Erinnern Sie sich noch? Vergangenen November startete das Wiener Wirtschaftsförderungsinstitut, das WIFI-Wien, eine Astrologie-Ausbildung. Kein Witz! Die Astronomen der Kuffner Sternwarte wehrten sich und organisierten – durch uns unterstützt – einen Protest. Die Medien sprangen auf, das WIFI schaffte es bis auf James Randis Webseite und machte sich international zum Gespött. Trotz angeblich starker Nachfrage wurde im April entschieden, den Verdummungskurs nicht weiter anzubieten. Ein kleiner Sieg der Vernunft, der aber nicht einmal bis zum WIFI-Niederösterreich reichte, wo man immer noch Astrologen un- statt ausbildet.
Das Wiener WIFI hat zwar auf die Astrologie verzichtet, bietet aber immer noch eine Reihe von Kursen an, die mit Bildung nichts zu tun haben. Die Sicht der Wirtschaftskammer ist offenbar, dass die bloße Existenz von Nachfrage alleine bereits das Anbieten von Kursen für jedweden pseudowissenschaftlich fundierten Plunder rechtfertigt. Bedenklich wird das alles, wenn es sich um Kurse handelt, deren Absolventen in den medizinischen Bereich hineinpfuschen wollen. Die Medizinjournalistin Dr. Krista Federspiel, Mitglied der Gesellschaft für kritisches Denken, hat dies zu einem offenen Brief veranlasst.
Offener Brief an
den Kurator des WIFI Wien, Herrn KommR Erwin Pellet,
den Institutsleiter Mag. Fritz Gregshammer und
die Leiterin der Ausbildung, Frau Mag. Andrea Martinschitz
Betrifft: Voodoo im WIFI
Sehr geehrter Herr Pellet, sehr geehrter Herr Gregshammer, sehr geehrte Frau Martinschitz,
demnächst starten die Kurse, und forsch empfiehlt sich das Wirtschaftsförderungsinstitut WIFI – Aus- und Weiterbildungseinrichtung der Wirtschaftskammer – als “Impulsgeber für Menschen mit klarem Blick in die Zukunft”.
Stimmt das wirklich? Blättert man im Herbstverzeichnis, begegnet man Nebelwerfern, die den Blick trüben, okkulte Inhalte lehren und Lernwillige zu Ausbildungen verführen, die kaum eine Zukunftsaussicht haben. Unter Umständen sind die Berufe sogar eine Gefahr für hilfesuchende Kunden.
Seit die Wirtschaftskammer den freien Gewerbeschein für “Hilfestellung” und “Energieausgleich” eingeführt hat, für den man keinerlei Vorbildung mitbringen muss, haben schon rund 15.000 Personen solche “Arbeit” angemeldet. Aber kaum einer von diesen “Energethikern” (das “h” kommt angeblich von Ethik) kann damit seine Existenz sichern, denn zur Ausübung (um z.B. “Blockaden zu lösen”) werden, bis auf eine Ausnahme (Biofeedback), esoterische Methoden zugelassen. Diese Techniken sind zwar in Mode – weil exotisch und vielversprechend – aber nichts als Voodoo: Im besten Fall wirken sie angenehm wie Placebos (Scheinmittel), im schlimmsten Fall können sie Kunden schädigen. (vergl. E. Ernst et al: The Desctop Guide to Complementary and Alternative Medicine, Verlag Elsevier, 2. Aufl. 2006; Die Andere Medizin, Verlag Stiftung Warentest, Berlin 2005)
Es gibt viele Ungereimtheiten bei der Zulassung der Energethiker, und das WIFI mit dem Etikett einer anerkannten Institution sendet mit solch parawissenschaftlichen Kursen ein falsches Signal: Es fördert Aberglauben statt Wissen.
Da gibt es z.B. den Geistheiler-Kurs Reiki I (Nr. 61233028, Kursgebühr € 315): Er beruht auf einer religiösen Lehre aus Japan mit dem Anspruch, Anwender könnten durch Handauflegen die universelle Kraft auf den Heilsuchenden übertragen. Es gibt keinen einzigen seriösen Nachweis für eine Wirksamkeit dieser Vorgehensweise. Aber sie wird für Heilberufe wie Führungskräfte, sogar für Kindergärtner- und LehrerInnen angeboten – denen es jedoch verboten ist, die Kinder anzugreifen und sie mit pseudoreligiösem Gedankengut zu indoktrinieren! Da keinerlei medizinische Kenntnisse vorausgesetzt, aber auch Gesundheitsstörungen mit Reiki “behandelt” werden, besteht die Gefahr, dass Reiki-Kurs-AbsolventInnen sich in Verbindung mit dem Göttlichen wähnen und ihre Grenzen nicht erkennen. U.U. riskieren Kunden/ Patienten, eine notwendige Behandlung zu versäumen.
Oder Touch for Health (Nr. 61231018, € 1.250), eine “Wünsch-Dir-was-Methode” und ein Kurs, der auch Elemente der Chiropraktik und Akupressur enthält. Es fehlt bis dato ein überzeugender Beleg für ihre angeblich gesundheitsfördernde Wirkung. Das simple Handauflegen beruht auf dem Konzept der Kinesiologie, das längst widerlegt ist. In dem Kurs wird der kinesiologische Muskeltest gelehrt, aber angemerkt: “Die Teilnahme berechtigt nicht dazu, Krankheiten zu diagnostizieren oder zu behandeln.” Wozu dann das Angebot? Der Muskeltest ist zwar ohne Aussagekraft, aber er dient ja laut Lehre der Diagnose, die Manipulationen und das Handauflegen der Therapie! Überdies werden mögliche Risiken – das Aufbrechen persönlicher Probleme im Lauf der Arbeit – den Kursteilnehmern angelastet: Jede Person sei “für sich selbst verantwortlich” und “entbindet” “bei physischen oder psychischen Problemen das WIFI und die Trainerin von jeglicher Haftung.” Nun ja, die Lehrenden sind auch nicht ausreichend ausgebildet, Krisen zu bewältigen. Ob dieser Passus juristisch aber wirklich hält?
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