Dr. Stefan Uttenthaler
ist Astronom und Skeptiker. Er studierte zunächst Physik mit Schwerpunkt
Quantenoptik an der Universität Wien und wandte sich dann dem Doktoratsstudium
der Astronomie zu, das er 2007 mit einer vom Wissenschaftsministerium preisgekrönten
Dissertation abschloss. Nach Forschungsaufenthalten im ESO-Hauptquartier in
Garching bei München und an der Universität Leuven (Belgien) ist er an die
Universität Wien zurückgekehrt und arbeitet dort seit Jänner 2011 am Institut für
Astrophysik. Als Skeptiker bewies er eiserne Nerven und tat sich den von der
Wirtschaftskammer ausgerichteten Tag
der Astrologie 2012 an. Hier ist sein Gastbeitrag:
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Eine ganz seltene
Konstellation
Wien, 21. März 2012, 18:15 Uhr, Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften:
Etwa 200 Menschen haben sich versammelt, um Prof. Artie Hatzes von der
Thüringer Landessternwarte Tautenburg und der Universität Jena über
„Exoplaneten: Wo sind die anderen Erden?” vortragen zu hören. Zur selben
Uhrzeit, gerade einmal einen Kilometer Luftlinie entfernt, haben sich knapp 500
Interessierte im Gewerbehaus der Wiener Wirtschaftskammer eingefunden, um den Tag
der Astrologie 2012 zu begehen. Wenn eine so gut besuchte Astrologie- und
eine ebenfalls publikumswirksame Astronomie-Veranstaltung gleichzeitig in Wien
stattfinden, so ist das wahrlich eine besondere Konstellation!
Das Publikum setzt sich in der Mehrzahl aus Frauen im
reiferen Alter zusammen, aber Richard Lugner ist auch da. Aufgrund des Andrangs
müssen die Vorträge per Video-Link vom Wilhelm-Neusser-Saal im Erdgeschoß in
einen weiteren Saal im 8. Stock übertragen werden, in dem auch ich im
Halbdunkel sitze und wie verrückt Notizen mache, um etwas aus diesem (geistigen?)
Halbdunkel an das Licht der Öffentlichkeit zu bringen.
Das Motto der Veranstaltung lautet „Astrologie und
freier Wille”. Drei Vorträge stehen auf dem Programm, Karlheinz Dotter, Leiter
des Kepler-Instituts (!) Wien, leitet
mit seinem Vortrag in das Thema ein. Gerhard Höbert, seines Zeichens Astrologe,
Autor und Künstler, referiert über „Die Individualität des Menschen”, und
schließlich wagt Dr. Harald Thurnher, Astrologe und Journalist, einen astrologischen
Ausblick auf das Jahr 2012. Man darf also gespannt sein!
Das zweitälteste
Gewerbe der Welt
Gleich in der Einleitung kommt erstmals Schmunzeln auf,
als Peter Fraiss, ein Pionier der Wiener Astrologie, betont, dass die
Astrologie „immerhin das zweitälteste Gewerbe der Welt” sei. Nun aber zu den
Hauptvorträgen im Einzelnen.
Karlheinz Dotter referiert über das Menschenbild im
Laufe der Zeit und die Antworten, die verschiedene Kulturen auf die Frage nach
dem freien Willen gefunden haben. Determinismus und Fatalismus spielen hier
gegeneinander und Herr Dotter fragt, wie die Frage nach dem freien Willen in
die heutige Zeit passt, wobei er auch auf das „Ende“ des Maya-Kalenders 2012
anspielt. Er berichtet auch über die Ergebnisse neurophysiologischer Forschungen,
die die Existenz eines freien Willens in Zweifel zu ziehen scheinen (z. B. das Libet-Experiment).
Hier bezieht er sich auf die Interpretation des Experiments durch Wolf Singer,
der die Willensfreiheit des Menschen in Frage stellt. Solche Ergebnisse, bzw.
vielmehr diese Interpretationen, scheinen den Astrologen gerade recht zu
kommen, da sie ja in der Diskussion Determinismus vs. Fatalismus auf der Seite
des Determinismus stehen. Ein autonomer und frei entscheidender Mensch stünde
ja im Widerspruch zur astrologischen Annahme, dass wir in irgendeiner Weise von
den Planeten gesteuert seien. Aus dem Geburtshoroskop könne man, so Herr
Dotter, wie aus der genetischen Disposition, ableiten, was „die Zeit für uns
bereithält”. Allerdings gibt er zu, dass der Ausspruch „Die Ursache am Himmel,
die Wirkung auf der Erde” nicht mehr zeitgemäß ist. Heute gelte vielmehr der
Leitspruch, dass „die Planeten anzeigen, widerspiegeln”, was auf Erden geschieht.
Laut C. G. Jung spreche man auch von einem „synchronen Zusammenhang”, was
bedeutet, dass „Schicksalsfragen nicht eindeutig geklärt” seien. Hier sieht er
eine Verbindung mit der Quantenverschränkung (!) und zeigt sich optimistisch,
dass sich einstmals eine quantenmechanische Erklärung für diese Art der
Verschränkung finden werde. Aber so genau wisse er das auch nicht. Jedenfalls
sei der „autonome und freie Mensch” illusorisch, da der Determinismus bzw. die
Kausalität „von oben” komme, und man sich nicht gegen die Planeten entscheiden
könne.
Kann man wollen,
was man will?
Es folgt eine eher langatmige Rückschau auf Beantwortung
der Frage des freien Willens in verschiedenen Kulturen, von der griechischen
und nordischen Mythologie, den Anfängen der Astrologie in Babylon, über
Hinduismus und Buddhismus, bis hin zu Freud und den modernen
neurophysiologischen Forschungen, die eine messbare neurologische
Vorentscheidung vor der eigentlich bewussten Äußerung einer Entscheidung
finden. Auf diesem Weg streift er auch den Determinismus der klassischen Physik
(Laplace’scher
Dämon,), dem die Quantenmechanik durch die Unschärferelation widerspricht. Dass es trotzdem in der klassischen Physik keinen
Determinismus gibt, auch ohne Unschärferelation (Stichwort Chaos), bleibt von
Herrn Dotter unerwähnt oder unerkannt. Hier begeht er insofern einen Fehler,
als er meint, dass der Lauf der Welt dennoch deterministisch sein könnte. Dabei
vergisst er darauf, dass es in der Quantenmechanik einen echten, objektiven
Zufall gibt, womit die Welt nicht deterministisch sein kann! Zum Schluss
geht er darauf ein, was die Astrologie zu dieser Frage zu sagen hat, nämlich
dass es laut populärer Sichtweise der Astrologie einen Zusammenhang zwischen „oben”
und „unten” gibt. Ein Zitat: „Keine andere Disziplin hat ein solches kosmisch
rückverbindendes Instrumentarium bereit”. Dem ist (fast) nichts mehr
hinzuzufügen. Außer dass Herr Dotter wiederum einschränkend festhält, dass der
Astrologe nur eine thematische Grundlage bieten kann, jedoch keine spezifischen
Vorhersagen. Das reduziert die Astrologie doch eher zu einem Teil der
Unterhaltungsbranche.
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