Nun zurück zum Thema.
Wie
nicht anders zu erwarten, hat mein vorgestriger Beitrag den einen oder
anderen oberflächlichen Leser zu der (falschen) Mutmaßung veranlasst, ich wolle
die Schäden des Passivrauchens oder gar des Rauchens selbt verharmlosen. Auf der
Gegenseite hat mein Beitrag als Nebenwirkung auch
“Passivrauchschädenskeptiker” auf den Plan gerufen, die sich in den
Kommentaren über die “Mär” von der Schädlichkeit des Passivrauchens
auslassen. (Christian Reinboth hält hier wacker dagegen.)
Das Phänomen ist kein neues und tatsächlich gibt es seit vielen Jahren
heftige Diskussionen über die “wahre” Schädlichkeit des Passivrauchens.
Allerdings nicht in Fachkreisen, sondern vielmehr in den Medien und auf
einschlägigen Webseiten.
Die Zweifler können auf den ersten Blick erstaunlich überzeugend wirken, und während ich früher tatsächlich eine heimliche Sympathie für derlei Argumente hatte, bin ich inzwischen – nach einer längeren Recherche der Für und Wider – vom Gegenteil überzeugt. Meine Gründe dafür habe ich kurz in einer e-mail zusammengefasst, die ich Anfang Dezember einer Bekannten geschickt hatte, und die ich aus Bequemlichkeit hier einfach einkopiere. Anlass war, dass mir jene Bekannte einen Artikel des Technikphilosophen Prof. Günter Ropohl zugeschickt hatte, der den Titel “Passivrauchen als statistisches Konstrukt” trägt. In meiner e-mail habe ich erklärt, dass ich Ropohls Ansicht nicht teile, und die folgenden Gründe dafür genannt:
1. Ich kenne mehrere solcher Artikel wie jenen von Ropohl. Sie sind in
der Argumentation einander alle sehr ähnlich, weil sie sich an denselben
Informationsquellen bedienen. Diese Quellen wiederum werden zumindest
teilweise von der Tabakindustrie gespeist. Dazu gibt es inzwischen
Untersuchungen.
2. Typisch ist etwa der Hinweis auf wissenschaftliche “Dissidenten”, die
angeblich totgeschwiegen werden. Ropohl zitiert Enstrom/Kabat 2003.
Dabei weiß man inzwischen, dass diese Studie nicht nur schwere
methodische Mängel hatte, sondern auch, dass Enstrom verschwiegen hatte,
dass er seit Jahren von der Tabakindustrie gesponsert worden war.
3. Ebenfalls ganz typisch ist die Behauptung, dass in der Epidemiologie
Risikofaktoren mit einem relativen Risiko (RR) unter 2,0 generell nicht
weiter beachtet werden. Die Behauptung muss jeden verwundern, der schon
mit epidemiologischen Studien zu tun hatte. Das wird üblicherweise durch
Zitate belegt, u.a. aus Taubes 1995, den auch Ropohl zitiert. Bei
näherer Betrachtung erweisen sich diese Zitate als aus dem Kontext
gerissen und bewusst missverstanden. Sie gelten für kleine RRs, für die
nur eine einzige epidemiologische Studie vorliegt.
4. Ropohl argumentiert und zitiert extrem selektiv. Z.B. das Herumreiten
auf festgelegten Grenzwerten zu Niktoin am Arbeitsplatz ist sehr seltsam
– als ob diese Grenzwerte die wissenschaftliche Wahrheit verkörpern
würden. Alleine zum Lungenkrebsrisiko von nichtrauchenden Partnern von
Rauchern gibt es über 50 Studien und ein paar Metaanalysen, die
insgesamt klar auf ein RR von etwa 1,25 hinauslaufen. Die kann man nicht
durch den Hinweis auf allgemeine Schwächen der Epidemiologie einfach
wegwischen. Dazu kommt, dass völlig unterschiedliche methodologische
Ansätze alle dasselbe Bild ergeben. Biologische Plausibilität liegt auch
vor. Die Evidenz ist m.E. unübersehbar, wenn man unvoreingenommen
analysiert.
5. Ropohls eigene Zahlen widersprechen seiner Botschaft. Auf S. 53
mokiert er sich darüber, dass Passivraucher durchschnittlich “nur” eine
tägliche Dosis von etwa 0,15 Zigaretten einatmen und meint, dass das RR
bei solch geringen Dosen vernachlässigbar bzw. “überhaupt nicht mehr
messbar” sei. Nun, bekanntermaßen liegt das RR eines langjährigen Aktivrauchers bei etwa 30. Legt man 20 Zigaretten täglich für den
Aktivraucher zugrunde, so ist das das 133-fache des Passivrauchers.
Dieser müsste bei linearer Dosis-Wirkung Beziehung also ein RR von etwa
1,22 haben. Das stimmt mit den im Bereich 1,2 bis 1,3 angegebenen RRs
sehr gut überein, die Ropohl eigentlich widerlegen will.
6. Ropohl bezeichnet die Pötschke-Langer-Studie als völlig unplausibel und stützt
sich dabei auf die Zahlen aus Tabelle 1 seines Artikels, die eine geringere Mortalität
von Passivrauchern zeigen. Das ist schon beinahe lächerlich. Ropohl weiß
sehr wohl, dass reine Passivraucher keine Aktivraucher sein können, letztere
aber bekanntermaßen die Mortalität in den Gesamtzahlen erhöhen. Dieses
Argument ist manipulativ.
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