Dieser etwas sperrige Titel stammt von mir (UB), der folgende, deutlich besser lesbare Text, ist die im letzten Beitrag angekündigte

Fortsetzung des Gastbeitrags von Philippe Leick

In einem vorherigen Beitrag habe ich Francis Beauvais‘ Vorschlag diskutiert, Studien zur Wirksamkeit homöopathischer Präparate durch „in situ Randomisierung und Entblindung“ zu verbessern.

Vereinfacht gesagt wird dabei die zentrale Planung einer randomisierten und doppelblind durchgeführten Studie (RCT) durch eine lokale Steuerung ersetzt. Arzt und Patient bekommen nicht einen vorab ausgesuchten, kodiert beschriebenen Therapiesatz, der entweder das zu prüfende Mittel oder ein äußerlich ununterscheidbares Placebo enthält. Stattdessen bekommen sie gleich beide Varianten, ohne aber zu wissen, in welchem Therapiesatz das Verum und in welchem das Placebo sich befindet. Im Anschluss dürfen sie selbst auslosen, mit welchem der beiden Sätze sie arbeiten möchten. Unmittelbar nach Ende der Behandlungs- und Beobachtungsphase, nachdem alle Daten fälschungssicher erhoben wurden, bekommen sie mitgeteilt, ob sie sich für Placebo oder Verum entschieden haben.

Prinzipiell spricht wenig gegen diesen Vorschlag. Nach wissenschaftlicher Logik sollte eine solche Studie, sofern sie sorgfältig durchgeführt wird, zu keinen anderen Ergebnissen führen als ein zentral geplanter RCT. Beauvais argumentiert jedoch anhand der verallgemeinerten Quantentheorie (VQT), dass in seinem Studiendesign subtile, verallgemeinert-quantenmechanische und für die Homöopathie höchst relevante Effekte besser erhalten bleiben. Er erwartet daher „endlich“ deutlich positive Ergebnisse für die Homöopathie in ansonsten nach allen Regeln der Kunst durchgeführten RCTs.

Nach meiner Auffassung ist die Argumentationskette, die ihn zu diesem Vorschlag führt, jedoch alles andere als überzeugend.

Remedies as carriers of significance

In der gleichen Ausgabe von Homeopathy schlägt Yannis Almirantis (1) eine weitere Anpassung des Doppelblind-Protokolls vor. Sein Vorschlag ist ebenfalls praktisch umsetzbar, wird am Rande auch mit der verallgemeinerten Quantentheorie begründet, und kann sogar mit Beauvais‘ Anregung kombiniert werden. Ob die gleichzeitige Veröffentlichung dieser Arbeiten Zufall oder ein „seltsamer Fall von Synchronizität“ ist – oder ob sie schlicht daher rührt, dass die verallgemeinerte Quantentheorie derzeit als theoretischen Unterbau für die Homöopathie im Trend liegt – muss an dieser Stelle nicht weiter interessieren. Bei aller oberflächlicher Gemeinsamkeit unterscheiden sich die beiden Arbeiten nämlich deutlich. Während Beauvais dem Anschein nach ein mathematisches Modell aufbaut, orientiert sich Almirantis vor allem an klassischer homöopathischer Literatur und argumentiert beinahe philosophisch.

Ausgangspunkt ist jedoch auch bei ihm die Feststellung, dass es um rein „mechanistische“ Homöopathie-Erklärungen (wie etwa dem Gedächtnis des Wassers oder einer nicht näher spezifizierten Informationsübertragung von der Urtinktur zur Hochpotenz) nicht besonders gut steht. Da die Homöopathie insgesamt nicht in Frage gestellt werden kann, muss deshalb in Richtung nicht-lokaler Theorien wie der verallgemeinerten Quantenmechanik gedacht werden.

Als weiteres Indiz in diese Richtung sieht Almirantis die komplexen Beziehungen zwischen den Wirkungen der Ursubstanz und den homöopathischen Präparationen bei gesunden Probanden und kranken Patienten. In der Homöopathie wird gemeinhin Ähnliches mit Ähnlichem geheilt – similia similibus curentur. Es werden also Mittel ausgewählt, die beim Gesunden ähnliche Symptome erzeugen wie diejenigen, unter denen der Patient leidet. Das Symptombild homöopathischer Arzneien wird in sogenannten Arzneimittelprüfungen ermittelt. In den Anfangstagen verabreichte Hahnemann unverdünnte Substanzen an gesunde Probanden, später ging er dazu über, Arzneimittelprüfungen mit potenzierten Lösungen durchzuführen, heutzutage wird dafür meist C30 verwendet.

Wie aber verhält es sich zwischen dem Symptombild der unverdünnten Substanz und der homöopathischen Potenz? Almirantis unterscheidet vier Fälle, wobei nur der erste dem klassisch interpretierten simile-Prinzip entspricht:

1.      Die unverdünnte Substanz erzeugt Symptome ähnlich denen, die das Homöopathikum heilen soll. Ein Beispiel wäre etwa Coffea Cruda bei Schlaflosigkeit.
Die Potenzierung verstärkt und erweitert in solchen Fällen die Wirkung der Ursubstanz, sie bereichert das Symptombild.

2.      Die unverdünnte Substanz wird traditionell als Heilmittel verwendet und weist ähnliche Wirkungen auf wie das Homöopathikum. Beispiel: Chamomilla  oder Kamillentee bei Unruhe.

3.      Die unverdünnte Substanz hat keine oder vernachlässigbare physiologische Wirkung (z.B. Silica, Aurum Metallicum).

4.      Die unverdünnte Substanz hat ganz andere Wirkung als das homöopathische Mittel (z.B. Plumbum).

Almirantis zufolge können alle vier Fälle nach einem verallgemeinerten Simile-Prinzip gedeutet werden. Erfahrenen Homöopathen soll dies auch bewusst sein, die Fälle 2 – 4 würden jedoch kaum diskutiert, aus Angst, dem Anliegen der Homöopathie zu schaden. Besonders intensiv geht Almirantis auf einige Beispiel der dritten Kategorie ein, in denen das Anwendungsgebiet der homöopathischen Arznei bemerkenswert nah an der symbolischen Bedeutung des Wirkstoffs liegt. Das erste von ihm besprochene Mittel ist das bereits erwähnte metallische Gold:

Aurum metallicum is typically prescribed in homeopathy to patients with severe depression. […]

G. Vithoulkas in his “Essences” comments on Aurum patients: “Everything becomes darker and darker, until there seems to be not one ray of light. To these Aurum patients, it is as if the sun has been completely snuffed out”. […]

Parallelism with the symbolisms associated with the couple Gold-Sun comes naturally. Ancient Greek Alchemy (Hellenistic period) associated gold with the sun, as a planet and as a deity, mostly identical to Apollo. […]

The association of gold with the concepts of wealth and money is also inscribed in the profile of Aurum. G. Vithoulkas writes about these patients: “They often are quite wealthy – financiers, bankers, etc.” and later he adds: “It is interesting that Aurum patients value gold (money) a lot”.

