Ein Gastbeitrag von Christoph Baumgarten*
Homöopathen drängen an die Öffentlichkeit – und
auf Unis. Längst sind sie zum Teil des Medizingeschäfts geworden. Die
Pharmaindustrie hat homöopathische Präparate als Nischenprodukt entdeckt. Und
viele Menschen halten es für schick, sich nicht nach den Methoden der
diffamierten „Schulmedizin” behandeln zu lassen, sondern „alternativ”. Ohne zu
wissen, wie homöopathische Behandlung funktionieren soll.
Franz und ich
reden in unserem Stammcafe über, wie man sagt, Gott und die Welt. Über Gott weniger,
wir sind beide Atheisten. Und irgendwie kommen wir auf die Esoterik zu
sprechen. Von der hält er so wenig wie ich. „Wie hältst du’s denn mit der
Homöopathie”, frag ich ihn. Irgendwie dämmert mir schon die Antwort. „Die ist
gut, weil das ist zielgerichtete Medizin”, sagt er mir. „Wieso glaubst du das
denn?” „Naja, Magnesiumtabletten zum Beispiel. Eine Freundin von mir hatte
Magnesiummangel und die Ärztin hat ihr die Tabletten verschrieben. Das war eine
Homöopathin. Das ist keine Chemie und so.” Möglicherweise, denke ich mir, hat
die homöopathisch angehauchte Ärztin mal einen wachen Moment gehabt und als
Schulmedizinerin fungiert. Ich erkläre Franz, dass Magnesiumtabletten keine
homöopathische Medizin sind, sondern klassische: „Wenn sie homöopathisches
Magnesium bekommen hätte, dann nicht weil sie einen Magnesiummangel gehabt hat.
Und außerdem wär das Magnesium so stark verdünnt gewesen, dass es nicht gegen
den Magnesiummangel geholfen hätte.” „Ach so, echt? Das glaub ich aber nicht”.
Es geht eine gute Stunde hin und her. Franz schaut immer ungläubiger, als ich
ihm schildere, wie Homöopathie angeblich funktioniert: Ein Kranker bekommt die
Substanz (stark verdünnt), die tatsächlich oder angeblich die Symptome
hervorruft, die ein gesunder Mensch bekommt, wenn er die Substanz einnimmt.
Vielleicht hab ich’s auch anders formuliert. „Und ich hab immer geglaubt, da
kriegt man genau, was einem fehlt.” Und dass Homöopathie nicht zwangsläufig
bedeutet, dass keine Chemie drin ist, überrascht ihn genauso. Am Ende schüttelt
er nur mehr den Kopf. „So ein Blödsinn das Ganze. Das hab ich gar nicht
gewusst”. Da hatte ich ihm die Sache mit den Studien, die die Wirksamkeit
dieses Wirksystems nicht belegen, noch gar nicht erzählt.
Mir ging’s als
Jugendlichem ähnlich. Meine Mutter war der festen Überzeugung, Homöopathie sei
Medizin auf pflanzlicher Basis und verträglicher als konventionelle
Medikamente. (Was sie nicht daran hinderte, bei akuten Erkrankungen dann doch
eher dem Antiobiotikum zu vertrauen) Und natürlich war die Krankenkasse böse,
die diese Mittel nicht bezahlte. Ich erinnere mich, dass ich einmal
Zuckerkügelchen gegen Schlaflosigkeit bekommen habe. Der angegebene Wirkstoff –
Koffein. Wie hoch die Potenzierung war, weiß ich nicht mehr. Vielleicht war das
Koffein in einer nachweisbaren Konzentration vorhanden, vielleicht nahm ich
reinen Zucker zu mir. Nach einigen Monaten waren die Schlafstörungen
verschwunden. Hurrah – die Homöopathie hat geholfen. Meinte der Arzt. Das muss
man eben länger nehmen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er meiner Mutter
jemals erklärt hätte, was die Wirkprinzipien der Homöopathie sind. Vermutlich
glaubt sie bis heute, dass das Pflanzenheilkunde ist. Mit Esoterik hat sie’s ja
sonst auch nicht.
