Am dritten Tag probieren auch Skeptiker-Kollege Roman und ich endlich jeweils einen Muskeltest aus. Er bleibt bei CQM, und ich werde dem benachbarten Three-in-One-Concepts-Stand zugewiesen, dessen Methodenvertreterin einen Test kennt, der auch für eine schwache Oberarmmuskulatur geeignet ist. Nach zig Wiederholungen steht für Roman und mich eindeutig fest: der Test ist hundertprozentig manipulativ, die Energethikerinnen setzen ihre Griffe bewusst in variierenden Winkeln und mit unterschiedlichem Druck! Von welcher „Ethik“ reden wir? Als ich mich bei Frau Vahlerach noch einem sogenannten Matrix-Test unterziehe, bei dem ich mit geschlossenen Augen aufrecht stehen bleiben muss, ohne in den bereitgestellten Sessel hinter mir zu fallen (?), schwanke ich selbstverständlich leicht vor und zurück, da mein Gleichgewichtssinn eingeschränkt ist – für sie der Beweis, dass der Test funktioniert hat. Wir testen noch einmal mit vertauschten Rollen. Frau Vahlerach schwankt auch. Als ihr die Argumente ausgehen, verliert sie die Contenance: „Was wollen Sie mir hier jetzt beweisen?“

Bei der Kommunikation mit den Energethikern schwebt immer die Frage im Raum: „Versteht der Betreffende, dass mir bewusst ist, dass er weiß, dass an seiner Methode nichts dran ist? Oder habe ich es mit jemandem zu tun, der einer Selbsttäuschung erlegen ist?“

„Spüren Sie was?“
Foto: Anna Kauk

 

Am zweiten Messetag komme ich mit einem jungen Mann ins Gespräch. Wir sitzen in einem Vortrag zum Thema „BodyTalk“. Es stellt sich heraus, dass er Physik studiert hat. Er hätte immer alles beweisen wollen, doch dadurch habe er sich von sich selbst entfernt. Nach seinem Studienabschluss hätte er beschlossen, zu sich selbst zurückzufinden. Hier auf der Messe sei er mit einem „Aurachirurgen“ bekannt, der auch russische Heiltechniken und Quantenheilung anbietet.

Der Physiker meldet sich als Versuchsperson für „Cortex-Tippen“. Die Methodenvertreterin macht knapp über seinem Kopf eine Handbewegung, die für mich wie eine Akkordwiederholung auf dem Klavier aussieht. In Wirklichkeit wird hier gerade eine „stehende Welle“ erzeugt, die das Gehirn balanciert. Der junge Mann ist ganz begeistert und lässt sich nach dem Vortrag gleich auf der BodyTalk-Liege in der Messehalle behandeln. Es tut ihm so gut, dass er die Behandlung gleich am nächsten Tag wiederholt.

Ich will von ihm wissen, was er denn vom Quantenheilungsmodell halte. Er könne es sich auch nicht erklären, was ihn aber nicht weiter zu stören scheint. Er glaubt an die Aura, da es im Körper bewiesenermaßen elektrische Ströme gebe, die ein elektromagnetisches Feld erzeugen, welches man sicherlich messen könne. Es wundert ihn auch nicht, dass die Energethiker behaupten, die Aura mit einem „Biotensor“ messen zu können – denn dieser hätte ja, anders als ein Pendel, fast keine Reibung. Die Möglichkeit einer Beeinflussung über feine Handbewegungen interpretiert er so: es würde theoretisch auch gehen, wenn ein Roboter den Biotensor halten würde, nur würde es halt viel länger dauern, bis die Vorrichtung zu schwingen beginnt. Die Hand ist dazu da, den Prozess zu beschleunigen, indem sie den ersten Impuls gibt.

Schon bald merke ich, dass er so gut wie nichts über die Esoterikszene weiß. Als ich ihn darauf hinweise, dass das Kangen-Wasser, welches er sich vom entsprechenden Messestand geholt hat, von Scientology-Mitgliedern vertrieben wird, meint er, Scientology sei ihm kein Begriff. Das zweistündige Aufklärungsgespräch erweist sich als ein Schuss ins Leere: den nächsten Tag verbringt er wieder auf der Messe.

Zum Abschluss einige Impressionen:

Der lange Weg zu sich selbst.
Foto: Anna Kauk

 

Bei der Alohim Methode 21 Ebenen gibt es verschiedene Pulver, die man in die Handflächen gestreut bekommt. Wir haben mit einer „speziell gearbeiteten Eisen-Salz-Mischung“ gearbeitet, es wird z.B. aber auch Pulver aus getrockneten Kuhfladen verwendet – im Ernst.
Foto: Anna Kauk

 

1 / 2 / 3 / 4

Kommentare (15)

  1. #1 Stefan W.
    21. September 2012

    Am besten gefällt mir:

    eine „schöne Situation“ vorstellen, und zwar mit allen Sinnen.

