Anno 2007durfte ich ein Mosaiksteinchen zu jener mühsamen Arbeit von Ben Martin beitragen, deren Ergebnis damals u.a. in einem Nature Editorial kurz zusammengefasst wurde. Ein deutscher Ökonom namens Hans-Werner Gottinger hatte, wie sich herausstellte, den Großteil seiner Karriere schlicht erfunden und mindestens ein Dutzend seiner Fachartikel plagiiert. Anno 2008 wurde öffentlich bekannt, wie der mathematische Physiker Mohamed El Naschie seine Kollegen seit Jahren an der Nase herumführte. Die ZEIT berichtet inzwischen auch über den “Felix Krull der Mathematik”, aber Thilo war viel schneller: Die Zeitschrift Chaos, Solitons & Fractals hatte einen auffälligen Hang zu Artikeln aus der Feder von El Naschie und zu Artikeln, die diese zitieren. Viele dieser Artikel beinhalteten numerologischen Quatsch, der sich als mathematische Physik tarnte. Bei der Publikation seiner Artikel kam es El Naschie sehr gelegen, dass er der verantwortliche Herausgeber dieser Zeitschrift war. Inzwischen ist sein Rücktritt angekündigt und in der Wikipedia wurde der Eintrag zu seinem Namen gelöscht. Ob Chaos, Solitons & Fractals den Imageschaden überlebt, ist fraglich.
Die Zeitschrift Chaos, Solitons & Fractals ist übrigens eine Elsevier-Zeitschrift
und kostet über € 4.000 jährlich. Eine sauteure Zeitschrift, die Humbug
veröffentlicht und die wissenschaftliche Bibliotheken quasi abonnieren
müssen, weil die guten Zeitschriften nur im Paket mit ihr verramscht
werden – woran erinnert uns das? Ach ja, da gibt es noch die
Zeitschrift Homeopathy, in der Ärzte ernsthaft über magische Schüttelrituale referieren. Homeopathy ist ebenfalls ein Elsevier-Journal, aber darüber habe ich ja schon berichtet.
Bundeskanzler Faymann hat ja Gerüchte dementiert, die Homöopathie
sei sein einziges Interesse abseits der Politik. Da sind wir aber
froh… Zur Homöopathie gibt es eigentlich nichts neues zu vermelden –
wie schon seit 200 Jahren nicht. Harriet Hall von Science-Based Medicine hat kürzlich einen sehr schönen und dabei angenehm kurz gehaltenen Überblick dazu verfasst: Homeopathy – Still Crazy After All These Years. Die ÖÄK, also die Österreichische Ärztekammer, wird das nicht davon abhalten, weiterhin ihr ÖÄK-Diplom für Homöopathie
anzupreisen – bringt schließlich bares Geld. Dass sie sich dabei aus
wissenschaftlicher Sicht zum Kasperle macht, nimmt die ÖÄK nicht allzu
schwer.
“Esoterik kann sehr riskant sein. Experten warnen vor unkritischer Gestaltung des Bildungsangebots im Bereich der Esoterik.” So konnte man am Montag in der Kleinen Zeitung lesen (nicht online). Das könnte von uns sein. Ist es aber nicht. Die warnenden Experten sind “Lieselotte
Wiedergut, Netzwerk – Verein für Sekten- und Kultfragen, Pfr. Mag.
Johannes Spitzer, Beratungsstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen
der Evangelischen Kirche Villach, Mag. Alfons Trinkl, Suchtberatung der
Landeshauptstadt Klagenfurt, Mag. Lambert Jaschke, Diözese Gurk“.
Recht haben sie jedenfalls. Anscheinend hat u.a. der Referent eines
Pendel-Workshops in einem Radio Kärnten-Interview verkündet, das Pendel könne auch zur Bestimmung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten eingesetzt werden. Wie hieß das nochmal? Die dumm, es brennt! Besser kein link hier, sonst spricht sich das herum und die ÖÄK macht ein Diplom daraus.
Eine Bekannte erzählte mir mal, wie eine Homöopathin mit einem Dr. med. vor dem Namen ihr die geeigneten Globuli
auspendelte. Das machte sie am Telefon, war irgendwie praktischer. Eine
andere Bekannte berichtete, dass ein homöopathischer Arzt ihrer
Freundin Globuli verschrieb, die gegen familiäre Spannungen wirken
sollten. Auf die Frage, wer in der Familie die schlucken sollte, kam
als Antwort: “Niemand. Die legen Sie ganz oben auf ein Küchenkastl. Von dort strahlen sie in die ganze Wohnung aus.”
Es hat übrigens gewirkt, sagt die Freundin. Wer heilt, hat Recht. Die
Freundin war glücklich, der Homöopath auch. Eine win-win Situation? Der
schleichende Verlust der Urteilsfähigkeit ist ein Kollateralschaden
(auch) der Homöopathie.
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