Prof. Herbert Pietschmann ist theoretischer Physiker. Er ist einer der wenigen österreichischen Wissenschaftler, die in der Öffentlichkeit einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Wann immer die österreichischen Medien früher einen Physiker brauchten, der in allgemeinverständlichen Sätzen sprechen konnte, wandten sie sich an Prof. Pietschmann. Bis Ende der 90er Jahre Anton Zeilinger kam.
Pietschmann beschäftigt sich auch mit Philosophie – und mit Alternativmedizin. Seit ein paar Monaten wird er nun von Homöopathiefreunden verstärkt zitiert. Prof. Pietschmann hat nämlich in der Presse vom 16. September verkündet, dass er nicht mehr daran glaube, dass Homöopathie Placebo sei.
Das interessiert uns. Was sind seine Argumente? Neue Evidenz für das Wassergedächtnis? Feinstoffliche Quanten im Experiment nachgewiesen? Neue Metaanalyse erschienen? Nun, nicht ganz…
Bei der Homöopathie habe ich als Physiker auch lange an einen Placebo-Effekt geglaubt; aber mehrere bedeutende Internisten sagten mir ,G’sund werden die Leut’ davon schon!’
Klar, dass das die Homöopathen freut. Doch Dr. Edmund Berndt war – gelinde gesagt – verwundert. Er wollte es genauer wissen. Hier sein Erfahrungsbericht.
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Es ist sehr interessant, was so ein verdienter emeritierter Physiker von sich gibt, wenn er sein Fachgebiet verlässt und z.B., was Physiker öfters tun, in den Gefilden der Philosophie oder der Medizin unter dem Beifall der Medien herumspazieren. Prof. Pietschmann ist nicht der einzige Physiker, der solche Ausflüge unternimmt. Prof. Karl W. Kratky hält sogar Vorlesungen in Sachen Paramedizin. Derartige Aktionen sind für Medien immer erstklassiges zeitgeistiges Infotainment.
Herr Prof. Pietschmann ist ohne Zweifel ein Mensch und Wissenschaftler mit exzellenten Fähigkeiten und großem Wissen. Daher habe ich versucht, von Herrn Prof. Pietschmann diesbezüglich Genaueres zu erfahren, wie seine Vereinigungsvisionen zwischen Medizin und Paramedizin zu verstehen sind und was er wirklich dazu meint.
Die Auskunft war mager. Prof. Pietschmann schickte mir zwei diesbezügliche Abhandlungen, aber er führte nichts im Detail an, worauf er sein Harmoniebedürfnis zwischen Medizin und Paramedizin gründen will. Ich vermute mal, er hat keine nennenswerte kritische Literatur über Paramedizin und Parapharmazie gelesen. Wenn man sein Wissen nur dem üblichen Medienkonsum und dem Infotainment verdankt, kann man aber nur zur Auffassung kommen, es gäbe eine mehr oder weniger gesicherte und anerkannte Wirksamkeit; und dann ist leicht vom Brückenbauen etc. zwischen Medizin und Paramedizin zu schwärmen.
Daher habe ich nochmals nachgehakt und habe Herrn Prof. Pietschmann gebeten, mir wenigstens die Namen von den namhaften Wiener Internisten zu nennen, die ihm laut einem Artikel in der Tageszeitung Die Presse zugeflüstert haben, dass Homöopathie kein Placebo ist. Er selbst äußerte sich nicht über die Wirksamkeit von Paramedizin. Verständnis ist ja gut und schön, aber wofür und wie kommt es zustande?
Die zweite Antwort von Prof. Pietschmann war noch kürzer. Er nennt keine Namen.
Seine Argumentationslinie läuft darauf hinaus, dass in einer fernen Zukunft durch andere Betrachtungsweisen oder durch neue Perspektiven etc. noch bewiesen werden wird, was aus heutiger Sicht unmöglich erscheint. Ein klassischer Scheinbeweis. Der Beweis des Unmöglichen wird in die Zukunft verschoben. Ich nenne es das Fata Morgana Argument. Diese Vorwegnahme ist unstatthaft. Mit unbewiesenen und vor allem unbelegten Theorien lässt sich alles behaupten.
Völlig außer Acht wird gelassen, dass ja jede Menge mustergültige nicht widerlegte Arbeiten auf dem Tisch liegen, die ohne wenn und aber die Unwirksamkeit belegen. Darüber hinaus sind, wie bei dogmatischen Heilslehren generell zu beobachten ist, die inneren Widersprüche und die Widersprüche zu medizinischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen so zahlreich, dass nur darauf hingewiesen werden kann.
Die Ergebnisse dieser Studien sind zuerst einmal zu widerlegen und endlich auch Arbeiten vorzulegen, die eine Wirksamkeit belegen. Erst dann kann man darüber nachdenken, wie Brücken zwischen zwei wirksamen „medizinischen Welten” gebaut werden könnten. Die vielen Ungereimtheiten mit „Es wird noch bewiesen werden” vom Tisch zu wischen, passt eigentlich nicht richtig zu einem Wissenschaftler von Rang und Namen.
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