Anfang März erschien, wie ich berichtet hatte, im Falter der ausführliche Artikel von Krista Federspiel zum “Hokuspokus an Wiens Boku”. Die noch ausführlichere – weil ungekürzte – Originalversion gibt es hier exklusiv für Kritisch-gedacht-Leserinnen und -Leser:
================================================
Esoterik und Pseudowissenschaft an der Universität für Bodenkultur
Krista Federspiel
Erdstrahlen, belebtes Wasser, Chakrenanalyse: Auf den akademischen Feldern der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) sprießt auch wissenschaftliches Unkraut.
Wachsen Pflanzen besser, wenn ihr Gießwasser Mozart gehört hat? Studierende mit einem Hang zu New Age und Esoterik sind an der Boku offenbar gut aufgehoben. Da liest man zum Beispiel verwundert in einer älteren Diplomarbeit, betreut von Prof. Jürgen Friedel vom Institut für ökologischen Landbau, über den „Einfluss informierter Wässer auf Wachstum und Ertrag von Hafer und Erbse“. Die Information entstammte Quellwasser und heiligem Wasser aus Mariazell sowie Leitungswasser, in das ein Glasstab mit „informiertem“ Quarzsand getaucht wurde. Jeweils ein paar Tropfen davon kamen in die Behälter mit Gießwasser. Dabei wurden für die drei Behälter „größtmögliche räumliche Entfernungen eingehalten, um eine Informationsübertragung zu verhindern“. Je zwölf Pflanzen wurden damit gegossen. Ob damit deren Vitalität und Ertrag verbessert werden können, wurde mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden wie Biophotonen und Bioresonanz, wie die „informierten“ Hafer auf Menschen wirken, wurde mit einer alternativen Diagnostik namens Elektroakupunktur nach Voll EAV kontrolliert. Fazit: „Es gab wenige signifikante Resultate“, aber: es wäre eine „größere Wiederholungszahl empfehlenswert… Das gilt generell für Versuche zu ‚feinstofflicher’ Thematik.“ Dazu will die Autorin Prinzipien der Wissenschaft aushebeln: „jene Sorten auswählen, die am stärksten auf verschiedene Wasserbehandlungen ansprechen“ und z.B. nach einer Idee des Esoterikers Masaru Emoto Wässer mit verschiedenen Musikstücken bespielen. Unterstützt wurde diese esoterische Arbeit durch Prof. Herbert Klima, einst am Atominstitut der Technischen Universität Wien tätig. Klima, der bereits mehrfach wegen seiner esoterischen Ideen in die Kritik kam, führt auch eine private „Akademie für Holistische Kultur“, an der die inzwischen emeritierte Boku-Professorin Karoline Jezik seine Stellvertreterin ist.
Seltsame Messmethoden, seltsame Präparate
Jezik hat am Institut für Garten- Obst und Weinbau einige Arbeiten betreut, bei denen mit seltsamen Messmethoden unkonventionelle Präparate untersucht wurden. Mittels Biophotonen bestimmte etwa ein Dissertant den „Einfluss Effektiver Mikroorganismen als Pflanzenstärkungsmittel auf Qualitätsparameter von Tomaten“. Die eingesetzten Gesteinsmehl-Mittel gelten als fragwürdig, trotzdem sollen die damit behandelten Pflanzen einen „höheren Ertrag marktfähiger Früchte“ erzielt haben.
