An der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder hat sich die
Esoterik eingenistet. Wie konnte das passieren? Wie steht die
Öffentlichkeit dazu? Was sagen die Verantwortlichen? Ein Rückblick in
drei Teilen zum Jahresausklang.
Teil 3: Die Reaktion der Verantwortlichen
(Teil 1 verpasst? Hier ist er!)
(Teil 2 verpasst? Hier ist er!)
Es gab bisher drei öffentliche Reaktionen der Verantwortlichen auf die Aufdeckung der Zustände an der Viadrina:
1. Reaktion: Die erste Reaktion bestand in einem Leserbrief von IntraG- und Lehrgangsleiter Harald Walach an die Süddeutsche Zeitung. Dieser Leserbrief wurde zwar meines Wissens nie in der SZ veröffentlicht, jedoch beim IntraG neben anderen Leserbriefen auf eine Webseite gestellt.
Walachs Erwiderung auf den SZ-Artikel
von Sebastian Herrmann beklagt die angebliche “Hexenjagd”, der unter
Zuhilfenahme von “Unwahrheiten” im SZ-Artikel der “Boden bereitet”
würde. Dass die “Falschinformationen” aus zwei Fehlern resultierten, die
je zur Hälfte das IntraG und die DGEIM zu verantworten hatten,
verschweigt Walach. Ebenso, dass die tatsächlichen Inhalte des
Energy-Medicine-Moduls um nichts weniger esoterisch sind als die in der
SZ inkriminierten.
Sodann schwingt sich Walach zu einer kühnen
und polemischen Spekulation auf und mutmaßt, woher der SZ-Journalist
seine Informationen wohl her haben könnte:
Denn
einige Tage vorher verschickte die postmoderne Nachfolgeinstitution der
römischen Inquisition, die “Gesellschaft zur wissenschaftlichen
Untersuchung der Parawissenschaft – GwUP”, Internetmobbingpost an
unseren Präsidenten und vermutlich auch noch andere Institutionen (die SZ?), in dem genau die genannten Inhalte als “esoterisch” und “unwissenschaftlich” angemahnt werden.
Das
erinnert uns an eine alte skeptische Mahnung: Man sollte nie von einer
Korrelation zwischen A und B auf eine kausale Wirkung zwischen A und B
schließen – es könnte nämlich sein, dass sowohl A als auch B eine
gemeinsame Ursache C haben. In diesem Fall hatte ich Herrn Walach
tatsächlich in meiner e-mail bereits darauf hingewiesen, dass soeben auf
dem meistgelesenen deutschen Wissenschaftsblog die Viadrina-Esoterik
ausgebreitet worden war. Trotzdem mutmaßt Walach hier, dass “die GWUP” (gemeint bin damit wohl ich) die SZ informiert hätte – was übrigens unwahr ist. Nun gut, sei’s drum.
Als nächstes folgt ein Hauch einer Big-Pharma Verschwörungstheorie. In mehreren rhetorischen Fragen suggeriert Walach, dass die aktuelle Kritik an der Viadrina irgendwie mit den jüngsten Krisen der Pharmabranche zusammenhängen müsste. Also im Klartext: Weil Big-Pharma gerade arg kritisiert wird, setzen sich Florian Freistetter, Ulrich Berger und Sebastian Herrmann konspirativ zusammen und hecken einen Gegenschlag aus – vermutlich weil sie von Big-Pharma bezahlt werden. Diese hübsche kleine Verschwörungstheorie von Herrn Walach ist allerding nicht ganz neu. Schon in seinem Editorial “Gegen den Wind segeln” aus dem Jahr 2008 raunte er:
Ich finde es interessant, dass die Kampagne gegen die
Komplementärmedizin zur gleichen Zeit beginnt, zu der sich zeigt, dass
Flaggschiffmedikationen der konventionellen Pharmabranche in ihrer
Glaubwürdigkeit bröckeln. […] Ist es möglich, fragt sich der neugierige, offene, und vielleicht etwas phantasiebegabte Zeitgenosse, dass da eine ganze Industriesparte unter Druck gerät, langfristig ihre Felle davonschwimmen sieht und beschließt, ein bisschen die Theaterwindmaschine anzuwerfen? Das dürfte nicht schwer sein. Ein paar emeritierte Pharmakologen zum Essen einladen vielleicht? Ein paar dümpelnde Arbeitsgruppen mit einem Forschungsauftrag bedienen? Jedenfalls Gegenwind erzeugen, wie auch immer. Ich würde mich nicht wundern. Die Koinzidenz ist bemerkenswert.