I do no attempt here to shrink the Aurum general picture only to its relation with psychological darkness or to the occurrence of its symptoms to wealthy patients. The width of application of this remedy certainly goes beyond these associations, but, as we realize here and in several other cases discussed in the following, correspondence of significance between substance connotations and patients’ idiosyncrasy is a typical feature of homeopathic remedies, not reducible to mere chance.

Im Folgenden werden weitere Metalle beschrieben, das Muster ist dabei ähnlich, die zitierten Autoren sind vor allem James Tyler Kent (1849-1916) und Georgos Vithoulkas (*1932). Vithoulkas gilt als einer der bedeutendsten lebenden Homöopathen, Kent ist in der Geschichte der Homöopathie fast ebenso wichtig wie Hahnemann, sein Repertorium wird auch heute noch in der homöopathischen Praxis verwendet. Korrespondenzen zwischen der Persönlichkeit eines Patienten und „seinem“ homöopathischen Mittel („der Aurum-Patient“) sind dabei recht typisch für Kent, auch wenn er selbst sich wahrscheinlich gegen eine solche Zuordnung gewehrt hätte.

Die genaue Art der symbolischen Entsprechung unterscheidet sich von Fall zu Fall. Mercurius solubilis (Quecksilber bzw. Zinnober) etwa eignet sich für innerlich unruhige, überimpulsive Patienten, aber auch für verschlossene, kontaktscheue Zeitgenossen. Almirantis stellt eine Verbindung zum Götterboten Hermes (Merkur) her, die sich auch im altenglischen Adjektiv „mercurial“ für einen sprunghaften, wechselhaften Charakter niederschlägt. Vithoulkas und indirekt Kent zitierend findet er aber noch eine weitere, auf dem Quecksilberthermometer beruhende Korrespondenz:

One further such correspondence of meaning – this time with a technological use of mercury – is remarked by both Kent and Vithoulkas: “The intolerance to heat and cold illustrates the instability which characterizes the particular Mercurius weakness. As mentioned by Kent, the patient is a living ‘thermometer’”. The above incidence depends on the technology of a given era for characterizing a remedy’s influence on patients.

Es folgt u.a. eine sehr interessante Diskussion zu Tarentula Hispanica, die ich hier aus Platzgründen nicht vollständig wiedergeben kann.  Der Biss der europäischen Wolfsspinne (lycosa tarantula) ist vergleichsweise harmlos, wurde aber lange Zeit mit dem Veitstanz bzw. „potentiell tödlicher Ruhelosigkeit“ in Verbindung gebracht. Der auch heutzutage noch gebräuchliche Ausdruck „wie von der Tarantel gestochen“ geht auf diesen Aberglauben zurück. Die Symptome passen aber besser zum Biss der wesentlich giftigeren europäischen schwarzen Witwe (latrodectus tredecimguttatus), obwohl auch diese Deutung umstritten ist. Dennoch gehört das potenzierte Gift der europäischen Wolfsspinne auch heute noch zur homöopathischen Apotheke. Es wird für „nervöse, hysterische Patienten“ bzw. gegen „abnorm stark ausgeprägten Bewegungsdrang, gestörte Bewegungsabläufe und Zuckungen mit Muskelkrämpfen“ empfohlen.

Almirantis zufolge spricht die uneinheitliche, oft symbolbehaftete oder bedeutungsschwangere  Zuordnung zwischen den von der „rohen Substanz“ und der homöopathischen Potenz verursachten Symptomen gegen einen streng kausalen oder deterministischen Erklärungsansatz. Auch die nicht besonders hohe Reproduzierbarkeit der Effekte deutet in diese Richtung. Ganz ähnliche Gedanken findet man im Übrigen auch bei Harald Walach (2) und Walter von Lucadou, die zu den wichtigsten Verfechtern der verallgemeinerten Quantentheorie gehören.

Das bessere homöopathische Placebo

Am Schluss seines Papers schlägt Almirantis eine kleine Veränderung in der Auswahl homöopathischer Placebos vor. Stand der Technik ist heute die Herstellung eines homöopathischen Scheinmedikaments entsprechend aller homöopathischen Vorschriften, mit aufeinanderfolgendem Verdünnen und Schütteln, nur ohne Urtinktur. Solche „leeren“ Arzneien möchte Almirantis durch willkürlich aus einem großen Pool ausgewählte, für den betroffenen Patienten also falsche homöopathische Präparate ersetzen. Mit dem Einsatz solcher „quasi-Placebos“ würde die Reproduzierbarkeit des Versuchsdesigns etwas gelockert. Aus Sicht von Skeptikern, die nach kausalen oder materiellen Ursachen suchen bzw. alle homöopathischen Hochpotenzen für prinzipiell ununterscheidbar halten, dürften die Versuchsergebnisse sich dadurch nicht ändern.

Auch aus homöopathischer Sicht sind die falschen Arzneien Placebos, da sie zufällig ausgesucht wurden und nicht zum Symptombild des Patienten passen. Sicherheitshalber könnten aber „sehr spezifische, potentiell gefährliche“ Mittel aus dem Pool ausgeschlossen werden.

Almirantis‘ Ziel ist es, placebokontrollierte Studien weniger wiederholbar zu machen. „Flüchtige Effekte“, die mit der schwachen Quantentheorie in Verbindung gebracht werden, sträuben sich nämlich gegen kontrollierte Beobachtung oder die immer gleiche Wiederholung eines Versuchs. Sie treten nur auf, wenn die Randbedingungen einen gewissen Neuigkeitswert haben oder die Kontrollen nicht zu streng sind. Auch das scheue Psi gehört nach von Lucadou in diese Kategorie. Wenn zu intensiv nach einer bestimmten Manifestation gesucht wird, macht es sich rar oder tritt an anderer Stelle überraschend auf (3). Almirantis erwartet daher in RCTs, die seine Anregung umsetzen, erstmals höhere Erfolgsraten für die Homöopathie-  als für die quasi-Placebo-Gruppe – „sofern nichtlokale Faktoren eine wichtige Rolle bei der homöopathischen Heilung spielen“.

Zusammenfassung

Man kann Almirantis‘ gut geschriebene Arbeit auch ohne Kenntnis der Quantenmechanik mit einigem Gewinn lesen. Sie bietet interessante Einsichten in die Denkweise der Homöopathie, für  Zyniker vielleicht auch einige schreiend komische Momente. Aber haben wir es hier mit dem praktisch durchführbaren Vorschlag eines Experimentes zu tun, mit dem nichtlokale Erklärungsansätze der Homöopathie experimentell geprüft werden könnten?

Almirantis versucht nicht, so präzise zu argumentieren wie Beauvais, dadurch macht er sich weniger angreifbar. Wenn in meiner Zusammenfassung nicht ersichtlich wurde, wie er zu seinem Vorschlag gekommen ist, falsche Homöopathika als Placebo zu verwenden… dann liegt es daran, dass auch in der vollständigen Arbeit entsprechende Hinweise fehlen. Das Herzstück seines Papers fällt im letzten Absatz aus heiterem Himmel.

