Für einen an Wissenschaft interessierten Laien, aber auch für einen Wissenschaftler selbst, mag es eine Überraschung sein, doch es ist Realität: In Österreich kann man an einer anerkannten medizinischen Universität Kurse in Homöopathie besuchen, die für das Studium der Humanmedizin anerkannt werden. Man muss nicht – so weit ist es noch nicht gekommen – aber man kann. Z.B. im Rahmen des Wahlfaches Homöopathie an der MedUni Wien.
Unter den Vortragenden des Kurses sind unseren Stammlesern bereits bekannte Namen wie Dr. Peter König (Stichwort Homöopathie an der Kinderuni) oder Prof. Michael Frass (Stichwort ATOX). Hier sollen uns die handelnden Personen aber nicht näher interessieren, sondern die Inhalte, die sie präsentieren.
Denn dies ist ja das Paradoxe: Was an Universitäten gelehrt wird, das ist – von historisch bedingten Ausnahmen
einmal abgesehen – normalerweise Wissenschaft oder zumindest
wissenschaftsbasiert, und so sollte es ja wohl auch sein. Homöopathie
dagegen ist eine dogmatisch-irrationale Heilslehre. Sie ist nicht nur
einfach unwissenschaftlich, sondern pseudowissenschaftlich, da sie sich
fälschlicherweise als Wissenschaft präsentiert. Dies ist ein hartes
Urteil, gewiss, aber es ist nicht die verschrobene Ansicht ein paar
szientistischer Hardcore-Skeptiker, sondern ein breiter Konsens in der
scientific community. So listet etwa die National Science Foundation Homöopathie ebenso als typisches Beispiel für Pseudowissenschaften auf wie die renommierte Stanford Encyclopedia of Philosophy, welche konstatiert:
There is widespread agreement for instance that
creationism, astrology, homeopathy, […] are pseudosciences.
Was
also wird Studierenden unter dem Titel “wissenschaftliche Grundlagen
der Homöopathie” genau beigebracht? Die Frage ist nicht rhetorisch
gemeint. In England gab es letztes Jahr eine Kontroverse um einige
weniger renommierte Universitäten, die mit akademischen BSc und MSc
(Bachelor bzw. Master of Science) Graden in Homöopathie den Unmut von
Wissenschaftlern erregten. Nature titelte “Science degrees without the science“, und berichtetet davon,
wie schwierig bis unmöglich es sei, an die Kursunterlagen der ominösen
Homöopathiekurse heranzukommen. Die meisten Universitäten verweigerten
schlicht die Offenlegung ihrer Lehrunterlagen.
An der MedUni
Wien ist die Situation in dieser Hinsicht besser. Das am AKH gelehrte
Wahlfach Homöopathie ist anrechenbar für die von der StudentInnen Initiative Homöopathie (SIH) privat organisierte und kostenpflichtige Homöopathie-Ausbildung. Das Grundlagenskriptum
der SIH steht per download frei zur Verfügung. Dieses Skriptum enthält
natürlich detaillierte Erläuterungen zur homöopathischen Lehre und
Praxis, die entscheidende Frage der Evidenz für die spezifische
Wirksamkeit der Heilmittel wird jedoch auf mageren zwei Seiten
abgehandelt. Die SIH verweist für dieses Thema stattdessen auf ein
ausführlicheres 16-seitiges Skriptum mit dem Titel Wissenschaftliche Grundlagen & Publikationen zur Homöopathie (Version 2008). Verfasst wurde es von der Homöopathin Dr. Lisa Eckhard, und empfohlen wird es auch vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte. Dieses Skriptum ist es, das wir hier unter die Lupe nehmen wollen.
Das
Skriptum ist in drei Abschnitte gegliedert: “Klinische Studien”,
“Experimentelle Grundlagenforschung” und “Zum Wirkmechanismus”. Ich
werde zuerst auf die letzten beiden Abschnitte kurz eingehen und dann
in einem gesonderten Beitrag auf den ersten Abschnitt.
Abschnitt “Experimentelle Grundlagenforschung”
Dieser Abschnitt beginnt mit einer Erläuterung des Skandals um Benvenistes 1988er Artikel in Nature. Die Erläuterung schließt ab mit:
Das
Ergebnis wurde stark angezweifelt und es wurde fieberhaft nach
methodischen Fehlern gesucht. Schließlich mussten die Ergebnisse
zurückgezogen werden. Jedoch konnten mittlerweile ähnliche
Versuchsanordnungen in mehreren voneinander unabhängigen Labors
reproduziert werden:
• Belon, Crumps, Ennis et al
Inhibition of human basophil degranulation by successive histamine dilutions: Results of a European multi-centre trial.
Inflamm Research 2004Nachzulesen in:
Das Gedächtnis des Wassers – oder: Ein Fall von Wissenschaftszensur, Michel Schiff
Der
angegebene Beleg ist relativ dürftig. Mehrere anerkannte Labors
scheiterten an dem Versuch, Benvenistes Resultate zu reproduzieren. Die
Versuche der Pharmakologin Madeleine Ennis schienen tatsächlich ein
positives Resultat zu zeigen. Was hier nicht zu lesen ist, ist aber,
dass ein von der BBC finanziertes internationales Wissenschaftlerteam
dieses Experiment 2002 zu reproduzieren versuchte. James Randi setzte
die 1 Million Dollar seiner JREF Paranormal Challenge auf ein negatives Resultat. Er behielt sein Geld.
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