Eine Kollegin hatte ihren Doktortitel bereits ein paar Jahre zuvor mit „Untersuchungen des Einflusses pflanzenstärkender Mittel auf Wachstum, Ertrag und Qualität gärtnerischer Nutzpflanzen“ erworben. Dabei hat sie mittels Biophotonen eine Reihe fragwürdiger Produkte untersucht: Vit-Theragon-Mittel; ein bio-dynamisches Hornmist-Präparat (Kuhhörner, gefüllt mit Kuhmist, werden in der Erde eingegraben, eine Praxis aus der magisch-anthroposophischen Landwirtschaft); ein Kräuter-Kuhdung-Präparat nach Gildemeister sowie Schachtelhalmtee und Granderwasser. Letzteres führte übrigens zu einem „deutlich schlechteren Ertrag“– andererseits könnte, „aufgrund der durchgeführten Berechnungen angenommen werden, dass die mit Grander-Wasser behandelten Pflanzen“ mit einer Tröpfchenbewässerung „bedeutend besser abgeschnitten hätten“. Wissenschaft im Konjunktiv. Die Autorin stufte Vit-Theragon als besonders wirkungsvoll ein. Sie wird wie ihre Betreuerin Prof. Jezik aktuell als „Unterstützerin“ am „Institut für bioenergetische Zellresonanz“ geführt – einer Einrichtung der Firma, die das Wundermittel erzeugt.
Unter Jeziks Ägide entstand auch die Diplomarbeit mit dem Titel „Chromatest zur Differenzierung unterschiedlicher Stärkungsmittelanwendungen bei Tomaten“, wobei es sich um den wissenschaftlich nicht anerkannten, anthroposophischen Test nach Pfeiffer handelt. Eingesetzt wurden ausschließlich alternative Mittel, wie biologisch-dynamische Präparate, ein Kuhdung-Präparat, Granderwasser und ein ‚Biophotonen-Schwingungsverstärker’. „Zwischen den Pflanzenstärkungsmitteln zeigten sich jedoch nur feine Abstufungen in den Strukturen der Chromas.“ Ergebnis: gleich Null.
Prof. Jezik betreute auch die Diplomarbeit über „Mögliche kosmische Einflüsse des Mondes auf den Anbau von Radieschen, Karotten und einjährigem Sonnenhut…nach Maria Thun“. Es wurden Anbauvarianten bei aufsteigendem und absteigendem Mond, Neumond und Vollmond untersucht. Dabei hat sich Thuns Mondkalender zwar nicht bestätigt, „…dennoch muss festgehalten werden, dass ein lunarer Einfluss nicht komplett widerlegt werden kann. Es spielen vermutlich weit mehr Faktoren (astrologische und astronomische Interferenzen) eine wesentliche Rolle, die für Nichtexperten nicht einfach zur durchschauen sind.“ Die Autorin der Mondarbeit ist heute als Expertin bei Greencare in der Wiener Landwirtschaftskammer tätig.
Die letzte Dissertation, die Jezik betreute, beschäftigt sich mit der „Bioelektronik nach Vincent“, einer pseudowissenschaftlichen Diagnosemethode aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Dissertation ist in der Bibliothek nicht verfügbar; sie ist bis 2015 gesperrt. Nicht einmal den Abstract darf man lesen. Eine eigentlich unzulässige Praxis – in der Branche der Technoesoterik ist das meist ein Hinweis darauf, dass einem Geldgeber die Resultate nicht gefallen haben.
Derzeit arbeitet Prof. Jezik an einer Untersuchung mit „singenden“ Pflanzen: „Mit Elektroden wird ein Sythesizer an der Pflanze angebracht; die elektromagnetischen Schwingungen, die sie aussendet, werden in Töne umgesetzt – so können wir sie hören. Werfe ich der Pflanze eine Decke über den Kopf, hört sie auf zu singen. Schneide ich daneben ein andere ab, geht es ihr schlecht und sie singt in tieferen Tönen; gieße ich sie, singt sie höher, weil ich ihr etwas Gutes tue. Wir wollen viele Wiederholungen machen, um die Kommunikation von Mensch und Pflanze aufzuzeigen. Ich glaube, dass Pflanzen fühlen und denken können.“
Prof. Thomas Prohaska und Prof. Gerhard Stingeder von der Abteilung für Analytische Chemie betreuten vor einigen Jahren die Dissertation „Investigation of human biomonitoring of heavy metal mobilization…“, in der u. a. die „Ausleitung“ von Schwermetallen durch homöopathische Arzneimittel gemessen wurde. Dies ist zwar grundsätzlich nicht möglich, die Autorin fand aber angeblich trotzdem einen Effekt – wahrscheinlich zur Freude des Ludwig Boltzmann Instituts für Homöopathie, das die Arbeit gefördert hatte. Ein Teil der Dissertation wurde sogar in einer Fachzeitschrift publiziert, dort allerdings ohne den homöopathischen Unsinn.
