Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte DZVhÄ diskutierte im Mai 1966 über den Donner-Report. Wichtigstes, oder genauer gesagt einziges, Ziel war es, seine Veröffentlichung zu verhindern. Man erreichte, dass Donner seine „Drohung“ nicht umsetzte, den Bericht, den er zunächst der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung (AHZ) unterbreitet hatte, anderswo zu veröffentlichen. 1969 versuchte G. Wünstel als neuer Geschäftsführer des DZVhÄ, die Aufarbeitung erneut anzustoßen. Im Sitzungsprotokoll des Wissenschaftlichen Beirats des DZVhÄ vom Mai 1970 heißt es schließlich:
„Alle Anwesenden waren sich darüber einig, daß man diese Angelegenheit auf sich beruhen lassen sollte und es wichtig sei, daß hierüber nicht publiziert werde.“
Damit war das Thema glücklich erledigt. Wünstel fragte nicht weiter nach; allerdings hätte er den Jagdhund auch zur Jagd tragen müssen. Immerhin veröffentlichte er selbst 1987, nachdem er 1974 aus dem Vorsitz des DZVhÄ verdrängt worden und aus dem Verein ausgetreten war, Teile des Donner-Reports. Er stützte sich auf das Typoskript, das ihm selbst zugegangen war, und versah es mit einem idealistischen forschungsfreundlichen Vor- und Nachwort[29]. „Gestürzte Könige werden bei Shakespeare oft weise, sie können es sich dann leisten“ (Rainer Kirsch).
Der von Jütte als Zeuge aufgerufene H. Walach beschränkt sich nicht auf die o. g. Forderung nach Umkehr der Beweislast, sondern fügt hinzu[30]:
„Der Bericht Donners enthält viele Details, die hier nicht zu interessieren brauchen. Sein Ton ist von Enttäuschung und persönlicher Verletzung geprägt.“
Er hält sich jedoch nicht damit auf darzulegen, welche Details denn nun damit kompromittiert sind. Subtil deutet Walach allenfalls an, dass Donner keine Ahnung von richtiger Homöopathie hatte:
„Bespielsweise hatte Rabe eine Prüfung von Silicea C 30 vorgeschlagen, die offenbar keine Ergebnisse zeitigte. Wir erfahren nichts über die Zeitdauer der Untersuchung. Eines aber ist klar: Silicea gehört zu den trägsten und tiefgreifendsten Mitteln der homöopathischen Materia medica. Wenn in einer Prüfung mit Hochpotenz quantitativ abgesicherte Effekte zu erwarten sind, dann erst nach geraumer Zeit und mit großer Prüferzahl. 30 Tage Zeitdauer sind für eine homöopathische Arzneimittelprüfung am Gesunden laut Schoeler die Mindestdauer.“
Abgesehen davon, dass da gar nichts klar ist[31]: Zu den Dutzenden anderen, zum Teil publizierten, zum Teil unterdrückten negativen Prüfungen – „So kam es, dass Sie, Kollege Unseld, eben nichts in der Literatur finden“ – ist ihm offenbar nichts eingefallen. Sie gehören zu den „Details, die hier nicht zu interessieren brauchen“.
Kühner sind Milgrom und Moebius[32]. Nachdem sie die inhumane Bestialität des 3. Reiches erwähnen, um die Ethik der Homöopathie-Prüfung zu denunzieren, fahren sie fort:
„Die Prüfung [inspection] dieser Dokumente zeigt, dass sie nicht mehr als persönliche Erinnerungen enthalten, die viele Jahre nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgewärmt werden, und die reichlich mit Phrasen wie ‚soweit ich mich erinnere‘, ‚wenn ich mich recht entsinne‘ usw. durchsetzt sind. Donner ist nicht nur extrem vage, sondern die ‚Evidenz‘, die [Edzard] Ernst darin entdeckt zu haben glaubt, beruht auf kaum mehr als Hörensagen.“
Die wohlwollendste Deutung ist die Übersetzung von „inspection“ statt mit „Prüfung“ mit: „Vor zwanzig Jahren einen getrübten Blick darauf geworfen“, aber überzeugend ist diese Interpretation nicht. Das ist also nur als zynische Spekulation darauf erklärbar, dass das Auditorium keine Möglichkeit oder kein Interesse hat, den Bericht selber zu lesen. Wie Ernst völlig zutreffend erwidert[33], gibt es nicht den Schatten eines Beweises, dass die von international angesehenen Wissenschaftlern wie dem Pharmakologen Gustav Kuschinsky geleiteten Untersuchungen in irgendeiner Weise unethisch waren, und sie wurden auch nicht in Konzentrationslagern durchgeführt. Fast irrelevant ist die Ergänzung, dass wissenschaftliche Untersuchungen der Nazi-„Forschung“ realisierbar sind, ohne hohe ethische Standards zu verlassen[34].
Fassen wir zusammen. Die Parallelen von Homöopathie und Religion werden von Jütte durchaus nicht negativ konnotiert. Die Hinweise auf die Heiligen Schriften des Samuel Hahnemann, die „verschiedenen Wahrheiten“ in der Medizin oder auf die „Abwendung von der Kausalität“ zeigen an, dass Jütte und andere Streiter für den „Pluralismus in der Medizin“[35] den Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft verschleiern wollen. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Religion wird auf diese Weise instrumentalisiert, um die Homöopathie gegen Kritik durch die Naturwissenschaft (und den gesunden Menschenverstand) in Schutz zu nehmen.
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