    Sinne sind ja Meßgeräte, die der empirisch wahrnehmbaren Welt zugewandt sind: Geräuschen, farbigem Licht, Düften und Gestank, Berührungen, Änderungen des Gleichgewichts, Geschmack usw. – dagegen ist die Vorstellung ja genau das Gegenteil: die Abwendung vom sinnlich Erlebbaren und Hinwendung zur Phantasiewelt.

    Mit den Sinnen kann man sich grundsätztlich nichts vorstellen. Aber wenn das Publikum erstmal durchverblödet ist, dann kann es Suggestionen und Vorstellungen von Effekten viel eher für einen Effekt halten, man möchte esoterisch sagen: “derart sensibilisiert”. 😉

  2. #2 neuwalker
    21. September 2012

    “Deva-Essenzen – funktionieren wie Homoöopathie, nur anders”
    Eine andere Qualität von “gar nicht” – sehr aufschlussreich 😉

  3. #3 rolak
    21. September 2012

    Homöopathen potenzieren (üblicherweise) Stoffliches, weswegen sie von den Anthroposophen auch immmer wieder mal als ‘schnöde Materialisten’ abgekanzelt werden.
    Bei deva-stating ist derart Substantielles unnötig.

    Das geht wohl auch nur in der CAM: Ein Nichts unterbieten.

  4. #4 Barton Fink
    22. September 2012

    Pfa, bitte im nächsten Jahr einen Flashmob zum Ausbuhen organisieren, ich bin dabei!

  5. #5 LaMaisonDieu
    22. September 2012

    Schlimm, echt schlimm, was sich da abspielt. Da sind ja die traditionellen Esoteriker mit ihren Steinderln und Blümerln richtig harmlos dagegen.

    Übrigens: Die Wirtschaftskammer steht hinter jeder Gruppe, die ihnen hinreichend zahlende Mitglieder bringt, je mehr, desto strammer.

    Das ist bei der Sektion MLM-Vertrieb auch nicht anders.

  6. #6 KeinAnfang
    26. September 2012

    @Rolak

    Den werde ich mir merken.
    Der nächste Homöopath bekommt den vor den Bug geschossen.
    Obwohl, was ist denn an Licht der Venus materiell, oder an Vakuum. Naja velleicht lernen es die Homöopathen auch noch

  7. #7 Ingrid Reichel
    12. Oktober 2012

    Ausgezeichneter informativer Beitrag über die Messe! Danke liebe Anna für die Mühe!

  8. #8 Martin
    Der Verkauf von Eisenhut ist definitiv verboten
    18. Oktober 2012

    Daher bitte die Polizei einschalten.

  9. #9 Martin
    18. Oktober 2012

    Danach bitte eine Beschwerde bei der Wirtschaftskammer, wegen dem Eisenhut auf dem Foto. Entzug der Gewerbeberechtigung beantragen.

  10. #10 noch'n Flo
    Schoggiland
    18. Oktober 2012

    @ Martin:

    Wenn der Eisenhut verdünnt ist, dürfte das Verbot kaum greifen. In der Apotheke kannst Du ja auch Plutonium in homöopathischer Verdünnung kaufen.

  11. #11 Martin
    18. Oktober 2012

    Ich gehe davon aus, dass er nicht entsprechend verdünnt ist. Das muss die Polizei prüfen.

  12. #12 Martin
    18. Oktober 2012

    Interessant wäre auch von wo der herkommt. Da wurden entweder strengste Naturschutzbestimmungen missachtet oder es liegt überhaupt ein Zollvergehen vor, das Strafzahlungen in Millionenhöhe nach sich ziehen könnte.

  13. #13 Mani
    8. Januar 2014

    Na ja, dazu kann ich nur sagen, liebe Blogger, liebe Kommentatoren und all den unseriösen und verrückten Methodenvertretern: Gleich und Gleich gesellt sich gern…
    und wünsche Euch allen noch viel Spaß in Eurem Sumpf

  14. #14 noch'n Flo
    Schoggiland
    9. Januar 2014

    Gleich und Gleich gesellt sich gern…
    und wünsche Euch allen noch viel Spaß in Eurem Sumpf

    Stimme zu! Lasst uns dies allen Eso-Bescheissern zurufen.

  15. #15 Spritkopf
    9. Januar 2014

    @Mani

    verrückten Methodenvertretern

    Lustig, dass die Esos es als unseriös und als verrückte Methode ansehen, wenn ihre Behauptungen direkt nachgeprüft werden. Frau Kauks Beschreibung von der Security, die sie schon wegen eines eingeschalteten Handys abführen soll, weil sie Details zum in der Vorführung verzapften Schmarrn gleich online recherchieren wollte, machte mehr als deutlich, dass Esos und ihre Methoden das Tageslicht scheuen.

    Aber wenn man wie anscheinend Mani selber im Esosumpf drinsteckt, dann fällt einem dergleichen nicht mehr auf. Bzw. man wendet gleichfalls Methoden an, die man nicht von Leuten mit naturwissenschaftlichem Hintergrund durchleuchtet sehen will. Man(i) ist schon so in seinem täglichen Beschiss drin, dass diejenigen, die diesen aufdecken könnten, das Feindbild sind. Nicht wahr, Mani?