Harald Walach, der am IntraG eingesetzte Professor, machte schon wenig später Schlagzeilen, wenn auch nicht die, die er sich gewünscht hätte. Von “Aberglaube” war die Rede, von einem “Rückfall ins Mittelalter”, von “Hokuspokus” und von “Spinnern”. Das böse Wort vom “Hogwarts an der Oder” machte die Runde. Durch vehemente Kritik des Wissenschaftsbloggers Florian Freistetter sowie aus den Reihen der Skeptiker, die sich in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) zusammengeschlossen hatten, waren die Medien auf die seltsamen Vorgänge am IntraG aufmerksam geworden: Walach hatte einen UFO-Forscher und Esoterik-Autor zum wissenschaftlichen Mitarbeiter bestellt, ein Tierarzt und astrologischer Lebensberater wurde zum Gastprofessor ernannt und ein neues Lehrmodul über “Energiemedizin” war bereits in Planung. Orgon-Therapie, Radionik und Bioresonanz standen dort auf dem Programm; der Kooperationspartner, ein Verein von Alternativmedizinern, hatte neben der “Physik der Feinstofflichkeit” auch “Global Scaling” im Angebot, ein betrügerisches Verfahren, dessen Erfinder wenig später zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Vom Energiemedizin-Modul nahm man rasch wieder Abstand, doch kurz darauf wurde eine am IntraG angefertigte Masterarbeit öffentlich bekannt, in der ein Berliner Orthopäde mit Hilfe von Alu-Dosen Belege für Hellseherei gefunden haben wollte und vom “Kontakt mit Verstorbenen” auf der Basis einer Theorie von “Zeitwellen” schwadronierte. Wenig später empfahl die zuständige Hochschulstrukturkommission die Schließung des Instituts sowie die Einstellung des Masterstudiengangs. Die Europa-Universität hat sich bislang noch nicht dazu durchringen können.
Seit einigen Wochen steht nun das oberbayerische Traunstein im Licht der Öffentlichkeit. Dort soll im Herbst der deutschlandweit erste BSc-Studiengang in Homöopathie starten. Die Initiative dazu stammt von der Europäischen Union der Homöopathie (EUH), angeboten wird das Studium über das Steinbeis-Transfer-Institut EUH, eine Einrichtung der privaten und staatlich anerkannten Berliner Steinbeis-Hochschule. “Klassische Homöopathie auf Hochschulniveau” soll in Traunstein in Zukunft betrieben werden, für viele Beobachter ein Widerspruch in sich. Aber nicht nur, dass an einer Hochschule Homöopathie gelehrt werden soll, erbost die Kritiker. Als besonderen Affront empfinden viele es, dass man sich für die geistlose Beschäftigung mit esoterischer Hokuspokus-Medizin ausgerechnet mit einem Titel schmücken dürfen soll, der den englischen Ausdruck für Wissenschaft enthält.
Ein eigenständiges Homöopathie-Studium gibt es in Österreich bisher noch nicht. Doch auch hierzulande hat die Kugerl-Lehre eine universitäre Nische gefunden. An der Medizinischen Universität Wien etwa wird seit Jahren regelmäßig ein Wahlfach Homöopathie angeboten. Auch die Veterinärmedizinische Universität hat einen entsprechenden Kurs im Angebot. Durchgesetzt hat das die Studenteninitiative Homöopathie (SIH), die seit eineinhalb Jahrzehnten daran arbeitet, eine “wissenschaftliche Homöopathie-Ausbildung” an den Universitäten zu etablieren. Im Vorlesungsmanuskript zu einer Unterrichtseinheit mit dem programmatischen Titel “Homöopathie und Evidence-based Medicine – Kein Widerspruch!” werden konsequenterweise auch die ersten zehn Seiten der Thematik Homöopathie und Wissenschaftlichkeit gewidmet. Das mündet auf Seite 11 in die fettgedruckte Konklusio “Homöopathie ist eine Wissenschaft!” – Rufzeichen inklusive. Dennoch bietet sich auch hier das gewohnte Bild: Die homöopathische “Wissenschaft” beschränkt sich hauptsächlich darauf, jene Metaanalysen zu kritisieren, die der Homöopathie lediglich
Placebowirkung attestieren, und einzelne positive Studien zu zitieren, die angeblich beweisen würden, dass Homöopathie trotzdem wirkt. Dazu gehört auch jene im “Wissenschaftsskriptum” der SIH zitierte Studie aus dem Jahr 2004, die einen Einfluss von unendlich verdünntem Belladonna auf ein Stück Rattendarm in vitro nachgewiesen zu haben meinte. Die schwer fehlerhafte Studie war zwar bereits 2005 zurückgezogen worden, diente den Homöopathiefreunden an der Medizinischen Universität Wien aber noch Jahre später als Beleg für die Wirksamkeit geistartiger Arzneikräfte.
Auch an der Donau-Universität Krems wird die Lehre von den Zuckerkügelchen zwar nicht erforscht, dafür aber fleißig unterrichtet. Der Lehrplan des seit neun Jahren bestehenden dreisemestrigen MSc-Lehrgangs namens Natural Medicine verspricht für € 6.000,- “praktisches Arbeiten mit betreutem E-learning” in Homöopathie und weiteren komplementärmedizinischen Methoden. Der Lehrgangsleiter ist nicht nur homöopathischer Arzt, sondern auch Energetiker und Autor eines Büchleins über “Heilsame Schwingungen”. Die Homöopathie ist das Flaggschiff der Alternativmedizin, doch beileibe nicht die einzige Vertreterin dieser Gattung, die in die Universitäten drängt. In Wien war von 2003 bis 2009 die TCM Privatuniversität Li Shi Zhen mit Bachelor- und Masterstudiengängen u.a. in Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) und in Akupunktur aktiv. Einen viersemestrigen TCM-Lehrgang um € 7.900,- findet man auch an der Donau-Uni Krems. In Kärnten wiederum dachte man gar an die Gründung einer Privatuni für Tibetische Medizin. Das Problem der TCM ist ähnlich gelagert wie das der Homöopathie: Die gar nicht so traditionelle, in den 1950er Jahren von Mao Tse-tung zusammengebastelte Variante der chinesischen Medizin hat keine an die modernen Naturwissenschaften anschlussfähigen theoretischen Grundlagen, die man sinnvollerweise lehren oder lernen könnte. Stattdessen werden die fernöstlichen magisch-mystischen Lehren von der “Lebenskraft” Qi und das von der wissenschaftlich orientierten Medizin mangels Existenznachweis längst ad acta gelegte Meridiansystem studiert. Wissenschaftliche Forschung im Bereich der TCM wurde weder von der TCM-Privatuni noch von der Donau-Uni Krems in nennenswertem Umfang betrieben. Dabei wäre genau dies die einzige angemessene Herangehensweise an die TCM. Wie das gehen kann, macht etwa die Medizinische Uni Graz vor, wo man ein TCM-Forschungszentrum betreibt, aber nicht den Fehler macht, Akupunktur gleich in der Lehre anzubieten.
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