Roswitha Trimmel unterrichtet Deutsch, Geschichte und Kommunkation an einem Wiener Gymnasium. Außerdem ist sie Stammleserin und -kommentatorin unseres Blogs. Sie hat bereits bei Florian einen lesenswerten Gastbeitrag veröffentlicht und ich freue mich, dass sie dies heute auch an dieser Stelle tut. UB
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Zuwendung als Ware: Überlegungen zu Sinn und Unsinn der Komplementärmedizin am Beispiel von Cranial Fluid Dynamics
ein Gastbeitrag von Roswitha Trimmel
Woran
denken Sie, wenn Sie das hübsche Anglizismen-Konglomerat “Cranial Fluid
Dynamics” lesen? Ulrich Berger denkt “an ein Hirn, das gerade ausrinnt”, meine
Freunde an ein besonders teures Haarpflegemittel und ich hätte bis vor kurzem
auf eine aufgebrezelte Form von rhythmischer Gymnastik in laut beschallten Studios
getippt. Alles falsch. Cranial Fluid Dynamics, kurz CFD, gehört zum wachsenden
Sektor der “Fünf C-Ökonomie”, die in aufsteigender Reihenfolge Computing, Caring, Catering, Consulting, Coaching umfasst.”[1]
Der
Markt für komplementärmedizinische, “ganzheitliche” Dienstleistungen, die
irgendwo zwischen Caring, Consulting
und Coaching herumeiern, wächst rasant.
Diesen Trend hat auch das WIFI Wien erkannt und bietet neuerdings Lehrgänge an,
deren Absolventen auf diesem bunten Marktplatz mitmischen dürfen.
Beispielsweise, indem sie das Diplom für den Cranial Fluid Dynamics-Practitioner erwerben: Der gleichnamige
Lehrgang, der ohne medizinische Vorkenntnisse auskommt, erstreckt sich über
zehn Module zu je drei Tagen, kostet ohne verpflichtende Supervision 3.600 Euro
und dauert von Oktober 2009 bis zum Juli 2010. Welches freie Gewerbe könnten
Berufene – übrigens auch ohne Qualifikationsnachweis – am Ende anbieten? Das
WIFI empfiehlt als Mustertext zur Vorlage bei der Gewerbebehörde:
Hilfestellung
zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit.
immer das bedeutet.
Die Methode
Laut
Definition der Kurs-Broschüre ist CFD eine sanfte Form von manueller
Körperarbeit, in der die Methoden Craniosacral
Balancing und Kinesiologie in
einer prozessbegleitenden Form kombiniert werden:
Hinter jedem körperlichen Zustand steht eine
Geschichte. Jedes steife Genick, jedes schiefe Becken, jede Zahnfehlstellung
hatte in einer bestimmten Lebensphase des Menschen eine Funktion, hat einen
anderen Zustand im Körper kompensiert oder eine emotionale oder psychische
Befindlichkeit ausgedrückt.
soll diese Geschichte bewusst machen, manuelle Techniken plus Kinesiologie
unterstützen angeblich dabei, “Zusammenhänge zwischen körperlichen Problemen
und den dahinter stehenden Lebenskräften (…) zu erkennen und zu nutzen.”
In
ihrem offenen Brief an das WIFI vom 27.8.2008 hat Krista Federspiel auf die
Gefahren der von medizinischen Laien vorgenommenen Manipulationen am Schädel
von Kindern und Erwachsenen hingewiesen – und auf das bestehende grundsätzliche
Verbot solcher Interventionen durch die österreichische Gesetzeslage. Das
scheint – zumindest in der Sprachregelung der offiziellen Präsentation –
gewirkt zu haben, denn beim Info-Abend des WIFI am 23.6.2009 sind Lehrgangsleiter und Trainer Stephen Hruschka
und Markus Blocher darum bemüht, die Beschreibung konkreter therapeutischer
Interventionen am Körper selbst tunlichst zu vermeiden. Ja, selbstverständlich
sei die CFD aus den Methoden der Craniosakralen
Körperarbeit hervorgegangen, also jener spezifischen Form der Osteopathie,
bei der durch Druck auf Schädel und Kreuzbein das angeblich spürbare Pulsieren
der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit günstig beeinflusst werden soll. Ja,
natürlich arbeite man darüber hinaus mit den Methoden der Kinesiologie, jener 1964 vom US-Chiropraktiker George J. Goodheart
entwickelten Diagnosetechnik, der zufolge die manuelle Testung einzelner
Muskelgruppen Auskunft z.B. über den Zustand innerer Organe, allergische
Reaktionen oder die Verträglichkeit von Heilmitteln gibt. (Zur fehlenden
Plausibilität und Evidenz bzw. diagnostischen Unverlässlichkeit beider
komplementärmedizinischer Verfahren lese man nach in Simon Singhs und Edzard
Ernsts aktueller Publikation Trick Or
Treatment.)
