Nach der theoretischen Einleitung folgen praktische Übungen. Zu wabernden kosmischen Klängen sollen wir uns – es war eigentlich abzusehen – eine „schöne Situation“ vorstellen, und zwar mit allen Sinnen. Danach sollen alle zusammen noch einen Zahlencode nachsprechen, den Frau Guggenberger angeblich „speziell für diesen Tag“ berechnet hat: 1… 2… 5… 4… 3… 8… 7… Wie wird das berechnet? „Das kann man lernen, es ist in Büchern genau beschrieben.“ In welchen Büchern? „Das sind Bücher über russische Heilmethoden: Grigoriy Grabovoy, Arkadiy Petrov.“ Ein kurzer Fact-Check bestätigt den Verdacht: es handelt sich um Betrüger. Grabovoy lässt nach eigener Aussage Tote auferstehen und hält sich für den reinkarnierten Jesus. Doch Frau Guggenberger will nichts von all dem wissen. Später wird mir klar, dass sie nicht die einzige Methodenvertreterin ist, die sich auf die „russischen Heiler“ beruft. Die „Russen“ scheinen auf dem Vormarsch zu sein.
Am darauffolgenden Tag zieht es mich wieder in den FORERE-Vortrag. Frau Guggenberger lässt sich nichts anmerken. Vielleicht erkennt sie mich auf die Entfernung nicht? Ich gebe allerdings auch keinen Anlass zur Beunruhigung: mache keine Fotos, stelle keine lästigen Zwischenfragen, selbst als der verlautbarte „tagesspezifische“ Zahlencode dem vom ersten Tag aufs Haar gleicht. Doch als ich zur Ablenkung mein Handy auspacke, geht sie blitzartig zum Angriff über: „Das Spielchen von gestern rennt nicht mehr!“ Sie und ihr Methoden-Partner Karl Haberler drohen mir mit Konsequenzen und wollen mich von Securities abführen lassen. Zu Beginn des Vortrags hatte es nämlich im Vergleich zum ersten Tag eine Neuerung gegeben: alle Handys mussten ausgeschaltet werden – wohl um keine „Gegenbeweise“ aus dem Internet liefern zu können. Später passt Herr Haberler mich auf dem Gelände ab und versucht, mich einzuschüchtern. Ich sei „ein Zerstörer“. Sollte ich es wagen, morgen noch einmal zum Vortrag zu kommen, würden die Securities schon auf mich warten, so der Methodenvertreter.
Eine andere Methodenvertreterin erzählt von der bereits erwähnten Chinesischen Quantum Methode. Patricia Vahlerach, die persönliche Energethikerin von Fachgruppenobmann Gerhard Flenreiss, geht bei ihrem Vortrag gleich in medias res: wir sollen uns eine schöne und eine unangenehme Situation vorstellen und schauen, ob wir einen Unterschied feststellen können. Danach fragt sie in die Runde, ob jemand akut Schmerzen habe. Eine Dame hat Verspannungen im Nacken und eignet sich somit als Versuchsperson. Frau Vahlerach führt an dieser einen kinesiologischen Muskeltest vor, der im Grunde gar nichts mit CQM zu tun habe. Angeblich funktioniert der Test, weil sie – telepathisch – einen Gedanken an das zentrale Nervensystem der Frau schickt. Und ja, es ginge selbst ohne Berührung! Ich versuche, sie darauf festzunageln und die Versuchsbedingungen entsprechend abzuändern, um Faktoren wie verbale Suggestionen und Blickkontakt auszuschließen. Ab da funktioniert der Test nicht mehr und nicht einmal die Versuchsperson ist überzeugt. Frau Vahlerach bietet ihr dennoch an, „unten am Stand“ vertiefend zu arbeiten. Die Einladung wird angenommen. Am nächsten Tag spielt sich alles nach demselben Prinzip ab: wieder wird die Versuchsperson nach dem Vortrag zur Weiterbearbeitung mitgenommen. Später frage ich bei beiden nach: sie scheinen bekehrt zu sein.
Die Methoden, mit denen man auf Kundenfang geht, sind so ausgelegt, dass man – wenn nicht beim ersten, dann beim zweiten Versuch – tatsächlich etwas spüren könnte: einen subtilen Unterschied, ein Kribbeln, das einem ohne genaueres Hinsehen nicht aufgefallen wäre, etc. Kaum gibt man zu, etwas gespürt zu haben, wird man dafür gelobt und somit auf Mitarbeit konditioniert. Hat man nichts gespürt, sei das auch in Ordnung – gemeint ist vorläufig.
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