Zwei anekdotische
Passagen. Ja. Nur, wenn man bedenkt, dass das zwei durchschnittlich gebildete
Menschen sind, die beide keine Ahnung von einem Prinzip haben, das sie für sehr
begrüßenswert halten, lässt sich erahnen, was die Durchschnittsbevölkerung über
Homöopathie weiß. Umfragen decken das im Allgemeinen. Denen zufolge wissen selbst
bei freundlicher Interpretation kaum mehr als 15 oder 16 Prozent der
Bevölkerung, wie Homöopathie funktionieren soll. Umfragen über eine angeblich
hohe Zufriedenheit der Patienten widerlegen das nicht. Sie belegen nur: Die
Leute wissen nicht, was sie einnehmen, halten es aber für wirksam. Nachgefragt
wird offenbar nicht. Bei der so genannten Schulmedizin ist das anders. Dort
fühlen sich Ärzte meist verpflichtet, Patienten zu erklären, wie neue
Medikamente funktionieren sollen. Vielleicht nicht immer bis ins letzte Detail
und sicher nicht bei Standardmedikamenten, mit denen die Betroffenen schon
Erfahrung gemacht haben. Aber immerhin.
Natürlich sollte
man auch die Umfragen mit Vorsicht genießen. Sie werden im Regelfall von homöopathischen
Verbänden in Auftrag gegeben. Und sie unterscheiden sich erheblich im
Prozentsatz der Bevölkerung, der schon einmal homöopathisch behandelt worden
sein will. Zwischen 45 und knapp 70 Prozent ist da alles drin. Nur – sofern überhaupt
danach gefragt wird, was die Menschen über Homöopathie wissen, ist die
gemeinsame Antwort: Nichts. Nur bei einem geringen Teil der Bevölkerung ist das
anders.
Man kann sich des
Eindrucks kaum erwehren, dass die Vertreter der homöopathischen Lehren wollen,
dass das so bleibt. In den Umfragen etwa ist sehr häufig von „Homöopathie und
Naturheilkunde” die Rede. Das suggeriert einen Zusammenhang. Ähnlich bei der
Seite homoeopathie.de. Wer sich informieren will, was diese Heilmethode sein
soll, stößt zuerst auf den Satz: „Naturheilverfahren erfreuen sich wachsender
Beliebtheit.” Auf dem Info-Portal der österreichischen Homöopathen muss man
erst ein wenig suchen, bis man zu einer Definition der Homöopathie gelangt.
Diese ist, wenig überraschend, voll von Eigenlob und enthält nur die
notwendigsten Informationen. Kritische Distanz zur eigenen Disziplin sucht man
vergeblich. Immerhin ist von „Naturheilkunde” wenig die Rede.
Was ebenfalls
gerne verschwiegen wird, sind die Zutaten homöopathischer Arzneien. Die haben oft
eher wenig mit Pflanzen- oder Naturheilkunde zu tun. Das gilt nicht nur für
„Plutonium”(!), sondern auch für viele mineralische Bestandteile wie
Aluminium-Kalium-Schwefel, das unter Homöopathen als Alumen firmiert. Und dass
Quecksilber auch lt. EU-Verordnung zu den zugelassenen „Wirksubstanzen” gehört,
erfährt man auch eher nur als ein des Latein einigermaßen mächtiger Leser mit
ausgeprägtem Hang zur Informationsbeschaffung. Und die Vermutung erscheint
zulässig, dass Homöopathen lieber darüber reden, dass sie etwa Basilikum und
Majoran als Zutat verwenden als Nitroglyzerin. Letzteres ist auch Bestandteil
zahlreicher „schulmedizinischer” Medikamente. Firmieren tut es bei Homöopathen
unter dem wesentlich harmloseren Ausdruck „Glonoinum”. Zugegebenermaßen Informationen,
die die Homöopathen nicht verschweigen. Nur, wer kein Latein kann, ist bei den
veröffentlichten Listen einigermaßen aufgeschmissen. Offensive Kommunikation
sieht anders aus.
Einen sehr
ähnlichen Eindruck bekommt man, wenn man die Presseaussendungen etwa der
österreichischen Homöopathen durchliest. Dort ist viel von „natürlich
behandeln” die Rede, von Wirkstoffen wie der Meerzwiebel – vom Prinzip, dass Ähnliches
mit Ähnlichem geheilt werden soll und von Verdünnungen und Potenzen erfährt man
gar nichts. So werden es nie mehr als 15 oder 16 Prozent der Bevölkerung sein,
die wissen, wie Homöopathie angeblich funktioniert. Dem Geschäft tut der Informationsmangel
allerdings keinen Abbruch.
Christoph Baumgarten
* Der Autor ist Journalist und engagiert sich in seiner Freizeit für ein skeptisches und humanistisches Weltbild. Unter anderem schreibt er Beiträge für den Humanistischen Pressedienst und betreibt den Blog Politwatch.
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