Es besteht kein Zweifel daran, dass sowohl Almirantis‘ wie auch Beauvais‘ Vorschläge praktisch umgesetzt werden könnten. Nur ist in beiden Fällen die Verbindung zwischen Verallgemeinerter Quantentheorie, dem darauf basierenden Homöopathie-Modell und dem veränderten Studienprotokoll so vage, dass eventuelle Ergebnisse – ob positiv oder negativ – zu fast jeder Hypothese passen sollten.

Dem Anspruch, die Verbindung zwischen schwacher Quantentheorie und Homöopathie  mit überprüfbaren Vorhersagen zu ergänzen und so die wissenschaftlichkeit des Ansatzes zu stärken, werden beide Vorschläge nicht gerecht. Sie sind zwar praktikabel und überprüfbar, aber bei näherer Betrachtung erweist sich ihre Verbindung zur Ausgangshypothese als ähnlich solide wie ein Kartenhaus.

Literatur

(1)   Y. Almirantis: Homeopathy – between tradition and modern science: remedies as carriers of significance, Homeopathy 102:114-122, 2013

(2)   H. Walach: Magic of Signs: A Nonlocal Interpreation of Homeopathy, Journal of Scientific Exploration 13(2):291-315, 1999

(3)   W. von Lucadou, H. Römer and H. Walach: Synchronistic Phenomena as Entanglement Correlations in Generalized Quantum Theory, Journal of Consciousness Studies 14(4):50-74, 2007

Kommentare (57)

  1. #1 H.M.Voynich
    31. Juli 2013

    Kleiner Einwand:
    Wenn ich als Patient weiß oder auch nur annehme, daß ausgewürfelt wird, ob ich das “Medikament” oder ein Placebo erhalte, erwarte ich bei mir einen starken Nocebo-Effekt.

    • #2 Ulrich Berger
      31. Juli 2013

      Aber das weiß ich doch bei jedem RCT, an dem ich als Patient teilnehme…

  2. #3 H.M.Voynich
    31. Juli 2013

    Und dennoch treten Placebo-Effekte auf?
    Das wundert mich, und ich würde daraus schließen, daß schwer kontrollierbare Einflüsse darüber entscheiden, ob aus meiner negativen Grundhaltung eine positive werden kann.

    • #4 Ulrich Berger
      31. Juli 2013

      Warum “negative Grundhaltung”? Wenn ich glaube, dass ich ein Placebo bekomme, dann wird der Placeboeffekt bei mir nahe null sein. Wenn ich glaube, das Verum zu bekommen, habe ich einen “vollen” Placeboeffekt. Wenn ich mir unsicher bin, habe ich irgendwas dazwischen, also einen “abgeschwächten Placeboeffekt”. Aber wieso Nocebo?

  3. #5 H.M.Voynich
    31. Juli 2013

    (Nicht, daß einer der beiden Therapiesätze davon profitieren würde. Aber wenn wir davon ausgehen, daß Homöopathen hauptsächlich davon leben, Placeboeffekte zu begünstigen, sowohl Patient als auch Behandler aber dem Experiment von vornherein negativ gegenüberstehen – benötigt man dann nicht viel mehr Probanden, um die gleiche Signifikanz zu erreichen?)

    • #6 Ulrich Berger
      31. Juli 2013

      “Negativ gegenüberstehen” ist vielleicht übertrieben. Wenn das so wäre, würde der Patient vermutlich gar nicht einwilligen. Die “gleiche Signifikanz” zu erreichen, verstehe ich nicht ganz. Geht man von einem reinen Placeboeffekt aus, ist ja “Signifikanz” (im Idealfall) eben gar nicht zu erreichen – weil es keine signifikanten Unterschiede gibt.

  4. #7 Philippe Leick
    31. Juli 2013

    @ H.M. Voynich: Bei einer guten Studie (RCT) sind alle Placebo- und Nocebo-Effekte zwischen den Gruppen (statistisch) gleichgestellt. Unterschiede in den Ergebnissen der beiden Gruppen sollte man daher mit der spezifischen Wirkung der Therapie identifizieren können. Einen Einfluss der Erwartung (ob jetzt optimistisch oder pessimistisch) auf die notwendige Probandenzahl sehe ich daher nicht.

    Die nötige Probandenzahl kann man abschätzen, wenn man eine Idee davon hat, wie groß der erwartete Effekt ist. Um kleine Effekte dingfest zu machen, braucht es einfach bessere Statistik (mehr Probanden) als bei großen und damit deutlichen Effekten.

    Sicher richtig ist, dass in RCTs Placebo- oder Nocebo-Effekte anders ausfallen als in der Praxis.
    Deren Ausmaß könnte man z.B. durch eine dreigeteilte Studie feststellen. Zwei Gruppen bekommen Globuli (einmal echte Homöopathie, einmal “Placebo-Homöopathie”), wobei allen gesagt wird, es sei echte Homöopathie. Die dritte Kontrollgruppe wird nur beobachtet, d.h. bei ihr zeigt sich der normale unbehandelte Symptomverlauf.

  5. #8 H.M.Voynich
    31. Juli 2013

    Ich weiß, ich sollte meine Gedanken erstmal ordnen, bevor ich zu schreiben anfange, aber ich bin nicht besonders geübt in Statistik, kenne nur so ungefähr die Grundbegriffe und weiß, wie falsch intuitive Vorstellungen sein können. Deshalb frage ich.

    “Aber wieso Nocebo?”

    Angenommen, wir haben einen Wirkstoff, der ganz knapp über Nachweisgrenze wirkt. Wenn man mir nun sagt, daß ich fiftyfifty entweder diesen oder ein Placebo bekomme, dann wird der Wirkstoff bei mir (ausdrücklich subjektiv) vermutlich nicht wirken, weil der Nocebo-Effekt stärker ist. Ich bin eben Pessimist.
    Das scheint bei anderen Leuten anders zu sein, sonst könnten bei solchen Studien gar keine (positiven) Placebo-Effekte auftreten. Die “gemessene” Wirkung wäre immer kleiner als sie tatsächlich ist.

    “Geht man von einem reinen Placeboeffekt aus, ist ja “Signifikanz” (im Idealfall) eben gar nicht zu erreichen – weil es keine signifikanten Unterschiede gibt.”

    Nimm mal als Arbeitshypothese, daß das Mittel eine Wirkung hat, die aber sehr klein ist. Deutlich kleiner als die Stimulierung des Patienten durch einen freundlichen, einfühlsamen Behandler.
    Sagen wir, alle gemessenen positiven Werte des Wirkstoffes gehen zu 80% auf den Placeboeffekt zurück und nur zu 20% auf den tatsächlichen Wirkstoff. Der Unterschied zur Vergleichsgruppe ist dann winzig und schwer nachzuweisen.

    Ich schlage vor, die Gruppenanzahl zu verdoppeln, wobei die Hälfte der Probanden den Homöopathischen Stoff oder eben das Placebo von einem Arzt erhält, der sie nicht berät und sie schnell und kurz abfertigt.