Allerdings,
so die Lehrgangsleiter, seien diese Ansätze längst weiterentwickelt worden. Statt
des “bio-mechanischen Modells” der Craniosakral-Arbeit, das gezielt
therapeutische Interventionen setzt, fühle man sich dem “bio-dynamischen” Ansatz verpflichtet, der auf ebensolche
Interventionen verzichtet:
Der/die CFD-Praktiker/in begleitet das Geschehen
ohne Erwartung und Vorstellungen, was geschehen soll. Allein seine/ihre
Aufmerksamkeit und Zuwendung bringen jene Geschichte zum Vorschein, die jetzt
verstanden und verarbeitet werden kann. Der daraus entstehende Zustand ist
neuerlicher Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen und Veränderungen. [2]
Weiters
kommt die von dem schottischen Kinesiologen Solihin Thom entwickelte Methode
der Ontologischen Kinesiologie zum
Einsatz. Ontologische Kinesiologie sei nicht mehr auf die
Diagnose von Störungen fokussiert, sondern lehre, die Ursprünge von Symptomen
zu erkennen sowie den Sinn von Krankheiten, Schmerzen und Problemen zu
verstehen. Ontologie bedeute in diesem Zusammenhang, “sein zu lassen, was ist”.
Oder, wie die Trainer beim Info-Abend formulieren: “Wenn jemand mit
Kopfschmerzen in die Praxis kommt, gilt es zunächst einmal, diese Kopfschmerzen
wertzuschätzen.” Denn: “Therapie bedeutet das Ignorieren dessen, was der Körper
mitteilen will.” Beseitige man ein Symptom, werde der Körper ein stärkeres entwickeln
müssen, um “seine Geschichte zu erzählen”, d.h. auszudrücken, was ihm fehlt.
Es
sind ambivalente Gefühle, die sich beim Besuch dieses Info-Abends einstellen.
Das Publikum: zu 95 Prozent weiblich, in mittlerem Alter und sichtlich vom
Bedürfnis beseelt, etwas für das Wohlbefinden anderer Menschen zu tun, wohl
auch mit der Perspektive eines sinnstiftenden, erfüllenden Nebenerwerbs. Die
TrainerInnen: freundliche, warmherzige Menschen, denen man ihre guten Absichten
ebenso glaubt wie ihre Begeisterung für das von ihnen vertretene Konzept. Und
schließlich bin ich selbst – im engsten Familienkreis mit chronischen
Schmerzpatienten konfrontiert – sehr wohl vertraut mit der Ohnmacht angesichts
wechselnder Krankheitsverläufe und dem Wunsch, möglicherweise schmerzlindernde
Formen von Körperkontakt und seelischem Beistand zu entwickeln..
Was
aber sehr rasch deutlich wird, ist die Diskrepanz zwischen hochtrabender
Terminologie und dem tatsächlich in Aussicht gestellten Nutzen für den Klienten:
Was dieser CFD-Lehrgang verspricht, ist nichts anderes als Empathie,
mitfühlende Präsenz und – hoffentlich – sanfte körperliche Berührung ohne
therapeutischen Anspruch. Das sind wichtige und wohltuende Kräfte und
Ressourcen, mit denen jeder Mensch jeden Tag in Kontakt kommen kann, wenn er
dazu bereit ist. Wozu aber braucht es dann diesen Lehrgang samt seinem
Theoriegebäude? Wozu braucht es zehn Module z.B. zur Geschichte der
Craniosacralen Methode bzw. der kinesiologischen Techniken, Lerneinheiten zur systemisch-ontologischen Gesprächsführung oder dem Life-Forces-Modell? Bedarf die Fähigkeit
des Einzelnen, Körperregungen und Gefühle wahrzunehmen, wirklich der Begleitung
durch eine Methode, die weder medizinischen Nutzen verspricht noch
Psychotherapie sein kann, wiewohl sie sich in genau dieser Grauzone bewegt? Was
sagt es aus über das Menschenbild der CFD, wenn Klienten tatsächlich jemanden benötigen,
der ihre “Kopfschmerzen wertschätzt”, und zwar als bezahlte Dienstleistung?