Damals war es allerdings noch nicht die GWUP, die von Big-Pharma zum Essen eingeladen worden sein soll. Die “emeritierten Pharmakologen” sind wohl eine gleichermaßen unverblümte wie unverschämte Anspielung auf den wortgewaltigen Homöopathiekritiker David Colquhoun vom Londoner UCL, der schon mehrfach öffentlich klargestellt hat, dass er nie Gelder der Pharmabranche angenommen hat.
2. Reaktion: Die zweite Reaktion von Harald Walach war notwendig geworden, nachdem auch die ZEIT kein gutes Haar am Trend zur Esomedizin gelassen hatte (siehe Teil 2). In einem ebenfalls nicht abgedruckten Leserbrief an ZEIT-Autor Harro Albrecht stellt Walach die These auf, die Medizin habe schon lange “den Verstand verloren”. Denn, so Walach, die moderne Medizin versage bei vielen chronischen Krankheiten, und…
genau weil das so ist, weil die moderne Medizin eben viel weniger an wirklich effektiven Therapiemöglichkeiten für chronisch kranke Patienten anzubieten hat, genau deswegen suchen sich diese Patienten Alternativen.
Es folgt eine Mahnung, man dürfe die Erforschung der Komplementärmedizin nicht behindern, denn diese sei allgegenwärtig geworden und daher auch erforschenswert.
Daran ist nichts wirklich falsch, doch Walachs Replik geht trotzdem völlig am Kern der Sache vorbei. An der Viadrina sollte die Esomedizin nämlich nicht nur erforscht, sondern gleich auch gelehrt werden, und zwar mit dem Ziel der Anwendung am Patienten, und zwar auch jene Methoden, die nicht nur zweifelhaft, sondern bereits hinreichend widerlegt sind! In den Worten von Marco Bischof, wie er in der SZ zitiert wird:
Ziel sei es, so Bischof, den Studenten die alternativen Heilmethoden und
Therapien so zu vermitteln, dass diese von ihnen selbst angewandt
werden können.
Dabei ist es doch ganz einfach. Um eine zarte Analogie zu bemühen: Man sollte an kulturwissenschaftlichen Fakultäten z.B. die Entwicklung und Geschichte der Astrologie erforschen und auch lehren. Man sollte aber an einer Universität nicht Astrologie selbst lehren. Dieser Unterschied ist offenbar noch nicht bei jedermann angekommen.
Zum dritten großen “Angriff” auf die Viadrina, der jüngst im Spiegel stattfand, gibt es bisher noch keine veröffentlichte Reaktion von Herrn Walach.
3. Reaktion: Eine Reaktion der sonderbaren Art gab es von Hartmut Schröder, Sprachwissenschaftler an der Viadrina und ebenfalls im Vorstand des IntraG tätig. Mitte September 2010 benutzte er sein Grußwort für ein Augenheilkunde-Symposium für eine Klage über die angebliche “Hexenjagd auf Komplementärmediziner” in den Medien und für eine Abrechnung mit den IntraG-Kritikern in der SZ und der ZEIT. Der SZ-Medizinjournalist Werner Bartens hatte kurz zuvor ein Interview gegeben, in dem er den Hokuspokus an der Viadrina kritisiert hatte. Schröder lässt sich in seinem Grußwort nun auf eine wahrlich abenteuerliche Argumentation kontra Bartens ein.
