Hundertfach überschwemmte die unglaubliche Nachricht vergangenes Wochenende das Internet:
Ob man es nun ein “Statistikwunder” nennt oder ein “Lottowunder” – ungewöhnlich erscheint es allemal, wenn, wie soeben im israelischen Lotto geschehen, innerhalb eines Monats zweimal genau dieselben sechs Zahlen gezogen werden.
Der israelische Statistikprofessor Zvi Galula sagte der Nachrichtenseite
“ynet”, die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ergebnisses binnen weniger
Wochen betrage 1 zu 4 Billionen.
Klingt beeindruckend. Ist aber trotzdem falsch.
Erstens einmal gibt es keinen Zvi Galula – der von ynet befragte Statistiker heißt mit Nachnamen Gilula. Doch wir wollen nicht kleinlich sein. Falsche Namen in den Medien, das passiert halt.
Doch wie kommt Gilula auf die Zahl 1 zu 4 Billionen? Etwa der altbekannte Übersetzungsfehler, wo aus dem englischen billion (Milliarde) eine deutsche Billion wird? Nein, die englische Originalquelle spricht tatsächlich von “4 trillion”:
Gilula, an expert on gambling, estimated the
probability of the same set of numbers being randomly picked twice a few
weeks apart is no higher than one in 4 trillion, or 0.00000000000025.
Tatsächlich ist das Zustandekommen dieser Zahl nur auf eine Weise zu erklären: Ein Journalist ruft Gilula an und fragt ihn, wie groß denn die Wahrscheinlichkeit sei, dass eine bestimmte Zahlenkombination kurz hintereinander zweimal gezogen wird. Beim israelischen Lotto werden 6 Zahlen aus 37 gezogen, es gibt also “37 über 6” oder 37!/(31!6!) oder 2.324.784 mögliche Kombinationen. Gilula rundet das grob auf 2 Millionen und quadrierte es zu 4 Billionen. Dass es sich tatsächlich so zugetragen hat, hat Gilula mir auf Nachfrage bestätigt.
Das Problem dabei ist natürlich, dass dies die falsche Frage war. Was der Journalist eigentlich fragen wollte, so vermute ich, ist:
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine einmal gezogene Kombination innerhalb eines Monats wiederholt?
Um diese Frage zu beantworten, muss man wissen, dass im israelischen Lotto zwei Ziehungen pro Woche stattfinden, jeden Dienstag und Samstag. Außerdem muss man klarstellen, welchen Zeitraum man eigentlich betrachten will. Formulieren wir also noch präziser (und ignorieren dabei die Zusatzzahl):
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die 6er-Kombination, die am kommenden Samstag im israelischen Lotto gezogen wird, innerhalb der nächsten 8 Ziehungen mindestens einmal wiederholt?
Jetzt können wir unsere Wahrscheinlichkeitstheoriekenntnisse ausgraben und zu rechnen beginnen. Bezeichnen wir die Kombination, die am kommenden Samstag gezogen wird, als K und die Ergebnisse der nächsten 8 Ziehungen mit Z1, …, Z8. Gesucht ist p = W(Z1=K oder Z2=K oder … oder Z8=K), wobei das “oder” ein inklusives ist.
Die Ereignisse Zi=K für i = 1, …, 8 sind voneinander unabhängig(*) und haben alle dieselbe Wahrscheinlichkeit, die wir mit q bezeichnen, nämlich q = 1/(“37 über 6”) = 31!6!/37! = 0,00000043… .
Jetzt bedenken wir, dass das Gegenereignis von (Z1=K oder Z2=K oder … oder Z8=K) nichts anderes ist als das Ereignis (Z1≠K und Z2≠K und … und Z8≠K), welches die Wahrscheinlichkeit 1-p = (1-q)^8 hat. Daraus folgt p = 1-(1-q)^8, also
p = 1-(1-31!6!/37!)^8 = 0,0000034… = ca. 1 zu 291.000
Auch nicht sehr viel, aber immerhin etwa um den Faktor 14 Millionen größer als die in sämtlichen Nachrichten kolportierte Zahl!
Was sagt uns diese korrigierte Zahl jetzt? Eigentlich leider auch fast gar nichts, denn die Frage, die man eigentlich stellen müsste, ist wieder eine ganz andere, nämlich etwa:
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich innerhalb von – sagen wir – 50 Jahren eine irgendwo auf der Welt gezogene Zahlenkombination in irgendeinem Lotto innerhalb eines “ungewöhnlich kurzen” Zeitraums von – sagen wir – 3 Monaten – wiederholt?
Die Mühe, das abzuschätzen, mache ich mir jetzt nicht. Aber die Antwort dürfte ziemlich nahe bei 1 liegen… Mehr zur Thematik gibt’s hier. Wer trotzdem gerne an “Lottowunder” glauben will, dem gefällt sicher das hier 😉
(*) Nicht wirklich, denn wenn z.B. dreimal hintereinander dieselben Zahlen gezogen werden sollten, dann würde die israelische Lotterie vermutlich aufgelöst…
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