Es ist wahrlich keine Sternstunde der Wissenschaftskommunikation, was sich der online-ORF da gerade leistet.
Freilich, die eben in PLoS Biology erschienene Studie über sogenannte Koheränz-Potentiale in Makakengehirnen ist auch für einen interessierten Laien wie mich aufregend und gibt der Hirnforschung vielleicht einen Anstoß in eine neue Richtung: Ab einem gewissen Schwellenwert der Aktivierung einer Neuronengruppen ist diese Aktivität in derselben Amplitude und Frequenz in mehrere Millimeter entfernten Neuronengruppen zu beobachten. Das Aktivitätsmuster wird also quasi von anderen Neuronengruppen gespiegelt, die nicht unmittelbar benachbart sind.
Der/die namenlose Redakteur/in von science.ORF.at verkündet diese Beobachtung nun so:
Damit die Botschaft ankommt und nicht nur als Metapher verstanden wird,
spendiert science.ORF.at auch noch ein kleines Kästchen zum Begriff der
Verschränkung in der Quantenphysik:
Dieses Kästchen macht zwar niemanden schlauer, der nicht vorher schon
wusste, was Verschränkung in etwa ist (was in der Kürze auch gar nicht
möglich ist), bietet aber immerhin einen link zu Wikipedia. Vor allem
aber unterstreicht es die Botschaft des online-Artikels.
Gehirnzellen, so die Botschaft, sind miteinander verschränkt und
verhalten sich wie die Teilchen in der Quantenphysik, mit denen Prof.
Zeilinger experimentiert.
Das ist natürlich Unsinn. Keine der untersuchten Neuronengruppen weist jene bizarren Eigenschaften von verschränkten Teilchen
auf, von denen die Quantenphysik zu berichten weiß. In der PLoS-Studie
ist davon überhaupt keine Rede. Die Begriffe “quantum” und “entangled”
kommen schlicht nicht vor. Offenbar wurde die Assoziation zur
Quantenphysik und zur Verschränkung vom ORF-Redakteur nicht nur
übertrieben, sondern frei erfunden.
Gewiss, es ist kein großes Drama. Aber wir wissen natürlich, was
passieren wird. Jene New-Age-Freunde, die immer schon wussten, dass
“die Quantenphysik beweist, dass es ein kosmisches Bewusstsein gibt”,
werden sagen, die Wissenschaft habe dies jetzt endlich auch bestätigt.
Jene, die die Penrose-Hameroff Spekulationen für gesichertes Wissen halten, weil sie durch pseudowissenschaftliche Schundliteratur verbildet sind, werden die frohe Kunde durch die Internetforen verbreiten.
Und Rolf Froböse, der all dies aus vermutlich rein kommerziellem Interesse propagiert, wird im schlimmsten Fall sogar ein neues Buch schreiben.
Dabei handelt es sich bei dem Versuch, die Quantenphysik ins Gehirn zu bringen, wie Lars Fischer schon seinerzeit wusste, nur um das Froböse-Syndrom, also ein Fallbeispiel für den Deppensyllogismus: “Quantenphysik versteh’ ich nicht, Gehirnvorgänge versteh’ ich auch nicht; also müssen die beiden was miteinander zu tun haben.”
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