Letzte Woche haben wir an dieser Stelle danach gefragt, warum das angebliche perpetuum mobile von Herrn Weidenbusch nicht funktionieren kann. Hier kommt nun die Auflösung.
Zu allererst: Ich freue mich, dass in den Kommentaren nach diversen Irrwegen betreffend Reibung, Impulserhaltung und andere Nebensächlichkeiten die richtige Lösung stückweise aber schließlich vollständig gefunden wurde. Zum Gewinner erkläre ich hiermit Kommentator YouMan!
Für alle, die YouMans dutzende Kommentare nicht im Detail mitverfolgt haben, hier zusammenfassend die versprochene Auflösung des Sommerrätsels:
Wir haben es also (siehe Skizze im Sommerrätsel) mit zwei Schwimmern zu tun, wovon der linke in einem Kapillarröhrchen schwimmt, der rechte dagegen im offenen Wasser. Um konkret zu bleiben, sagen wir für unser Beispiel, jeder Schwimmer sei 40 cm lang und habe die Hälfte der Dichte von Wasser. Um zu erklären, warum der Schwimmer überhaupt schwimmt und wie tief er dabei eintaucht, wird meist auf das Phänomen des Auftriebs verwiesen.
Auftrieb
Es ist wichtig zu verstehen, wodurch der Auftrieb zustande kommt. Es handelt sich dabei nicht um irgendein mysteriöses oder kompliziertes Phänomen, sondern schlicht und einfach um eine Folge der unterschiedlichen Druckverhältnisse an verschiedenen Punkten der Oberfläche des Schwimmers. Besonders einfach ist der Fall eines zylindrischen Schwimmers wie in unserer Skizze. Da die horizontal auf den Schwimmer einwirkenden Kräfte sich gegenseitig ausgleichen, resultiert der gesamte Auftrieb aus der Druckdifferenz, die zwischen Ober- und Unterseite des Schwimmers herrscht.
Betrachten wir zunächst den Schwimmer, der im offenen Wasser steht und dabei zur Hälfte, also 20 cm, herausragt. Auf seine Oberseite wirkt der Luftdruck von etwa 100.000 Pa, auch bekannt als 1 bar. Wegen der schöneren Zahlen verwende ich hier aber als Einheit einfach Kilopascal (kPa), dann beträgt der Druck auf der Oberseite des Schwimmers also 100 kPa. Auf seine Unterseite wirkt der Wasserdruck. Bekanntlich entspricht der Wasserdruck direkt unter der Wasseroberfläche dem Luftdruck, also 100 kPa, und nimmt aufgrund der Gewichtskraft des Wassers mit zunehmender Wassertiefe linear zu, und zwar um 1 kPa pro 10 cm Tiefe. Der Druck an der Unterseite des Schwimmers, in 20 cm Tiefe, beträgt 102 kPa, ist also größer als der Druck auf der Oberseite – der Schwimmer erfährt “netto” einen Auftrieb. Im Gleichgewicht müssen sich die vertikalen Kräfte Gewicht und Auftrieb zu null addieren, also ist der Auftrieb gleich dem Gewicht des Schwimmers. Ebenso folgt daraus, dass der Auftrieb gleich der Gewichtskraft des verdrängten Wassers sein muss, eine Schlussfolgerung, die als Archimedisches Prinzip bekannt ist.
Kapillareffekt
Wenden wir uns jetzt dem in der Kapillare schwimmenden Schwimmer zu. Das Wasser steht in der Kapillare höher als die Wasseroberfläche im offenen Wasser. Warum? Weil zwischen den Wassermolekülen und den Glasmolekülen die sogenannte Adhäsionskraft wirkt. Diese ist größer als die Kohäsionskraft zwischen den benachbarten Wassermolekülen. Dadurch ergibt sich eine resultierende Kraft, die die Wasseroberfläche in der Kapillare nach oben zieht, und zwar so lange, bis die Kapillarkraft durch das Gewicht der Wassersäule in der Kapillare ausgeglichen ist. Die Steighöhe des Wassers ist dabei proportional zum Kehrwert des Durchmessers der Kapillare.
Kapillarschwimmer
Wie verhält sich nun ein Schwimmer in der Kapillare? Auf diese Frage haben sich in unseren Kommentaren einige Kontroversen fokussiert. Die “naive” und schnelle Antwort ist die, dass der Schwimmer sich genauso verhält, wie im offenen Wasser, sich also zur Hälfte unter und zur Hälfte über dem Wasserspiegel in der Kapillare befindet. Die Begründung scheint einleuchtend: Das Archimedische Prinzip besagt ja, dass der Schwimmer so weit eintaucht, bis das Gewicht des verdrängten Wassers gleich seinem eigenen Gewicht ist. Per Annahme hat unser Schwimmer die halbe Dichte von Wasser, also muss er bis zur Hälfte einsinken, richtig?
Falsch!
Wir erinnern uns: Das Archimedische Prinzip folgt aus den Betrachtungen der Druckdifferenzen über und unter einem schwimmenden Körper. Aber diese lehrbuchmäßigen Betrachtungen erfolgen praktisch immer unter “Normalbedingungen”, also im offenen Wasser. Sie gelten nicht in der Kapillare!
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