Die
aufgeblasene Beschreibung der bio-dynamisch-ontologischen
Prozessbegleitung passt
nicht so recht zum Verweis auf den “inneren Arzt” des Klienten, die eigentliche
Instanz, welche sich über Körpersignale
mitteile und solcherart dem CFD-Practitioner darin beistehe, (wie immer geartete)
Blockaden aufzuspüren. Denn, so die zentrale Botschaft der Präsentation,
“Prozesse geschehen von selbst, Symptome verschwinden von selbst, der Nutzen
tritt von selbst zutage.” Eleganter
kann man die eigene Überflüssigkeit eigentlich nicht erklären. – Wenn das,
worauf es ankommt, von selbst abläuft, dann müsste es doch genügen, dem Prozess
zu vertrauen und der Praxis des CFD-Practitioners einfach fernzubleiben.
Halt,
werden manche rufen: Wo bleibt die Prozessbegleitung? Es ist doch die
einfühlsame Präsenz des Practitioners, die Wachstum und heilsame Veränderung
überhaupt erst ermöglicht!
Ist
das so? Oder sind wir hier nicht in Wahrheit beim zentralen Profil weiter Teile
der CAM-Branche? Hinter all der pseudowissenschaftlichen Begrifflichkeit, der
Rückbindung an wohlklingend formulierte, irgendwie spirituell daherkommende
Menschen- und Weltbilder, der behaupteten methodischen Sicherheit und dem
angeblichen Wirkungspotenzial wird in Wahrheit das angeboten, was der schon
eingangs zitierte Ökonom Robert Reich als “gekaufte Zuwendung” definiert.
Chronische
Krankheiten, seelische Krisen, selbst simple Befindlichkeitsstörungen vermögen schon
per se, und erst recht in einer von gesunden und leistungsfähigen Körpern
besessenen Gesellschaft, massive Ängste und Ohnmachtsgefühle auszulösen. Hinzu
kommt die brüchiger werdende Tragfähigkeit sozialer Bindungen, auch sie eine
Folge gestiegener Mobilität und veränderter Produktionsweisen. Das liebevolle
Pusten unserer Eltern auf die “Auas” unserer Kindheit ist wahrscheinlich eine
der ursprünglichsten Erfahrungen mit der angstlindernden Eigenschaft von
“Prozessbegleitung”, nämlich schlichter Zuwendung und Empathie. Wer aber pustet
– bildlich gesprochen – den fragmentierten Individuen unserer postindustriellen
Gesellschaft die “Auas” weg? (Korrekterweise dürfte man sie nicht wegpusten,
sondern müsste sie zunächst einmal gründlich wertschätzen!)
Dass
aus ursprünglichen Formen mitmenschlicher Zuwendung eine Dienstleistungsbranche
entstehen konnte, ist freilich kein Zufall. Die Analyse, die der Klagenfurter
Sozialpsychologe Klaus Ottomeyer 1992 zur New-Age-Bewegung formulierte, lässt
sich problemlos auf das weite Feld der Komplementärmedizin übertragen. Zu einer
verstehenden Psychologie, die über die Grenzen individueller Arbeit
hinausreicht, gehört nämlich – so
Ottomeyer – auch eine Kultur- und Gesellschaftstheorie:
Die Lebensäußerungen von Individuen, etwa die
Sinngebilde des New Age, werden missverstanden oder kurzschlüssig
(psychologisierend) verstanden, wenn wir sie nicht gerade auch in ihrer
Einseitigkeit, partiellen Verblendung als Antworten auf die kulturellen und
sozioökonomischen Zustände und Krisenerscheinungen einer bestimmten
Gesellschaft beziehen. So hat der Ganzheitswunsch etwas mit der zunehmenden
Zerrissenheit von moderner Identität zu tun, der Symbiosewunsch etwas mit der
Überindividuation der Warenbesitzer und Karrieremenschen, der
Transformationskult mit der gesellschaftlichen Blockierung von
Zukunftsentwürfen und das seltsame Pathos der Autoren sehr viel mit den
Anpreisungszwängen unter konkurrierenden Marktteilnehmern.[3]
Der
Verdacht drängt sich auf, dass auch das seltsame Pathos der CFD-Theorie mit den
genannten “Anpreisungszwängen unter konkurrierenden Marktteilnehmern” zu tun
hat, denn CFD, so wie am WIFI angeboten, versteht sich als eigenständige
“Schule”, die sich folgerichtig von anderen Strömungen auf dem weiten Feld der
CAM-Verfahren abgrenzt und sich dabei auf die identitätsstiftende methodische
Leistung führender Persönlichkeiten wie Solihin Thom beruft.