Ein funktionsloses Gerät zur Mauertrockenlegung war Gegenstand einer Diplomarbeit, die sich über acht Jahre erstreckte. Stellt man ein Entfeuchtungsgerät auf den Kopf, so muss es be- statt entfeuchtend wirken, so die messerscharfe Logik des Erfinders. Unter der Anleitung von Prof. Winfried Kronberger vom Institut für Botanik beforschte ein Student also den „Einfluss des Aquapol-Geräte-Wirkfeldes auf Pflanzen“. Die kruden Fantasien des Erfinders über „gravomagnetische Wellen“ wurden in der Diplomarbeit brav nachgebetet. Da die Laborversuche nicht die gewünschten Resultate brachten, ging man ins Freiland. Dort war der erste Versuch so ermutigend, dass die Firma Aquapol jahrelang mit einem „Zwischenbericht“ Werbung machte.
Unter der Leitung von Prof. Manfred Lexer vom Institut für Waldbau schloss sich sogleich ein Boku-Forschungsprojekt zur selben Thematik an. Fünf Jahre später wurde es beendet und die Diplomarbeit fertig gestellt. Fazit der Arbeit: Nix Genaues weiß man nicht.
Um das klarzustellen: Selbstverständlich lassen sich auch Nonsense-Produkte und esoterische Ideen mit seriösen wissenschaftlichen Methoden untersuchen. Bei den hier erwähnten Studentenarbeiten ist dies aber nicht der Fall. Dabei wurden nämlich systematisch und kritiklos esoterische und unsinnige Vorstellungen übernommen und oft pseudowissenschaftliche Untersuchungsmethoden angewendet, die sich für die Klärung der Fragestellung nicht eignen. So wird mit einem Eso-Schmafu (Biophotonen, EAV-Test usw.) ein anderer Eso-Schmafu (informiertes Wasser, Wundermittel usw.) bestätigt. Die so erhaltenen wertlosen Daten werden dann je nach vorgegebenem esoterischem Weltbild interpretiert. Die Verantwortung dafür tragen die Professorinnen und Professoren.
Gutachten für esoterische Produkte
An der Boku werden aber nicht nur pseudowissenschaftliche Studentenarbeiten durchgewunken, sondern viele Lehrende selbst erstellen auch Gutachten zu fragwürdigen esoterischen Produkten, die durchwegs zu für die Auftraggeber erfreulichen Resultaten führen. An Prof. Jeziks Institut z.B. entstand ein positives Gutachten zum „Lichtquantenpulver“ der Marke Helioda. Das Gesteinsmehl wurde mit einer UV-Lampe bestrahlt, danach seine Photonenabstrahlung gemessen. Im Vergleich mit unbehandeltem Gesteinsmehl soll es bei nachfolgender Fourieranalyse eine „klare deutliche, eindeutige Ringstruktur“ gezeigt haben, die auf die „harmonische Struktur“ des Wundermittels hinweise. Verfasst wurde das Gutachten von Prof. Klima und Werner Stumpf von der Abteilung für Gartenbau.
Prof. Rudolf Leitgeb vom Institut für Tierernährung wiederum meint zu den Versuchen mit einem so genannten Wasserbeleber, es könne der Schluss gezogen werden, dass Aqua Power-Joint.…den wirtschaftlichen Ertrag der Hühnermast verbessert.“ Prof. Wilhelm Knaus vom Institut für Nutztierwissenschaften ergänzt: Durch den Einsatz des Wasserbelebers seien signifikant weniger „Broiler-Elterntiere (Hennen)“ ausgefallen. Und er meint, dass „die Aufnahme von belebtem Wasser einen positiven Effekt hatte.“
Durch „Einfluss von ‚Energetisiertem Wasser’ auf Apfelbäume“ ist laut Prof. Herbert Keppel von der Abteilung Wein- und Obstbau ein „höherer Einzelbaumertrag“ zu erwarten. Und er fand die „geringsten Fruchtschorfwerte“. Und laut Prof. Jezik sind Spinat und Salat nach dem Gießen mit belebtem Wasser „ernährungsphysiologisch besser zu bewerten als jene Produkte der Leitungswasser-Variante“. Esoterischer Humbug mit Boku-Gütesiegel also.
