Unsere von der Arbeiterkammer Wien publizierte Broschüre mit dem Titel Anmerkungen zur Esoterik ist bei Vertretern der Homöopathie auf wenig Gegenliebe gestoßen. Vor ein paar Wochen bereits habe ich hier auf eine Reaktion der ÖGHM repliziert; nun meldete sich auch Prof. Michael Frass von der Ärztegesellschaft für Klassische Homöopathie (ÄKH) mit einer offenbar im Zustand heftiger Erregung getippten Aussendung, zu der ich ein paar Anmerkungen habe.
1. Herr Frass meint zuerst, ich hätte “weder die Kompetenz noch das
Basiswissen zu einer Beurteilung der Homöopathie“. Ein beliebtes
diskursives Ausweichmanöver von argumentativ in die Enge getriebenen
Homöopathen ist bekanntlich, dem Kritiker die Kompetenz zur
Kritik abzusprechen, um nicht inhaltlich auf diese eingehen zu müssen. Das Motto der Homöopathen scheint dabei zu sein, dass nur ein ausgebildeter Homöopath die
Homöopathie kritisieren dürfe. Ein analoges Scheinargument hört man oft von Astrologen.
Dass meine Homöopathiekritik in einer Broschüre erschienen ist, die das
Wort Esoterik im Titel trägt, wurmt Herrn Frass ganz besonders. Damit,
so meint er sarkastisch, hätte ich mich “selber übertroffen“. Offenbar
glaubt Herr Frass, dass ich selbst den Titel Anmerkungen zur Esoterik
ausgewählt hätte. Zwar ist das ein Irrtum, womit dieses Argument
eigentlich bereits erledigt wäre, doch es sei mir auch hier eine
Anmerkung erlaubt:
Mittels der Definition von Esoterik aus der Wikipedia will Herr Frass
nachweisen, dass Homöopathie nichts mit dieser zu tun habe. Das Zitat
beinhaltet folgende Erklärung:
Daneben wird der Begriff in freier Weise für ein breites Spektrum verschiedenartiger spiritueller und okkulter Lehren und Praktiken gebraucht.
Der link verweist auf die Wikipedia-Seite zum Okkultismus. Dort findet sich folgende Passage:
Das Adjektiv „okkult” wurde schon im Mittelalter gebraucht. Im Rahmen
der aristotelistischen Naturphilosophie unterschied man damals
wahrnehmbare Qualitäten der Dinge wie Farbe oder Geschmack von nicht
wahrnehmbaren okkulten Qualitäten wie [u.a.] den Heilkräften
verschiedener Substanzen, die nur indirekt über ihre Effekte erfahrbar
sind.
Nun wird die Wirkung der wirkstofflosen Globuli bekanntlich der von
Hahnemann postulierten “geistartigen Kraft” zugeschrieben, die der
Urtinktur innewohne, und die heute als “feinstofflich” oder
“energetisch” bezeichnet wird. Selbstverständlich handelt es sich dabei
also genau um eine solche okkulte Qualität, wie im Wikipedia-Artikel beschrieben, die
durch das Ritual der Verschüttelung intensiviert werden soll. Die
Homöopathie ist demnach ein Therapiesystem, das zu einem nicht
unwesentlichen Teil auf okkulten Lehren (“geistartige Kraft”) und
Praktiken (“Potenzierung” durch Verdünnung und Verschüttelung) beruht
und damit durchaus dem Gebiet der Esoterik im weiteren Sinne zugerechnet
werden kann.
Im Gegensatz zu Herrn Frass Feststellung, mit der Wikipedia-Definition
zur Esoterik sei belegt, dass Homöopathie nichts mit Esoterik zu tun
habe, trifft also, wie sich bei genauerem Studium dieses Zitats zeigt,
das Gegenteil zu. Soviel zur von Herrn Frass angemahnten Klärung von Basisbegriffen der deutschen Sprache.
(Übrigens halte ich die Larmoyanz angesichts des Begriffs Esoterik generell für unangebracht – wie die British Medical Association beweist, gibt es für die Homöopathie nämlich noch viel deutlichere Worte.)
2. In seinem zweiten Punkt meint Herr Frass:
In dem “Working paper” sind jede Menge Fehler und Vorurteile, die von
der GWUP trotz besseren Wissens seit Jahren ständig wiederholt werden.
Auf die angeblichen “Fehler” und “Vorurteile” in meinem Artikel wäre ich
ungemein neugierig. Leider nennt Herr Frass kein einziges Beispiel – vermutlich hat er keines gefunden…
Stattdessen entblödet er sich nicht,
eine Google-Suche im Blog eines anonymen Hasspredigers zu empfehlen, der
mich im Internet stalkt. Fürwahr, eine überaus akademische Aufforderung, Herr Kollege!
3. “Nur Fachkundige” – und damit meint er natürlich sich selbst – könnten “zum Thema Homöopathie eine fundierte Aussage machen“, belehrt uns dann Herr Frass, und er sei “gerne bereit, zur Wissenschaftlichkeit der Homöopathie Stellung zu nehmen und diese zu erklären”. Jetzt wäre es sicher spannend zu erfahren, wie es z.B. um die Wissenschaftlichkeit der homöopathischen Erkenntnis steht, dass “potenzierter Marmor (C30) bei Gesunden Träume von Feen hervorruft“, wie Frass’ Kollegin Dr. Ulrike Keim herausgefunden haben will.
Meiner Ansicht nach hat Herr Frass seine Glaubwürdigkeit in Hinblick
auf Erklärungen der Wissenschaftlichkeit aber schon vor langer Zeit verspielt:
4. Abschließend verspricht Herr Frass, “Berger und seiner Truppe” ein
Buch über Homöopathie zu übersenden. Bisher ist noch keines bei mir
eingetroffen. Ich verspreche aber, im Gegenzug Frass und seiner Truppe
ein Buch über Homöopathie und andere fragwürdige Heilverfahren zu schicken, das von einer anerkannten Autorität verfasst wurde und das laut New England Journal of Medicine alle Ärzte an ihre Patienten weiterempfehlen sollten. Er möge sich an diesen Ratschlag halten!
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