Fazit:
Die Lüdtke-Rutten Studie ist eine Randnotiz, deren Daten die
Erkenntnisse der Egger-Studie weitgehend stützen. Sie ist alles andere
als ein Aufreger.
Wie kommt es dann, dass Claus Fritzsche in seinem Blog Purzelbäume schlägt vor Aufregung? Sehen Sie sich das hier nur einmal an:
Sollten sich erste Gerüchte bestätigen, dass die Forschergruppe um
Prof. Dr. med. Matthias Egger, Aijing Shang und Kollegen die Ergebnisse
nicht kommentieren will (d. h. Rutten, Stolper und Lüdtke ihrerseits
keine Fehler nachweist), so hätten die neuen Publikationen die Qualität
eines wissenschaftlichen Erdbebens der Stärke 9. Frei nach Charles Francis Richter: Zerstörung (einer von The Lancet konstruierten Legende) in Bereichen von tausenden Kilometern.
Etwas unaufgeregter betrachtet der Wissenschaftsjournalist Francis Segdemore die Sachlage:
Egger would be a fool to comment on such patent nonsense spun by a PR agency.
Nocheinmal O-Ton Fritzsche:
Die negativen – für die Placebo-These ausschlaggebenden – Ergebnisse
von Shang et al. 2005 werden laut Rutten und Lüdtke primär durch eine
einzige selektierte Studie beeinflusst.
Und hier die Worte von Lüdtke-Rutten:
Shang’s
negative results were mainly influenced by one single trial on
preventing muscle soreness in N=400 long-distance runners.
Bemerken
Sie den subtilen Unterschied? Wo Lüdtke-Rutten von einer “einzelnen
Studie” sprechen, ortet Fritzsche eine “selektierte Studie”. Dabei
klingt der Vorwurf der Datenselektion mit, also wissenschaftliches
Fehlverhalten. Anhaltspunkte dafür? Keine. In den PR-Agenturen sitzen
die Schmutzkübel eben locker.
Falls Sie jetzt mutmaßen, dies sei lediglich eine böswillige
Interpretation meinerseits, weil die “selektierte” Studie ja
schließlich eine der nach den Kriterien von Shang et al ausgewählten (=
“selektierten”) acht großen und hochqualitativen Studien sei, dann
passen Sie auf, wie es bei Fritzsche weiter geht:
Das heißt nichts anderes, als dass das von The Lancet 2005 proklamierte »Ende der Homöopathie« auf einem Selektionsbias und einer durch eine einzige (!) Studie verursachten Verzerrung basiert. Was für ein Kracher!
Ja, da kracht es allerdings ganz gewaltig – in mindestens einem Hirn…
Und hier schließlich die Daten:
Wie
deutlich zu sehen ist, erreicht man mit Metaanalyse nicht einmal
annähernd einen p-Wert von 0,05, wenn man eine einzelne Studie aus den
acht ausschließt. Mit dem Verfahren der Metaregression kommt man den 5%
zumindest nahe, wenn man die Vickers-Studie zum Muskelkater ignoriert.
Und? Eine Metaanalyse hat schließlich die Aufgabe, existierende Studien
zu bewerten und zusammenfassend zu beurteilen. Dass die Existenz einer
hochqualitativen und großen negativen Studie wie der von Vickers für
jene, die sich sehnlichst ein positives Resultat gewünscht hätten, ein
Ärgernis darstellt, ist nicht weiter überraschend. Das Argument “wenn
es die Vickers-Studie nicht gäbe, dann wäre das Resultat der
Metaanalyse beinahe positiv”, ist allerdings etwas dürftig. Wie Bob
Park es vielleicht formuliert hätte:
If things were different, things would not
be the way things are.
Am Ende muss ich Herrn Fritzsche aber doch noch verteidigen: Das
Unkraut ist nicht zur Gänze auf seinem Mist gewachsen. Vielmehr hat es
den Anschein, als habe er die Studien, um die es geht, gar nicht
gelesen. Oder nicht verstanden. Offenbar hat er nämlich seine
Informationen schlicht aus jener verzerrenden Pressemeldung des
Elsevier-Verlags (zu dem The Lancet, Homeopathy und das Journal of Clinical Epidemiology gehören) abgeschrieben, die den schlichten und ebenso falschen Titel New evidence for Homeopathy trägt. Diese Pressemeldung, die für einen Fachverlag eher peinlich ist, beginnt mit den Worten
Two
new studies conclude that a review which claimed that homeopathy is
just a placebo, published in The Lancet, was seriously flawed.
Wie
wir inzwischen wissen, ist das Unsinn – von “seriously flawed” kann
überhaupt keine Rede sein. Aber man sollte bedenken, dass der
Elsevier-Verlag keine wissenschaftliche Einrichtung ist, sondern ein für überteuerte Fachzeitschriften berüchtigtes kommerzielles Unternehmen, das hin und wieder auch ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Integrität für die eigenen Produkte die Trommel rührt.
Kommentare (30)