Geschichten und ihre Deutung
Fragwürdig
ist auch die behauptete universale Gültigkeit des Modells von Gesundheit und
Krankheit: Körperliche Symptome erzählen angeblich Geschichten, vorzugsweise
dem CFD-Practitioner, der “mit den Händen zuhört”, bis die Geschichte erzählt
ist und der Körper “sein eingefahrenes Muster loslässt”. Wie dürfen wir uns das
vorstellen? Wird sich die in der Info-Broschüre erwähnte Zahnfehlstellung nach
erfolgreicher narrativer Begleitung durch den CFD-Practitioner von selbst korrigieren? Wartet der
Kieferknochen bloß auf die erlösende Sitzung, um endlich Platz zu machen für die
schiefen kleinen Lauser? Was verbirgt sich denn hinter wolkigen Formulierungen
wie dem postulierten “Loslassen eingefahrener Muster”?
Das
Bewusstwerden selbstschädigender Verhaltensmuster? Das wäre gut möglich und
absolut begrüßenswert. Das Lösen von Verspannungen und Fehlhaltungen durch
bewusste Wahrnehmung von Körperempfindungen und Entspannung in einer ruhigen,
kontemplativen Praxis-Atmosphäre? Auch das
erscheint plausibel und sinnvoll. Wie aber sieht es aus mit echten organischen
Leiden? Oder mit aufbrechenden starken Gefühlen beim Klienten? Kein Problem,
erklären die Kurstrainer. Erstens liefere die Ontologische Kinesiologie
als Wegweiser auch Informationen aus dem Unbewussten und zweitens sei die
Überforderung des CFD-Practitioners ausgeschlossen: “Sie als Prozessbegleiter
werden sich nur so weit auf Prozesse einlassen, als Sie auch die Ressourcen
dazu haben.“
Der
Eindruck entsteht, dass sich hier ein selbstbezügliches System unentwegt
zirkulär affirmiert: Prozesse vollziehen sich ohnehin von selbst, der Nutzen
tritt von selbst zutage, gelegentliche “Überprüfungen” durch den
kinesiologischen Muskeltest zeigen den jeweils fälligen nächsten Schritt im
Prozess, der wiederum niemals schief gehen kann, weil er sich – siehe oben –
von selbst vollzieht. Zudem ist der Verzicht auf konkrete Zielsetzungen – auch
dies Teil der CDF-Programmatik – Garant für ein sich selbst fortschreibendes
Verfahren. Wenn Zielerreichung kein Kriterium ist, darf der Prozess samt seiner
Begleitung wohl ziemlich lange dauern..
Problematisch
erscheint mir auch das aus der CAM-Ideologie sattsam bekannte Konzept von
“Krankheit als Sprache”. Kein vernünftiger Mensch wird die körperlichen
Auswirkungen psychischer Dauerstressbelastung leugnen, so wenig wie sich
umgekehrt bestreiten lässt, dass körperliche Einschränkungen infolge einer
Erkrankung massive seelische Auswirkungen haben können.
Die
biographischen Deutungsmuster von Symptomen und Beschwerden mögen darüber
hinaus verführerisch sein, weil sie einen vordergründig plausibel erscheinenden
Sinnzusammenhang für ängstigende Erlebnisse und Erfahrungen mit Krankheit und eingeschränkter
Lebensqualität anbieten. Zugleich bürden sie aber dem Einzelnen eine
Bringschuld für Gesundung auf, die oft schlicht nicht einzulösen ist und
fehlende Erfolge auf Unreife, ungenügende seelische oder “spirituelle”
Entwicklung zurückführt. Eine Deutung, mit der sich das mit Krankheit
verbundene Leid und der schwer zu ertragende Gedanke, Menschen könnten zufällig
Opfer “schlechter” Gene oder sonstiger pathologischer Prozesse im Körper
geworden sein, vortrefflich wegerklären lässt.
