Die erste Reaktion ist fassungsloses Kopfschütteln. Dann kommt der Ärger. Doch auch Tage später, wenn der Ärger längst verraucht ist, bleibt ein Gefühl der Verblüffung. Verblüffung darüber, was die Redaktion einer deklarierten Wissenschaftssendung eines angesehenen öffentlich-rechtlichen Senders wie des BR sich bei der ganzen Sache eigentlich gedacht hat.
Bernd Harder vom GWUP-Blog, ein genauer Beobachter der Szene, hatte es schon geahnt: Die Ankündigung lässt zumindest nichts Gutes erahnen schrieb er am 21.4. im GWUP-Blog. Angekündigt hatte der BR die Sendung seines Wissenschaftsmagazins “Faszination Wissen” mit dem Titel Homöopathie: Medizin oder Mogelpackung? Und nichts Gutes war tatsächlich zu erwarten, wenn die Ankündigung schon mit Behauptungen wie dieser aufwartete:
Es gibt Fälle, in denen Homöopathie nachweislich wirkt.
Nachweislich? Ist die Sendung etwa eine Satire? Oder als Provokation gedacht? Wie sich herausstellt, weder noch. Die Sendung von Herbert Hackl entpuppt sich als filmische Umsetzung der seit Jahren sattsam bekannten PR der Homöopathie-Lobby. Kritik spielt darin nur die Rolle eines Feigenblatts. Im Begleittext werden die einschlägigen Homöopathenlügen über die Shang-Metaanalyse abgedruckt als handle es sich um unstrittige Fakten. Das Schlagwort vom “Gegenbeweis” taucht auf – ein Begriff aus dem Zivilrecht, dessen Benutzung ein untrügerisches Zeichen von wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit ist.
Aber es kommt noch viel schlimmer: Diese Sendung tut etwas, wovor selbst die deutschen und österreichischen Homöopathenvereinigungen zurückschrecken – sie insinuiert, dass Homöopathie Krebs heilen könne. Das muss man sich einmal vorstellen: im 21. Jahrhundert sendet der BR eine “Dokumentation”, in der suggeriert wird, Globuli könnten Tumore wegzaubern!
Bernd Harder charakterisiert die Sendung folgerichtig als Schwachfug-Doku. Warum diese Wertung zutiefst gerechtfertigt ist, erklären u.a. Martin Ballaschk und Marko Kovic. Der kleine Shitstorm, den die Sendung in den sozialen Medien auslöste, war für die Redaktion offenbar Anlass, eine offizielle Stellungnahme zu den Vorwürfen nachzureichen. Die hätte sie sich besser gespart, denn anstatt anständig zu Kreuze zu kriechen macht diese auf trotzig und wiederholt einige der dümmsten Homöopathenmärchen.
Eine negative Metaanalyse von 150 Studien zur Homöopathie, so die Stellungnahme, sei innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft kontrovers diskutiert worden. Abgesehen davon, dass die Shang-Metaanalyse 110, nicht 150 Homöopathie-Studien einschloss, stellt sich hier schon die Frage, was die Redaktion eigentlich unter einer “wissenschaftlichen Gemeinschaft” und einer “kontroversen Diskussion” versteht. Sind eine Handvoll Homöopathen, die ein paar empörte Leserbrief schreiben, eine wissenschaftlichen Gemeinschaft? Ist das Auftauchen eines Pamphlets eines Flacherdlers Beweis dafür, dass die Kugelgestalt der Erde in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird?
[E]ine Reanalyse der oben genannten Studie [kommt] zu einem anderen, zu einem positiven Ergebnis. Behauptet die Homöopathie-Lobby. Dann muss es wohl stimmen, denkt sich die Redaktion offenbar, kopiert diese Lüge in ihre Stellungnahme und hat noch die Chuzpe, das als die von uns im Film präsentierte objektive Beurteilung dieser Datenlage zu bezeichnen. Hat dort eigentlich irgendjemand diese Reanalyse überhaupt gelesen? In dieser Tonart geht es weiter – auch die Versorgungsforschung als Argument für eine Wirkung von Globuli fehlt nicht. Peinlichkeit kennt keine Grenzen, kommentiert der GWUP-Blog die traurige Farce.
Am 26.4. wurden auf der Webseite von Faszination Wissen die Kommentare zur Sendung geschlossen und die Diskussion für beendet erklärt. Der Wissenschaftsredaktion des BR sollte diese unrühmliche Episode zu denken geben. Noch zwei-, dreimal so ein Griff ins Klo, und eine über viele Jahre hinweg aufgebaute Reputation ist dahin. Es wäre schade.
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