    • #9 Ulrich Berger
      1. August 2013

      Wenn man mir nun sagt, daß ich fiftyfifty entweder diesen oder ein Placebo bekomme, dann wird der Wirkstoff bei mir (ausdrücklich subjektiv) vermutlich nicht wirken, weil der Nocebo-Effekt stärker ist. Ich bin eben Pessimist.

      Das beruht auf einem falschen Verständnis von “Nocebo-Effekt”, denke ich. Der tritt nämlich ein, wenn ich aus irgendwelchen Gründen eine Verschlechterung meines Zustands durch die Mitteleinnahme erwarte. Aber du erwartest als Pessimist ja nur einfach “keine Änderung”, also gibt es auch keinen Nocebo-Effekt, höchstens ein Ausbleiben des Placebo-Effekts. (Oder ist dein Pessimismus so extrem, dass du dir denkst: “Ich krieg sicher das Placebo – und das wird versehentlich vergiftet sein und mich umbringen!“??)

  6. #10 H.M.Voynich
    31. Juli 2013

    Kurz: Angenommen, wir haben einen Wirkstoff, der nur bei 0,1% der Patienten überhaupt anschlägt, aber bei den restlichen 99,9% zumindest keine Nachteile zeigt (ich weiß, die zweite Bedingung ist fast utopisch – aber vorstellbar).
    Ein solches Medikament wäre doch wünschenswert, selbst wenn nur jeder tausendste darauf anspricht können das insgesamt viele, viele Menschen sein – aber mit den herkömmlichen RCT und Fehlerbalken wäre es kaum nachzuweisen, oder?

  7. #11 H.M.Voynich
    31. Juli 2013

    @Philippe:
    “Bei einer guten Studie (RCT) sind alle Placebo- und Nocebo-Effekte zwischen den Gruppen (statistisch) gleichgestellt.”

    Davon gehe ich eigentlich auch erstmal aus. Aber gerade weil, wie gesagt, Statistik oft konterintuitiv ist, finde ich dieses “Axiom” überprüfenswert. Insbesondere wenn es um mystische Wirkungsmechanismen geht. 😉

    Das Problem mit mystischen Wirkungsweisen ist, daß, wenn man ihre Logik nicht versteht, auch alle Schlußfolgerungen, die man mit herkömmlicher (boolscher) Logik aus ihnen zieht, keine Grundlage haben.
    Eigentlich müßte man an dieser Stelle aufhören, denn aus Unbekanntem kann man alles und nichts folgern.

    Aber auch Cantor bekam von vielen Mathematikern einen Vogel gezeigt, als er behauptete, man könne verschiedene Unendlichkeiten voneinander unterscheiden und mathematisch behandeln.
    Und Einstein, Podolsky und Rosen hätten sicher nie gedacht, daß die von ihnen angezweifelte “spukhafte Fernwirkung” mittlerweile nachgewiesen wurde, einerseits dank Bells genialer Ungleichung, aber vor allem auch weil sie tatsächlich existiert. Nicht, weil das Phänomen je zuvor beobachtet worden wäre, sondern weil seine Kritiker zeigten, daß es eigentlich da sein müsste.
    Darin steckt eine herrliche Ironie (nein, mehrere).

    (Disclaimer: nein, das ist kein Galileo-Gambit. Ich bin kein Homöopathie-Verfechter, aber gern des Teufels Advokat.)

    p.s.: die dritte Gruppe ohne Mittel sollte eigentlich auch Standard sein (und ist ethisch gesehen nur 16% problematischer als 50% Placebo), denn vieles geht ja auch nach ein paar Tagen von allein weg. Mal mehr, mal weniger.

  8. #13 H.M.Voynich
    1. August 2013

    Einserseits halte ich Homöopathie – sowohl von der Idee als auch von der Evidenz her – für reine Zeitverschwendung.
    Andererseits kann der latzte Satz nicht stimmen, denn ich und Du und wir alle hier verschwenden eine menge Zeit darauf …
    Also, wenn wir das schon tun, sollten wir es effektiv tun. Dazu muß man sich in die Gegenposition wirklich hineinversetzen, anstatt nur ihre (teilweise offensichtlichen) Angriffspunkte abzuklappern.

    Und am besten auch noch in eine dritte, völlig unabhängige Position, zum Beispiel diese: da Placebos einen signifikanten “Heilerfolg” erzielen, sind sie wünschenswert. Ihr Effekt hängt aber davon ab, daß der Patient nicht weiß, daß es sich um ein Placebo handelt. Um dem Patienten vorzugaukeln, er erhielte tatsächlich einen Wirkstoff, funktioniert nachweislich bisher nichts so gut wie der Preis: umso teurer, umso glaubhafter.
    Damit das teure Placebo besonders effektiv wirkt, darf der Arzt dem Patienten natürlich nicht sagen, daß er ihn gerade voll verarscht hat. Er muß also ganz ernsthaft überzeugt wirken, daß Homöopathie wirkt, auch wenn er es selbst besser weiß.

  9. #14 H.M.Voynich
    1. August 2013

    p.p.s.: Joachim Schulz dröselt auf, warum auch der Versuch, sich in quantentheoretische Erklärungswelten zu retten, von vornherein zum Scheitern verurteil ist, und zwar gleich aus 3 Gründen:
    https://www.scilogs.de/wblogs/blog/quantenwelt/kurioses/2013-07-31/schwache-generalisierung-der-quantentheorie

  10. #15 H.M.Voynich
    1. August 2013

    p.p.p.p.s.:
    Ich korrigiere meine Fehler gerne selbst, bevor es jemand anderes tut. Kritiker können auf so etwas unglaublich lang herumreiten:

    “und ist ethisch gesehen nur 16% problematischer als 50% Placebo”
    Richtigstellung: es handelt sich nicht um 16 Prozent, sondern im Verhältnis zu den 50% Placebo in 2-Gruppen-Studien um ProzentPUNKTE.
    Und wenn ich schon runde, dann sind es natürlich nicht 16, sondern 17, oder genauer 16,666.

  11. #16 H.M.Voynich
    1. August 2013

    pppppps.:
    Um nachzuweisen, daß alle Raben schwarz sind, ist ein einziges grünes Auto ein besseres Argument als eine Millionen schwarzer Raben.
    Glaubt ihr nicht? Ist aber so. Logik ist manchmal lustig. Und das allerbeste daran: dieses Paradox heißt “Hempel”.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Hempels_Paradox

    (so, jetzt geh ich aber wirklich ins Bett. Sorry für das ganze Gelaber, ich möchte nicht trollen, aber gerade die unwahrscheinlichen Fragen interessieren mich.)

    • #17 Ulrich Berger
      1. August 2013

      Um nachzuweisen, daß alle Raben schwarz sind, ist ein einziges grünes Auto ein besseres Argument als eine Millionen schwarzer Raben.

