Da haben
Sie mich falsch verstanden. Natürlich unterlagen ALLE Patienten
denselben Einschlusskriterien. Und die durchschnittlich 8 Jahre
chronische Rückenschmerzen betrafen ALLE Patienten in der Studie. Das
heißt, ALLE Patienten in der Studie waren massiv selektiert: eben
solche, die nicht oder schlecht auf Standardtherapie ansprechen UND noch
nie Akupunktur probiert hatten UND bereit waren, Akupunktur zu
versuchen. Noch dazu wurde den Akupunkturgruppen auch ein bisschen
Standardtherapie parallel erlaubt. Und dann behandelt man eine
“Kontrollgruppe”, die aus solcherart selektierten Patienten besteht, mit
Standardtherapie. Dass diese Kontrollgruppe dann deutlich schlechter
abschneidet als jene, die die neuartige Prozedur (Akupunktur oder
Scheinakupunktur) bekommt, in die die Patienten ihre Hoffnung gesetzt
haben, ist wenig verwunderlich. Gottseidank sprechen aber viele
Kreuzschmerz-Patienten auf Standardtherapie recht gut an (ich z.B.), und
für diese ist die Behauptung wie sie in GEO zu lesen war, Akupunktur
sei deutlich wirksamer als Standardtherapie, schlicht nicht zutreffend –
selbst dann nicht, wenn man “wirksam” hier im unspezifischen Sinn
auffasst!
Sie zitieren auch die neue Asthma-Studie von
Kaptchuk, aber mir ist nicht klar, zu welchem Zweck. Diese Studie zeigt
nämlich sehr deutlich, dass Placebotherapien wie (Schein-)Akupunktur
oder Placebosprays zwar wie Albuterol die subjektiven Symptome lindern
können, im Gegensatz zu diesem aber nicht die tatsächliche
Lungenfunktion verbessern. Die Studie spricht also gegen den Einsatz von
Akupunktur (auch wenn Kaptchuk sich bemüht hat, die Daten
TCM-freundlicher zu interpretieren als sie sind).
PT:
4. Der Kaptchuk-Versuch ist von mir nicht fehlinterpretiert worden.
Das Wort Attrappe wurde lediglich gewählt, um die ständige Wiederholung
der Worte Scheinmedikament und Placebo zu vermeiden. Der Versuch ist
klar beschrieben, und ich denke, die Leser verstehen, was gemeint ist –
auch wenn hier kein wissenschaftlich präziser Begriff verwendet wurde.
UB:
Mag sein, dass hier lediglich ein
semantisches Problem vorliegt. Trotzdem: Dass diese Studie “die
ärztliche Welt auf den Kopf gestellt” haben soll, wie Sie schrieben,
halte ich für maßlos übertrieben.
PT:
5. Zu Ihrem Punkt über die Schwarzen Listen und Herrn Kaptchuk:
Natürlich gibt noch mehr Stellen, die mir immer wieder begegneten. Vor
allem aber habe ich mit Ted Kaptchuk persönlich im Interview in Boston
über seine Erfahrungen gesprochen. Ich hatte in meiner ersten
Stellungnahme bereits deutlich gemacht, dass die „Schwarzen Listen” für
mich ein Synonym für die besondere kritische Beobachtung eines Forschers
sind, der sich in Grenzbereiche der Medizin vorwagt mit seinen
Forschungen.
UB:
Sie bezeichnen die “Schwarzen Listen“, mit denen quackwatcher ihre “Feinde verfolgen”
als ein Synonym für “besondere kritische Beobachtung”? Das ist meines
Erachtens der Versuch, sich oder unseren Lesern hier diese Ausdrücke
schönzureden. Ich denke, man muss kein Sprachwissenschaftler sein, um zu
vermuten, dass der typische GEO-Leser spontan eher die ursprüngliche
Bedeutung des Begriffs assoziiert, nämlich “Todeslisten”.
PT:
6. Ihren Punkt, wonach ich im Zeichen der Ausgewogenheit einen
kritischen Wissenschaftler hätte befragen sollen, teile ich nicht. Was
hätte der denn bekritteln sollen? Das Evidenzparadigma, das als Basis
der Arbeit der Integrativen Medizin beschrieben wurde und Thema des
gesamten Artikels war? Es mag ja sein, dass Ihnen Forscher an der
Harvard Medical School, des Sloan Kettering Cancer Center und das NIH
als Forschungszentren für Integrative Medizin nicht als Referenz für
Wissenschaftlichkeit reichen. Mein Eindruck bei den Recherchen in den
USA aber war ein anderer.
UB:
Was
ein kritischer Wissenschaftler an der “Integrativen Medizin” hätte
bekritteln sollen? Vielleicht, dass dieser Ausdruck nichts mit dem
“Evidenzparadigma” am Hut hat, sondern lediglich das jüngste Produkt
jener Euphemismus-Tretmühle ist, die seinerzeit “Alternativmedizin”,
dann “Komplementärmedizin” und später “Holistische Medizin” ausgespuckt
hat. Oder er hätte die Frage stellen können, ob man TCM-interessierte
Ärzte dazu verpflichten soll, sich in der Ausbildung ein Jahr lang den
Verlauf von inexistenten “Meridianen” einzuprägen und die genaue
Position von unzähligen “Akupunkturpunkten” auswendig zu lernen, wenn
man inzwischen längst weiß, dass es egal ist, wohin man sticht. Aber
allein diese Frage hätte womöglich einen Schatten auf das schöngefärbte
Bild der “Integrative Medizin” geworfen, wie sie im GEO zu lesen war.
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