Herr Prof. Pietschmann hat von medizinischer oder pharmazeutischer Materie soviel Ahnung wie die selige Maria Treben, der selige Kräuterpfarrer Weidinger und der noch unselige Hademar Bankhofer. Alle diese höchst illustren Experten des Infotainments haben von Pharmakologie und Philosophie so viel Ahnung wie interessierte Laien.
Über die Wirksamkeit von Drogen und Arzneistoffen egal welcher Provenienz, gibt Auskunft der Pharmakologe. Er ist der Sachverständige dafür, ob etwas an sich, kraft seiner stofflichen Eigenschaften, wirkt oder nicht. Vor Gericht ist nur der Pharmakologe als Sachverständiger dafür zugelassen. Herr Prof. Pietschmann ist Physiker. Seine Aussagen über Physik sind sicher so ausgezeichnet begründet und logisch, dass diese nicht nur vor Gericht sondern vor allem auch vor der wissenschaftlichen Gemeinschaft (scientific community) bestehen. Wenn ich etwas wissen will, gehe ich als studierter Pharmazeut zum Schmied und nicht zum Schmiedl.
Es fehlte noch das Argument des Paradigmenwechsel. Davon wird auch in alternativen Kreisen gerne phantasiert. Nur wird dabei immer übersehen, dass alle bisherigen Erkenntnisse und Tatsachen durch das neue Paradigma ebenfalls und noch besser als bisher erklärt werden müssen.
Spätestens dann erweisen sich Bioinformationsgerede, Wassergedächtnisgeschwurbel und diverse Quantenphantastereien als das was sie sind, nämlich purer Unsinn. Aber den Unwissenden kann das alles sehr wohl – wie z.B. der längst überholte Vitalismus – im Kleide eines mit Lebensinformationen aufgeladenen Wassers als neue Erkenntnis und Paradigmenwechsel verkauft werden. Bei Einstein: ein Paradigmenwechsel schaut sicher anders aus.
Aber Prof. Pietschmann ist nicht irgendwer, sondern ein verdienter Physiker. Die sumpfigen Niederungen der Pseudowissenschaften sind ihm noch nicht so bekannt. Aber es gab schon berühmtere Persönlichkeiten, die sich in Pseudowissenschaften verstrickten. Ich darf an Jaques Benveniste und das Wassergedächtnis erinnern. Der kontrollierte Nachweis unter den Augen von Sir John Maddox und dem Zauberkünstler und Trickexperten James Randi misslang nicht nur, sondern es wurde auch aufgeklärt, wo und wie die Fehler gemacht wurden. Aber, wie das immer so ist, wenn man in den Gedankenkäfig einer Dogmatik hineingerät: Jaques Benveniste revidierte seine Unwissenschaft nicht. Im Gegenteil er beglückte die alternative Szene mit der Informationsübertragung mittels CD. Die Steirischen Homöopathieforscher um die Gruppe P. Endler, mit der Prof. Frass in Verbindung ist, übertragen jetzt homöopathische Schwingungen von potenziertem Schilddrüsenhormon als Soundtrack ins Becken der Froschlurche.
Ein großer Traum von vielen Physikern ist die Weltformel. Mit dieser Formel sollen die vier Grundkräfte in einem vereinheitlichten Gesamtkonzept beschrieben werden. Dieses hehre Ziel hat Prof. Pietschmann nicht geschafft. Will er jetzt diesen Traum in der Medizin verwirklichen?
Die dunklen Seiten der Medizin haben es ihm offenbar angetan. Ich meine, dass eine vereinheitlichte Medizintheorie kein geeignetes Terrain für das Hobbyphilosophieren ist. Für die vier Grundkräfte gibt es gute und erfolgreiche Theorien, aber für die Paramedizin gibt es dergleichen nicht. Das theoretische Kauderwelsch und Kuddelmuddel parawissenschaftlicher Heilslehren hat bis heute zu keinen medizinischen und sonstigen Erkenntnissen geführt! Was soll da bitte unter einem Dach vereinigt werden?
Nun sind mir die Prospekte von TEM in die Offizin geflattert. Ein ganz tolles Konzept. Angespornt durch den kommerziellen Erfolg der TCM wird nun eine Traditionelle Europäische Medizin kreiert. Dabei wird übersehen, dass unsere Medizin heute, die so gern mit dem als Schimpfwort erfunden Begriff der „Schulmedizin” abqualifiziert wird, nichts anderes ist als Ergebnis einer traditionellen europäische Medizin.
Bei dieser Entwicklung zur modernen Medizin ist vieles auf der Strecke geblieben und im Abfalleimer der Geschichte von Medizin und Pharmazie gelandet. Nun wird es wieder ausgegraben, aber nicht von Historikern sondern von geschäftigen Experten. Egal wie man es dreht oder wendet, es ein Etikettenschwindel, überholte Theorien als zeitgemäß anzupreisen. So ist z.B. die Signaturenlehre hochinteressant, aber bitte nur etymologisch und medizinhistorisch. Nun gibt sich Pietschmann dafür und ähnlichem mehr als Galionsfigur her.
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