      Glaube ich nicht, und ist auch nicht so. Die Originalformulierung lautet anders. Ist aber auch falsch. (Good hat das bereits 1967 klar gezeigt, nur Hempel hat’s nicht verstanden…)

  12. #18 Gast
    1. August 2013

    @H.M.Voynich
    Ein Medikament das nur bei 0,1% “anschlägt” hat keine Wirkung. Die Tatsache, dass es diesen 0,1% besser geht ist nicht auf das Medikament zurückzuführen. Sprich ohne dieses Medikament würde es diesen 0,1% vermutlich auch besser gehen. Die allermeisten Krankheiten heilen sowieso spontan aus. Wieso sollte ich dann noch ein Medikament geben was nur jedem Tausendsten hilft? Und bei wirklich ernsthaften Erkrankungen setze ich doch lieber Medikamente ein die eine “tatsächliche” Wirkung haben. Und auch bei vielen “ernsthaften” Erkrankungen ist die Spontanheilungsrate deutlich höher als 0,1%. Ergo dieser hypothetische Wirkstoff wäre weder wünschenswert, noch hätte er irgendwelche nennenswerten Effekte außer dem Patienten das Geld aus der Tasche zu ziehen.

  13. #19 enbeh
    1. August 2013

    Wenn ich das richtig verstehe, versuchen die Paper von Beauvais und Almirantis eine Lösung für das Problem zu finden, dass in der Regel der Placebo so gut wie das homöopathische Medikament, bzw. das Medikament so schlecht wie der Placebo abschneidet. Die vorgeschlagenen Modifikationen herkömmlicher Medikamentenstudien sind ja ganz interessant, aber zwei Dinge verstehe ich nicht, und beide kann ich gut an diesem Zitat aus dem Blogpost festmachen:

    „Flüchtige Effekte“, die mit der schwachen Quantentheorie in Verbindung gebracht werden, sträuben sich nämlich gegen kontrollierte Beobachtung oder die immer gleiche Wiederholung eines Versuchs. Sie treten nur auf, wenn die Randbedingungen einen gewissen Neuigkeitswert haben oder die Kontrollen nicht zu streng sind.

    Mir ist unklar:
    1: Auch bei einer üblichen Behandlung außerhalb einer Medikamentenstudie wird der Patient und seine Beschwerden beobachtet. Zumindest Beobachtet der Patient sich selbst, ggf auch der Arzt, die Angehörigen etc. Warum spielt diese Quantenmagie bei der Behandliung keine Rolle, sondern ist nur ein Problem wenn mit wissenschaftlichen Methoden die Wirksamkeit nachgewiesen werden soll?

    2: Warum sind diese “flüchtigen schwachen Quanteneffekte” für die “Schulmedizin” kein Problem? Naja, anders gefragt, denn nicht jedes getestete Medikament erweist sich ja als wirksam: warum kann der Hersteller eines nicht wirksamen Medikamentes nach Schulmedizin sich auch auf diese Quanteneffekte herausreden?

    • #20 Ulrich Berger
      1. August 2013

      Auch bei einer üblichen Behandlung außerhalb einer Medikamentenstudie wird der Patient und seine Beschwerden beobachtet. Zumindest Beobachtet der Patient sich selbst, ggf auch der Arzt, die Angehörigen etc. Warum spielt diese Quantenmagie bei der Behandliung keine Rolle, sondern ist nur ein Problem wenn mit wissenschaftlichen Methoden die Wirksamkeit nachgewiesen werden soll?

      Weil bei der “normalen” Beobachtung nicht festgestellt werden kann, ob es sich bei der Besserung um einen Placeboeffekt oder einen (zusätzlichen) Magieeffekt handelt. Erst wenn man das genauer wissen will und eben wissenschaftlich vorgeht, verschwindet der Magieeffekt. Analogie zum Doppelspaltversuch: Solange ich nur das Interferenzmuster (die Besserung) beobachte, weiß ich nicht, durch welchen Spalt die Teilchen gegangen sind (“Magiespalt” oder “Placebospalt”). Sobald ich beobachte, welchen Spalt es passiert (RCT durchführe), ist das Interferenzmuster weg.

      warum kann der Hersteller eines nicht wirksamen Medikamentes nach Schulmedizin sich auch auf diese Quanteneffekte herausreden?

      Könnte er nach Walach & Co. evtl., falls sein Mittel auch zur Verschränkung führt. Aber dazu müsste er erst einmal nachweisen, dass sein Mittel sehr populär ist und unzählige erstaunlich klingende Heilungen berichtet werden. Das kann er aber nicht, weil sein Mittel ja noch nicht zugelassen ist – Pech gehabt. Da hat die Homöopathie eben die Gnade der frühen Geburt, wenn man so will…

  14. #21 H.M.Voynich
    1. August 2013

    @Gast:
    Achtung, ich meine kein Messergebnis von 0,1%, denn dieses würde halt eh im Rauschen untergehen.
    Ich meine eine hypothetische tatsächliche Wirksamkeit von 0,1% die noch nachzuweisen wäre, was leider gar nicht möglich ist, aber in der Praxis jedem tausendsten Menschen helfen könnte. Was zwar nicht sehr viel erscheint, aber letztlich bis zu Millionen Menschen effektiv betreffen könnte.
    Auch nur einem von tausend Menschen zu helfen ist nicht Nichts!

    • #22 Ulrich Berger
      1. August 2013

      Das ist ein Fall von “Hilft’s nix, so schadt’s nix”, den es tatsächlich geben könnte. Mit normalen RCTs ist da nichts zu machen, weil man zigtausend Probanden bräuchte, um auf eine vernünftige Power zu kommen. That’s life…

  15. #23 CM
    1. August 2013

    @Voynich: Was ist die eigentliche Aussage? Worauf sollen die Posts hinauslaufen?

  16. #24 H.M.Voynich
    1. August 2013

    @Gast: ja danke, ich habs schon beim erstenmal verstanden, vertrete aber weiterhin den Standpunkt, daß auch ein Heilungserfolg mit 0,1% Wahrscheinlichkeit für die betroffenen Personen relevant sein kann und ist.
    In meinem Gedankenexperiment geht es ohne das Medikament niemandem besser und mit ihm exakt jedem tausendsten, per Definition. Wenn Du dem widersprichst, dann machst Du ein anderes Gedankenexperiment als ich.

    Bei allem auch von mir gefröhnten Utilitarismus weigere ich mich weiterhin, die konkreten Situationen der einzelnen Personen, aus denen die Gesellschaft besteht und für die sie da sein sollte, aus den Augen zu verlieren. Einen hypotethischen Wirkstoff mit auch nur kleiner Wirkung für “nicht wünschenswert” zu erklären, nur weil er in der Menge nicht nachweisbar ist, erscheint mir zynisch.

    Ich behaupte ausdrücklich nicht, daß die Homöopathie dazu in der Lage wäre. Ich behaupte, daß Irgendetwas dazu in der Lage sein könnte, wir es aber mit herkömmlichen Methoden niemals finden und nachweisen können.

  17. #25 H.M.Voynich
    1. August 2013

    Huch, Gasts Kommentar erschien bei mir eben noch ein zweites Mal mit der Nummer #24, daher meine etwas harsche Antwort..
    War offenbar nur ein Anzeigefehler, entschuldigung.

