicherweise von den Suchkosten für einen optimalen Tarif wieder „aufgefressen”.
Den größten Einfluss hat allerdings die im Geschäftskundenbereich typische Trennung zwischen Nutzern und Entscheidern. Anders als im Konsumgüterbereich ist der Entscheidungsträger in der Regel nicht selbst der Nutzer. Er schließt Verträge für andere ab, was eine Vorausberechnung des Nutzungsverhaltens erschwert. Die Arbeit von Susanne Stingel zeigt, dass auch Geschäftskunden vor Unsicherheiten bei der Wahl des richtigen Mobilfunk-Tarifs nicht gefeit sind
Für ihre Dissertation zum Thema “Tarifwahlverhalten im Business-to-Business-Bereich” wurde Susanne Stingel mit dem Förderpreis der Vodafone-Stiftung für Forschung ausgezeichnet. Die Kommunikationswissenschaftlerin war von 2004-2008 war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Anlagen und Systemtechnologien der Universität Münster tätig, wo sie letztes Jahr auch promovierte.
Kommentare (10)