Offenbar fand kürzlich im Geheimen die deutsch-österreichische Bullshit-Olympiade statt. Während die Massenmedien dieses Großereignis glatt verschlafen haben, bietet Kritisch gedacht exklusiv eine aktuelle Zusammenfassung der Ergebnisse des Wettbewerbs.
Bronze: Ö1 für “Lichtquanten im Meersalz”
Der ORF-Kultursender Ö1 brachte gestern einen Beitrag aus der Reihe Ambiente: Ambiente Spezial: Zwischen zwei Meeren. Eine Ö1 Studienreise durch West-Sizilien von Christina und Martin Höfferer. Redaktion: Ursula Burkert. Ab Minute 11:32 erklärt die Sprecherin den Vorteil von an der Wasseroberfläche auskristallisiertem Meersalz gegenüber herkömmlichem Steinsalz, den “geophysikalische Untersuchungen” gezeigt hätten. Ab 11:55 lässt sie den Hörer wissen:
Überdies sind aufgrund wochenlanger intensivster Sonnenbestrahlung bei Sonnenhochstand über 45 Grad sehr hohe Mengen von Lichtquanten im Meersalz gespeichert. Diesen Lichtquanten wird eine Heilwirkung zugeschrieben.
Man beachte, dass der erste Satz – im Gegensatz zum zweiten – als Tatsache präsentiert wird, nicht als Zitat oder als Zuschreibung durch irgendwelche Esoteriker. Eigentlich sollte man bei Ö1 ein Mindestmaß an naturwissenschaftlicher Allgemeinbildung erwarten dürfen. Dazu gehört das Wissen darum, dass die Vorstellung von Kristallen, die Lichtquanten, also Photonen, speichern, fast ausschließlich in Esoterikkreisen beheimatet ist. (Der relativierende Zusatz “fast” ist der ziemlich aufwändigen echten “Lichtspeicherung” in Kristallen geschuldet.) Und selbst wenn man diesen Unsinn von der Lichtspeicherung im Meersalz glauben wollte: Na und? Wer seinem Körper unbedingt Lichtquanten zuführen will, der soll sich bitte in die Sonne legen!
Aber die eigentlich interessante Frage ist: woher stammt der Quatsch? Auch Ö1-Redakteure pflegen sich den Eso-Humbug nicht aus der Nase zu ziehen. Da wird beinhart recherchiert! Aber wo? Ein Hinweis darauf ergibt sich aus der präzisen Angabe des notwendigen “Sonnenhochstand über 45 Grad“. Googeln wir ‘mal nach diesen Worten: Sonnenhochstand über 45 Grad. Voilá: schon haben wir die mutmaßliche Quelle. Denn diese Angaben finden sich online ausschließlich auf den Webseiten eines deutschen Jakob-Lorber-Freunds und Chemtrails-Warner. Ö1-Redakteure recherchieren ihre Weisheiten also mitunter in der Szene der Chemtrail-Spinner, wer hätte das gedacht?
Silber: Prof. Helmut Hartl für die erste vollesoterische Handy-App
Der Botaniker Helmut Hartl war bis zu seiner Pensionierung ao. Prof. an der Uni Salzburg. Jetzt ist er dort immer noch als Lektor tätig. Aber das wirft nicht viel Geld ab. Macht aber nix, denn Hartl ist zum Glück auch ein großer Erfinder! Kürzlich hat er die erste vollesoterische Handy-App erfunden. Die funktioniert so: Hartl hat – natürlich in mühsamer, jahrelanger Forschungsarbeit – die “Informationen” von Heilpflanzen ausgelesen, gespeichert und digitalisiert. Die herbaro-App macht daraus Lichtimpulse, die man sich via Handy-Display auf die Haut strahlen lassen kann, wenn man irgendwo ang’rennt ist. Das, so Hartl und die Firma Herbaro, steigert dann das Wohlbefinden. Das von Herrn Hartl bestimmt!
Gold: Stephan Rädler & Anja Kreinest für ihre innovative Methode der Wasserbelebung
Die Vergabe der Goldmedaille war eine harte Nuss, denn einige Juroren meinten anfangs, das sei so blöd, dass es sich nur um Satire handeln könne. Ist es aber nicht. Die Heilpraktiker Stephan Rädler & Anja Kreinest bieten gegen einen “finanziellen Ausgleich” von € 280,- aufwärts die Installation von “Quanten-Quell-Wasser” an.
Quanten-Quell-Wasser wurde 16 Jahre lang von einem Münchener Quanten-Physiker entwickelt […] Wenn normales Leitungswasser durch ein installiertes Quanten-Wasser-Feld (QW-Feld) fließt, wird es blitzschnell zu Quanten-Wasser umstrukturiert. […] Das Leitungswasser wird physikalisch und molekular anders strukturiert (Cluster oder Flüssigkristalle) und es bekommt einen sehr hohen Photonen-Überschuss. Dem Körper geben diese zusätzlichen Photonen über das Trinken des Quanten-Wassers vermehrte Lebensenergie.
Unglaublich, aber sicher wahr! Denn: können diese Augen lügen? Na eben. Die Erfindung und der Vertrieb eines 08/15-Wasserbelebers, garniert mit ein wenig Quantenquatsch, gehört in der Voodoo-Technik allerdings zur Basisausstattung jedes Branchenmitglieds und rechtfertigt noch lange keine Goldmedaille. Was das Heilpraktikerpaar auszeichnet, ist die innovative und extrem ressourcensparende Logistik, die hinter der Wasserbelebung steckt:
Alles, was wir für die Erst-Installation benötigen, ist ein Foto des Haupt-Wasser-Anschlusses. Die Installation lässt sich über das Bewusstsein und das QW-feld durchführen, ohne persönlich vor Ort sein zu müssen. Bestes Beispiel: Installation des Feldes auf einen Wasserturm in Indien von Deutschland aus. Wirkung: unmittelbar spürbar, dankend angenommen von den Bewohnern dort.
Deutsche Heilpraktiker fern-beleben indisches Wasser mit Quanten. Das nenn’ ich mal eine anständige Entwicklungshilfe! Die hochverdiente Goldmedaille wird den glücklichen Gewinnern in Kürze zugechannelt – wenn sich nicht noch in letzter Minute herausstellt, dass es sich doch nur um ein geschicktes Satireprojekt handelt. Denn immerhin geben die Heilpraktiker an, ihre Praxis liege in “Vlotho bei Bielefeld”. Ich meine … ausgerechnet Bielefeld?
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