    • #26 Ulrich Berger
      1. August 2013

      Ich weiß auch nicht, ob das ein technischer Fehler oder ein Doppelposting war. Es war jedenfalls schon beantwortet und ich hab’s vorhin gelöscht…

  18. #27 CM
    1. August 2013

    Aha, darf ich mal davon ausgehen, dass Du gar keine Ahnung von medizinischer Forschung hast? – das soll keine Beleidigung sein –

    Die Entwicklung von Medikamenten ist *immer* eine Kosten-Nutzen Abwägung. Penkuniär im Sinne der Pharmaunternehmen und auch mit Bezug auf Wirkung und Nebenwirkung.

    Eine globale Wirkungswahrscheinlichkeit von 0.1% ist viel zu klein, um interessant zu sein, zumal der potentielle Patientenschaden auch nicht zu vernachlässigen ist. Und was Du außer acht läßt: Die Prävalenz spezifischer Erkrankungen ist auch <<1.

    Allerdings: Im Sinne personalisierter Medizin können global kleine Effekte wieder interessant werden – nämlich wenn bei einer Patientenpopulation bei der ein Medikament nur selten wirkt, diejenigen, bei denen es wirkt vorab erkannt werden können.

    Insofern fehlt mir an den 0.1% spez. Wirksamkeit vor allem etwas mehr Überlegung, was das Argument eigentlich soll. Siehe Kommentar #23: Ich verstehe immer noch nicht, was womit argumentativ gezeigt / erfragt werden soll.

  19. #28 H.M.Voynich
    1. August 2013

    @CM:
    Jup, darfst Du, fühle mich nicht beleidigt.
    Ich bin ja nur ein Laie, der sich das zum Beispiel so vorstellt: mit der immer einfacheren Analyse des Genoms des Patienten können wir im Prinzip sehr seltene genetische Krankheiten erkennen und vielleicht sogar gezielt behandeln, selbst wenn nur jeder 1.000.000ste Mensch davon betroffen ist. Das Medikament kann dann logischerweise nur bei den sehr wenigen Menschen helfen, die überhaupt von diesem Defekt betroffen sind, aber für die kann es das Leben verändern.

    Prinzipiell lautet die Rechnung, daß alles was eine Wirkung hat, auch eine Nebenwirkung hat, und die Kosten-Nutzen-Rechnung wird dadurch problematisch.
    Aber wir reden ja hier von Homöopathie, und bei der gehen Du und ich davon aus, daß überhaupt nichts da ist, was eine Nebenwirkung erzeugen könnte. Wir könnten also einen Medikamentencocktail aus 100 oder 1000 verschiedenen Globuli verabreichen, und selbst diese (ansonsten unvorhersehbare) Mischung läuft keinerlei Gefahr, irgendwelchen Schaden anzurichten.
    Die Nebenwirkungsfreiheit wäre also a priori gegeben, und das einzige, was zum Seelenfrieden fehlt, wäre irgendeine, wenn auch noch so kleine Heilwirkung.
    Die ist nicht zu erwarten, schon klar. Aber wäre sie es, dann hätten wir eine ganz einfache Kosten-Nutzen-Rechnung.

  20. #29 Dagda
    1. August 2013

    @ H.M. Voynich

    die dritte Gruppe ohne Mittel sollte eigentlich auch Standard sein (und ist ethisch gesehen nur 16% problematischer als 50% Placebo), denn vieles geht ja auch nach ein paar Tagen von allein weg. Mal mehr, mal weniger.

    Das ist ziemlicher Quatsch. Ethisch gesehen sind Placebos schon problematisch, aber Studien bei denen möglicherweise nur 1/3 der Patienten behandelt werden sollten durch keine Ethikkommission kommen. 3 Studiengruppen kann man gelegentlich mal machen, dann z.B. wenn das Studienmedikament oder die Studienprozedur ein add-on zur Standardtherapie ist.

  21. #30 H.M.Voynich
    1. August 2013

    @Dagda:
    Das ist zynisch, aber ist es Quatsch?
    Wenn ich ein Medikament habe, von dem ich glaube, daß es dem Patienten hilft, dann habe ich ein ethisches Problem damit, es nur jedem zweiten Patienten zu geben.
    Aber wenn ich mich schon dazu überwinde, dann macht es keinen wesentlichen Unterschied mehr, ob ich es jedem zweiten oder nur jedem dritten Patienten gebe.

    @CM:
    “Ich verstehe immer noch nicht, was womit argumentativ gezeigt / erfragt werden soll.”

    Ein Anliegen des Gastautors Philippe Leick ist doch, einen Versuchsaufbau zu entwerfen, mit dem alle Seiten einverstanden sind.
    Das wird vermutlich nicht gelingen, die Homöopathen werden immer etwas zu bemängeln haben.
    Sollte aber ein solcher Versuchsaufbau trotzdem möglich sein, dann werde ich ihn nur finden können, wenn ich erstmal voll und ganz in die Gedankenwelt der Homöopathen eintauche. Das ist zwar ein Weg in den Wahnsinn und vielleicht eine Einbahnstraße, aber ich sehe keine Abkürzung.

  22. #31 H.M.Voynich
    1. August 2013

    @Ulrich Berger:
    Danke für die Korrektur zu Hempel, da werde ich den guten Good wohl mal lesen müssen.
    Aber das wird nicht einfach.
    Sind die Aussagen “Alle Raben sind schwarz” und “Wenn etwas nicht schwarz ist, dann kann es kein Rabe sein” denn nicht nur zwei verschiedene Ausdrucksweisen des exakt selben Sachverhalts?

    • #32 Ulrich Berger
      1. August 2013

      Das ist schon richtig, aber die entscheidende Frage ist hier: Welche Beobachtungen “bestätigen” eine Hypothese, und was bedeutet es eigentlich genau, eine Hypothese zu “bestätigen”. Insbesondere sollte man sich fragen, ob es möglich ist, dass eine Beobachtung gleichzeitig zwei Hypothesen bestätigt, die sich aber gegenseitig ausschließen. Wenn man das stringent weiterverfolgt, kommt man auf die Antworten und Lösungen, die Good gegeben hat.

  23. #33 H.M.Voynich
    1. August 2013

    Na wunderbar, dann sind wir ja exakt wieder beim ursächlichen Thema gelandet. 😉

  24. #34 Dagda
    1. August 2013

    @ H.M. Voynich

    Das die Studien größer werden, damit die gefahr steigt, dass sie länger dauern und häufiger an logistischen problem scheitern, auch gibt es ja gefährdungen durch studien: Zusätzliche Diagnostik etc, die dann mehr Patienten betreffen, es ist also sehr zynisch, damit unethisch und damit einfach quatsch

    • #35 Ulrich Berger
      1. August 2013

      Ich bin kein Studienethik-Experte, aber wenn man Placebo und Verum als crossover gestaltet und die unbehandelte Gruppe am Ende auch das Verum bekommt, würde das dann den ethischen Ansprüchen genügen?

  25. #36 Dagda
    1. August 2013

    @ Ulrich Berger

    Hm das ist glaube ich eher egal, das löst ja das Problem der 3 Gruppen nicht.