Er wisse nämlich sehr wohl, so Schröder, “dass so manche Erfolge komplementärer Medizin mit dem Placeboeffekt erklärt werden können“. Aber, so Schröder sinngemäß, damit der Placeboeffekt auch seine ganze Macht entfalte, brauche es das Vertrauen des Patienten in den Arzt und dessen therapeutisches Handeln. Und das zerstöre Werner Bartens mit seinen kritischen Worten:
Werner Bartens – der das als gelernter Arzt eigentlich wissen sollte – unterminiert de facto mit seinem Beitrag das Vertrauen der Patienten zu ihren Ärzten. Er […] schadet objektiv all den Patienten, die von Komplementärmedizinern behandelt werden.
Eine bemerkenswerte Leistung für einen Sprachwissenschaftler: Weil Bartens den Hokuspokus der Komplementärmedizin kritisiert und Patienten deshalb die Lügen der Esomediziner anzweifeln könnten, verlieren diese die Segnungen des Placeboeffekts und tragen so einen Schaden davon. Welch’ Frevel von Herrn Bartens, die Wahrheit zu sagen, wenn doch die Lüge so tröstlich war!
Nach diesem Blick in die Abgründe seiner Komplementär-Ethik begleiten wir Herrn Schröder bei einem Verbalangriff auf – Überraschung – die GWUP (also auf mich…), der sich ganz wie bei Herrn Walach liest:
Bevor sich überhaupt die Medien mit der Thematik beschäftigten hat die “Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften” (GWUP), die sich anschickt die moderne Inquisition zu werden, mit gezielten Verleumdungskampagnen das Feld bereitet.
Hier muss man anmerken, dass Herr Schröder nicht nur die unfundierten Vorwürfe von Herrn Walach nachplappert, sondern sie auch aufbauscht (meine angebliche Verleumdungskampagne hat hier schon die Mehrzahl erreicht) und dass er dies 9 Tage nach meiner zweiten e-mail an Walach tut, in der ich deutlich klarstellte, dass ich niemals Kontakt zur SZ hatte. Fürwahr, ein gewaltiges sprachliches Fettnäpfchen, in das der Herr Sprachwissenschaftler da in seinem Eifer getreten ist!
Schröder fährt dann fort mit der plumpen und ebenso falschen Behauptung
Dafür dass diese Gesellschaft und ihre Zeitschrift Der Skeptiker es nicht so genau mit der Wahrheit halten sowie mit gezielten Rufmordversuchen in Verbindung gebracht werden finden sich erdrückend viele Hinweise.
Wiederum eine im Prinzip klagbare Verleumdung, die offenbar der traurigen Tatsache geschuldet ist, dass Herr Schröder seine Nase zu tief in die Schmuddeltexte meines anonymen Cyber-Stalkers gesteckt hat. Ja, Herr Schröder: Wer in der Jauche watet, dem haftet dann oft ein eigenartiger Geruch an. Aber keine Sorge, auch der verfliegt wieder!
Vielleicht sollten Sie sich einfach Ihre eigenen Worte zu Herzen nehmen:
Wer aber den rationalen, herrschaftsfreien Diskurs und die Überzeugungskraft der besseren Argumente nicht scheut, der hat solche Verleumdungen nicht nötig.
Es folgen von Herrn Schröder dann noch 6 Seiten “Grußworte”, die sich um die bekannte “Pluralismus”-Forderung drehen und ebenfalls in keinster Weise auf den Unterschied zwischen Forschung über Humbug und Lehre von Humbug eingehen.
Im Lichte der hier zusammengefassten öffentlichen Reaktionen auf die Aufdeckung des akademischen Eso-Skandals an der Viadrina stelle ich fest:
Manche Verantwortlichen haben in ihrer Panik offenbar zeitweise die Nerven verloren und sich zu eher peinlichen Äußerungen hinreißen lassen. Wie man es rechtfertigt, dass an einer Uni ein Astrologe einen Lehrauftrag bekommen soll um Ärzte in “Radionik” auszubilden, ist mir immer noch nicht überzeugend dargelegt worden.
Wird es wohl auch nicht mehr. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt…
Allen meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich Frohe Weihnachten!
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