Was bleibt als Fazit?
Zunächst,
dass es zu kurz greift, den Wildwuchs an CAM-Methoden einfach mit dem Verweis
auf mangelnde medizinisch-wissenschaftliche Evidenz abzukanzeln. Diese Kritik,
wiewohl in der Sache berechtigt, verkennt die tief sitzenden emotionalen
Bedürfnisse, die die Nachfrage nach solchen Behandlungsmethoden (und den
dazugehörenden “Ausbildungen”) überhaupt erst ermöglichen. Vereinsamung,
Ohnmacht, Sehnsucht nach Betreuung und Angstlinderung, vielleicht auch der
Erlebnishunger saturierter Mittelschichten und die verführerische Aussicht, als
“Heiler/ Energetiker” Bedeutsames für andere Menschen zu leisten – all das
steht an der Wurzel des großen CAM-Booms. Dass das große ganzheitliche
Sinnstiften unter den herrschenden Bedingungen erst recht wieder als clever
vermarktete Ware daherkommt, scheint Anbieter wie Klienten nicht wirklich zu
stören.
Soll
andererseits das Monopol auf die individuelle Deutung von Gesundheit und Krankheit
wirklich kampflos den Vertretern der Komplementärmedizin überlassen werden? Was
wäre zu leisten, um Menschen die nötige Begleitung in krisenhaften Stationen
ihrer (gesundheitlichen) Biographie anzubieten, ohne zugleich fragwürdige
theoretische Konstrukte mitzuverkaufen?
Hilarion
Petzold, Psychotherapeut und Professor für Psychologie, bringt für den großen
Markt der New-Age-Therapien auf den Punkt, was mit geringfügigen Abweichungen
auch für komplementärmedizinische Methoden wie Cranial Fluid Dynamics gelten könnte:
Die New-Age-Bewegung hat durchaus konstruktive
Impulse. Sie ist Ausdruck einer tiefen Verunsicherung von Menschen in unserer
Zeit und einer profunden Sehnsucht nach Orientierung. Umso bedenklicher ist es,
dass durch dubiose Psychotechniken in den Händen von Geschäftemachern mit
Guru-Gehabe diese Bedürfnisse missbraucht werden. Dies nur zu beklagen reicht
nicht aus. Es wird vielmehr wichtig werden, nach Alternativen zu suchen und
sich aktiv darum zu bemühen, zu einer humaneren Welt und einer sinnstiftenden
Kultur beizutragen.[4]
Eine
solche
humane Ethik würde wohl auch eine größere Ehrlichkeit fordern in der
Beschreibung dessen, was von einer Methode geleistet werden kann und
was nicht.
Diese
Ehrlichkeit stünde auch den Cranial Fluid
Dynamics-Anbietern gut zu Gesicht. Zuzugeben, dass hinter ihrem
aufgeblasenen Theoriegebäude letztlich einfache und – wahrscheinlich – wohltuende
Formen der Zuwendung unter Menschen stehen, hätte Größe. Aber es würde wohl
bedeuten, die von Klaus Ottomeyer so treffend diagnostizierten “Anpreisungszwänge unter Marktteilnehmern” zu
ignorieren.
[1] Der Zukunftsforscher Matthias Horx zitiert in
diesem Zusammenhang Ex-US-Arbeitsminister Robert Reich. In: Horx, Matthias: Wie
wir leben werden. Unsere Zukunft beginnt jetzt. Frankfurt/M.: Campus Verlag,
2005, S.127.
[2] Vgl. www.mentos.cc/seminarefuermenschen/
am 27.6.2009
[3] Ottomeyer, Klaus: New Age – verdiente Strafe
für die Sünden der akademischen Psychologie. Verstehende Psychologie als
Alternative. In: Gugenberger, Eduard/ Schweidlenka, Roman (Hg.): Missbrauchte
Sehnsüchte? Esoterische Wege zum Heil. Wien: Verlag f. Gesellschaftskritik,
1992, S.78
[4] Hilarion Petzold im Gespräch mit Holdger
Platta in: Ders.: New-Age-Therapien. Rebirthing, Reinkarnation, Transpersonale
Psychologie: pro und contra. Hamburg: Rowohlt, 1997; S.195
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