  26. #37 Philippe Leick
    1. August 2013

    @ enbeh (#19):
    Punkt 2 hatte ich in den Kommentaren zum vorherigen Beitrag beanztwortet (s. 9 und 21

    Punkt 1, das ist die Beliebigkeit, unter der die VQT meines erachtens leidet. Selbstbeobachtung des Patienten ist in den Modellen halt nicht wirklich drin. Aber OK, außerhalb eines RCTs fehlt die Teilung der Gesamtgruppe aller Patienten in die beiden Gruppen Placebo und Verum. Da ist immerhin das Vorbild zu erkennen: Quantenmechanische Verschränkung setzt voraus, dass ein System (gedanklich/physikalisch) in zwei getrennte Teile zerlegt wird. Wobei andersherum Teilung bei weitem nicht immer oder automatisch zu Verschränkung führt, und Verschränkung natürlich auch leicht verloren gehen kann.

  27. #38 CM
    1. August 2013

    … mit der immer einfacheren Analyse des Genoms des Patienten können wir im Prinzip sehr seltene genetische Krankheiten erkennen und vielleicht sogar gezielt behandeln, selbst wenn nur jeder 1.000.000ste Mensch davon betroffen ist. Das Medikament kann dann logischerweise nur bei den sehr wenigen Menschen helfen, die überhaupt von diesem Defekt betroffen sind, aber für die kann es das Leben verändern.
    Nur das ein “Medikament” hierbei kein klassisches Pharmakon ist und die statistische Analyse hierbei subtiel anders aussieht als bei anderen Studien – ich weiß nicht, ob wir dieses Kapitel hier aufschlagen wollen.

    Ein Anliegen des Gastautors Philippe Leick ist doch, einen Versuchsaufbau zu entwerfen, mit dem alle Seiten einverstanden sind.
    Hm, habe das Anliegen eher in der Erläuterung an sich verstanden.

    … Das ist zwar ein Weg in den Wahnsinn und vielleicht eine Einbahnstraße, aber ich sehe keine Abkürzung.
    Na ja, noch mal zurück zum Start: Wenn die VQT lächerlich ist (keine experimentelle Überprüfbarkeit im Sinne der Physik, im Widerspruch zu bisherigen Beobachtungen, immer noch kein wissenschaftlicher Beitrag, der eine Überprüfung im Sinne einer Studie überhaupt sinnvoll machen würde) und die philosophie Annäherung ebenfalls keinen Schritt nach vorne im Sinne der Nicht-Homöopathen darstellt, dann muß man sich eben nicht darauf einlassen. (Wir unterstellen hierbei mal, dass es eine überprüfbare Realität gibt 😉 ).

    Die Frage ist in meinen Augen: Ist was zu dran, woraus man ein belastbares Studiendesign ableiten kann oder nicht? Wenn nein, dann eben nicht.

  28. #39 Philippe Leick
    1. August 2013

    Ein Anliegen des Gastautors Philippe Leick ist doch, einen Versuchsaufbau zu entwerfen, mit dem alle Seiten einverstanden sind

    Schön wär’s. Ich hatte in früheren Arbeiten gefordert, dass Homöopathie-Modelle auf Basis der Verallgemeinerten Quantentheorie überprüfbare Vorhersagen machen müssen, um ernst genommen zu werden. Aus meiner Sicht war der damalige (und ist der heutige) Zustand, dass die Theorie im Nachhinein verwendet werden kann, um sowohl ein experimentelles Ergebnis (negative RCT zum Beispiel) als auch sein Gegenteil (positive RCT) zu erklären.

    Ich sehe mich auch nicht in der Pflicht, Versuchsdesigns mit zu entwickeln, um solche Modelle zu prüfen. Das kann ich auch gar nicht, da ich diesen Modellen ja gerade vorwerfe, keine präzisen Vorhersagen zu treffen, und ich auch keinen offensichtlichen Weg in diese Richtung sehe. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.

    Da gerade zwei aktuelle Arbeiten (eben die hier diskutierten Beiträge) von sich behaupten, geeignete Versuchsmethoden vorzuschlagen, war es andererseits naheliegend, mich damit zu beschäftigen. Ich gebe ja auch zu, die Versuche sind praktikabel und umsetzbar. Nur die Verbindung zur Hypothese ist für mich weit hergeholt – ich würde, unabhängig davon, wie solche Versuche ausgehen könnten, mich schwer damit tun, sie als Bestätigung oder Widerlegung der Hypothese zu sehen.

    Wobei ich ja auch denke, dass es nicht genügend gute Argumente “pro Homöopathie” gibt, um weitere aufwendige Studien zu rechtfertigen. Aber wenn jemand anders das unbedingt fördern oder durchführen möchte: sehr gerne.

  29. #40 Michel
    1. August 2013

    Ist eigentlich jemals ein Homöopath nach einer negativen Studie von seinem Glauben abgefallen? Eher nicht und so wird es auch immer bleiben. Große, aufwändige Studien bzgl. Wirksamkeit von homöopathie bei pipifax-Krankheiten find ich eher uninteressant, aber bei schweren Krankheiten könnte man von Körperverletzung sprechen.

  30. #41 Nordlicht
    2. August 2013

    Hallo,

    als absoluter Laie habe ich mal eine Frage zu dem Thema medizinische Studien. Ich glaube irgendwo gelesen zu haben, dass in Deutschland nur Medikamente zugelassen werden sollen, die entweder besser wirken oder geringere Nebenwirkungen als bereits auf dem Markt befindliche Medikamente haben?
    Da ja die Wirkung des etablierten Medikaments gegenüber keiner Behandlung bekannt ist, kann man da nicht statt gegen eine dritte Gruppe ohne Medikamente die dritte Gruppe mit dem martüblichen Medikament testen und den Rest statistisch zurückrechnen? Das würde zumindest das Ethikproblem lösen?

  31. #42 CM
    2. August 2013

    @Nordlicht: Wie genau eine Studie aufgebaut wird, hängt von ihren Zielen (im statistischen Sinne) ab. Um gegenüber einem etablierten Medikament eine Aussage treffen zu können, wird letztlich auch gegen dieses getestet.

    Mit dem “Zurückrechnen” ist das nicht so einfach: Viele ältere Studien sind nicht nach heutigen Standards gemacht (Stichworte: Studien in Diktaturen, Drittweltländern, mangelhafte Protokolle, etc. – alles Punkte, die das Ergebnis verfälschen können). Zudem gab und gibt es immer noch Studien, die eher Marketingcharakter haben – bei all dem Wulst bleiben oft Zweifel, die nur durch bessere, neue Studien auszuräumen sind. Aber Du hast recht: Prinzipiell besteht die Möglichkeit.

  32. […] Kritisch gedacht ist jetzt der zweite Teil eines Gastbeitrags von GWUP-Mitglied Dr. Philippe Leick zum Thema Homöopathie und schwache […]

  33. #44 Joseph Kuhn
    6. August 2013

    Die Kritik an der Verallgemeinerten Quantentheorie erscheint mir voreilig. Neue Hinweise geben Anlass zu glauben, dass man damit das quantengeografische “Aschaffenburg-Rätsel” lösen kann:
    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2013/08/04/wo-liegt-aschaffenburg/#comment-6343

  34. #45 WolfgangM
    6. August 2013

    Habs bei Teil 1 auch gepostet, aber dieser thread ist aktueller:

    unabhängig von Quantentheorie kann man ja auch mal die physikalische Chemie heranziehen.

