Manchmal wird es aber zum Problem. Zum Beispiel im Fachbereich der
sogenannten Komplementär- und Alternativmedizin (CAM). Da CAM sich von
echter Medizin dadurch abgrenzt, dass es aus Verfahren besteht, deren
Wirksamkeit entweder nicht nachgewiesen oder aber bereits hinreichend
widerlegt ist, ergibt sich ein Dilemma: Was soll einen “Experten” auf
diesem Gebiet eigentlich auszeichnen?
Oft werden im CAM-Bereich “Praktiker” zu Experten. Sie
schreiben z.B. einen Fallbericht oder machen eine Meinungsumfrage über ein Voodoo-Verfahren, das sie seit
Jahren “erfolgreich” in ihrer Praxis einsetzen, und garnieren dies eventuell mit
theoretischen Spekulationen. Ein solcher Bericht wird von unkritischen
CAM-peers abgenickt und erscheint in einer CAM-Zeitschrift. Nach einiger
Zeit wird der Praktiker dadurch zum “Experten” für das Voodoo-Verfahren
– er hat ja schließlich auf diesem Gebiet publiziert. Jetzt darf er als
referee fungieren und wird mangels echter wissenschaftlicher
Kritikfähigkeit viele hingestümperte Texte seiner Kollegen wohlwollend abnicken – die
daraufhin selbst zu “Experten” mutieren, undsoweiter undsofort.
Was man hier findet, ist das bekannte Phänomen, dass ein und dasselbe Verfahren ein
dynamisches System je nach Anfangsbedingungen in eines von zwei völlig
unterschiedlichen Gleichgewichten führen kann: Eines, in welchem i.a. vernünftige wissenschaftliche Literatur entsteht, und eines, in dem
neben dem einen oder anderen wertvollen Artikel auch kompletter
Schwachsinn munter blüht und gedeiht.
CAM-Journale sind typischerweise in letzterem Zustand gefangen, in einem
“Gleichgewicht des Schreckens”. Als Illustration möge man sich
überlegen, ob eine Grafik wie etwa jene nebenstehende des ehemaligen
Stanford-Professors und jetzigen cranks William
A. Tiller Chance auf
Einzug in ein wissen-schaftliches Fachjournal hätte?
Wer trotz dieses An- und Ausblicks noch Lust verspürt, sich näher über Tillers “Fachartikel” über die very different science premises meaningful to CAM versus orthodox medicine zu
informieren, der kürzlich in einem Publikationsorgan namens Journal
of Alternative and Complementary Medicine erschienen ist,
der tut das am besten bei
Orac. Darüber auch noch zu schreiben würde mich nämlich zu sehr deprimieren.
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