    Es erscheint doch denkbar, dass Wasserstoffbrücken in Wasser etwas speichern können- das berühmte Gedächtnis der Homöopathie.

    Und das wurde untersucht- ja die HP hat recht Wasser hat ein Gedächtnis- nur ist es schnell wieder futsch- in ca 50 fsec (das sind 10 hoch minus 15 sek) so schnell kann noch nicht einmal ein fortgeschrittener Alzheimer Patient vergessen. Und für die Laufzeit eines Arzneimittels 50 fsec halt einfach zu kurz.

    Na und das wurde dann auch hochrangig publiziert:

    Cowan ML et al:

    Many of the unusual properties of liquid water are attributed to its unique structure, comprised of a random and fluctuating three-dimensional network of hydrogen bonds that link the highly polar water molecules1, 2. One of the most direct probes of the dynamics of this network is the infrared spectrum of the OH stretching vibration3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, which reflects the distribution of hydrogen-bonded structures and the intermolecular forces controlling the structural dynamics of the liquid. Indeed, water dynamics has been studied in detail5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, most recently using multi-dimensional nonlinear infrared spectroscopy15, 16 for acquiring structural and dynamical information on femtosecond timescales. But owing to technical difficulties, only OH stretching vibrations in D2O or OD vibrations in H2O could be monitored. Here we show that using a specially designed, ultrathin sample cell allows us to observe OH stretching vibrations in H2O. Under these fully resonant conditions, we observe hydrogen bond network dynamics more than one order of magnitude faster than seen in earlier studies that include an extremely fast sweep in the OH frequencies on a 50-fs timescale and an equally fast disappearance of the initial inhomogeneous distribution of sites. Our results highlight the efficiency of energy redistribution within the hydrogen-bonded network, and that liquid water essentially loses the memory of persistent correlations in its structure within 50 fs.

    https://www.nature.com/nature/journal/v434/n7030/abs/nature03383.html

  35. #46 thiassos
    Wien
    21. August 2013

    Das ist doch Alles schon dutzende Male durchgeknetet worden.
    Das eigentliche Problem liegt doch ganz woanders.
    Und zwar in der Ignoranz der Vertreter der Wissenschaft,
    die völlig gedankenlos Wissenschaftlichkeit und
    Heilkunst gleichstellen. Und das ist blanke Esoterik und beweist nur die Unfähigkeit zu denken. Weil denken heißt sich bewusst zu sein des Ausgangspunktes seiner Gedanken. Der in diesem Falle obig genannte Gleichstellung ist.
    Ein Schreck kann heilsam sein, Liebe kann heilsam sein
    sowie jegliche andere seelische Impulse auf einen Menschen und sich gleichzeitig jeglicher Messbarkeit entziehen.
    Das Wesen des Lebens und auch von Krankheit wird sich recht sicher immer im Dunkeln bleiben ungeachtet der riesigen Anstrengungen und gewaltigen Geldmengen die hier verbraucht werden. Lediglich die Auswirkungen auf den Organismus können untersucht werden.
    Und deshalb sollte man so fair sein, der Homöopathie, die sich hauptsächlich auf Erfahrung stützt, ihre Existenz außerhalb der Wissenschaft zugestehen und könnte dann mit Staunen die tausenden Fälle in der sie Wesentliches zur Gesundung von Menschen beigetragen hat, vorurteilslos studieren.
    Aber das ist wohl von einen Dr.Dr. zu viel verlangt.
    Und so werden solche Diskussionen hunderte Male wiederholt mit der einzigen Absicht alles was “nicht wissenschaftlich abgesichert ist” in Grund und Boden zu verdammen.
    Nur ist das fast Alles wovon wir eigentlich leben.
    Denn sie können nach ca. 400 Jahren nicht einmal einen Grashalm wirklich erzeugen. (Einstein)
    Verfälschen ja, aber schöpfen nicht.

    • #47 Ulrich Berger
      22. August 2013

      Versteh’ ich nicht. Bitte alles nocheinmal posten!

  36. #48 rolak
    22. August 2013

    Falls Du der Meinung bist, bei nochmaligem Texten würde thiassos’ Werk verständlicher, Ulrich, befürchte ich, Dich auf eine auf Dich zukommende Enttäuschung vorbereiten zu müssen.

    • #49 Ulrich Berger
      22. August 2013

      Der Meinung bin ich nicht, ich setze nur auf Beschäftigungstherapie.

  37. #50 Adent
    22. August 2013

    Ach herrjeh und nun sowas, lieber Thiassos, wenn du denn mal einen einzigen, echt, nur einen belegten Fall bringen könntest bei dem die HP eine Heilung erzielt hätte, dann könnten wir anfangen zu diskutieren. Aber ich weiß schon was kommt, dem Schwippschwager meiner Halbnichte hats aber geholfen, blah blah, blah.

  38. #51 Dietmar
    23. August 2013

    Na, das reicht ja wohl, um die gesamte Wissenschaft und gesamte Medizin zu verdammen! Der Schwippschwager der Halbnichte!!

    Wen *das* Argument kommt, bin ich von Homöopathie überzeugt.

    Dieser ganze wissenschaftliche Hokuspokus mit Tests und Statistiken und Studien und Denken und so´n Zeugs! Ist doch Esoterik! Reiner Aberglaube!

    WAHAHAHAAAAA!

    *Aluhütchen aufsetz*

  39. #52 Adent
    23. August 2013

    @Dietmar
    Ruhig Brauner ruhig, hier hast ein Zuckerle!

  40. #53 Dietmar
    23. August 2013

    *schnauf-hechel*

  41. #54 Adent
    23. August 2013

    Wiiieeeheeer würde besser passen 😉

  42. #55 HofRob
    25. August 2013

    @thiassos

    Diese “Ihr seid alle blöd”-Kommentare entferne ich jetzt mal temporär. Wenn Sie was produktives loswerden wollen, können Sie sich ja wieder hierher verirren.

    @Rest
    Falls ihr das doch lesen wollt müsst ihr es nur sagen :-). Kann’s mir aber irgendwie nicht vorstellen 😉

  43. #57 Spritkopf
    12. Dezember 2013

    @Thilo
    Ohja, dieses Paper war in der Tat ein Kracher. Homöopathische Studien, die durch Verblindung und die dadurch verursachte linksdrehende Quantenschwurbelung wertlos werden. Kein Wunder, dass Harald Walach dies als die wichtigste Veröffentlichung der vergangenen Jahre ansah.

    Ich warte schon sehnsüchtig auf Beauvais’ nächste Aufsätze mit bahnbrechenden Titeln wie “Kontrollgruppen – überflüssig und schädlich” oder auch “N=1 – ein Plädoyer für kleine Verumgruppen”.