Verwerfungen
Seit vielen Jahren ist an einigen Boku-Instituten offenbar der Glaube an Geomantie etabliert, mit all den Behauptungen von Wasseradern, Erdstrahlen, Störzonen, Hartmannlinien und Gitternetzen. Und das, obwohl diese – wie auch die angeblich besonderen Fähigkeit von Radiästheten, die solche Phänomene beim „Muten“ finden – wissenschaftlich noch nie bewiesen wurden. Trotzdem hat bisher niemand von der Universität gegen diese Pseudowissenschaft auf akademischem Boden etwas unternommen.
Prof. Keppel betreute vor einigen Jahren eine Diplomarbeit über den „Einfluss von radiästhetisch gemuteten Mikrostandorten auf die Vitalität von Erdbeeren“, in der Biophotonen und der ebenfalls fragwürdige P-Test zum Einsatz kamen. Fazit: „Es konnte … festgestellt werden, dass radiästhetische Strahlungen…je nach radiästhetischer Polarität und Intensität … die biologische Wertigkeit steigern oder senken können.“ Aha.
Geomantie hat auch zu „Ferkeleien“ geführt: Schon vor zehn Jahren hatte eine Studentin in ihrer Diplomarbeit am Institut für Nutztierwissenschaften versucht zu klären, ob „Wasseradern, und vor allem ihre Kreuzungspunkte“ das Verhalten von Sauen beeinflussen und sie dazu bringen, bestimmte Plätze für das Abferkeln zu meiden. Zu diesem Zweck hatte die von Prof. Sigurd Konrad betreute Diplomandin ein Freigehege durch einen Rutengeher untersuchen lassen und sechs Sauen beobachtet. Die Autorin konnte die Frage letztlich aber nicht beantworten.
Ihre erstaunliche Feststellung, dass hier weitergeforscht werden solle, setzte eine Kollegin am Institut für Landtechnik in die Tat um. In einer von Elisabeth Quendler betreuten Diplomarbeit setzte sie gleich drei Radiästheten ein, die ihre Geräte nicht nur über den Abferkelboxen eines Schweinezentrums, sondern auch über dem Plan (!) der Anlage schwingen ließen. Es „wurde geprüft, ob radiästhetische Strahlen einen Einfluss auf die abgesetzten Ferkel, auf die Gesamtverluste…, auf das Ferkel- und Wurfabsetzgewicht…“ usw. haben, und ob „die Bewertungen der einzelnen Radiästheten reproduzierbar sind.“ Um es kurz zu machen: Sind sie nicht. Sie „differierten stark“ und es konnte „kein direkter Zusammenhang zwischen den Mutungen und den tatsächlichen Leistungsdaten“ gefunden werden. Trotzdem fordert die Autorin, es sollten „mehr Radiästheten zu Rate gezogen werden.“
Feinstoffliche Qualitäten
Aberglaube ist offenbar nicht auszurotten, besonders wenn er wohlfeil ist: So war etwa 16 Jahre lang die Wahlvorlesung über Radiästhesie des Lektors Max Götz bei Studenten äußerst beliebt, konnte man damit doch „billig“ Punkte erwerben. Vizedirektor Prof.Josef Gößl, zuständig für die Forschung, kannte nach eigener Aussage den Lehrbeauftragten allerdings nicht. Dr. Götz’ akademische Karriere basiert zur Gänze auf dem Aberglauben der Wünschelrute. Unter der Betreuung des inzwischen emeritierten Prof. Adolf Zaussiger wurde er vom Radiästhesie-Diplomanden zum Radiästhesie-Doktoranten und schließlich Radiästhesie-Lektor. Und niemand hat ihm Einhalt geboten. Die einzige nachweisbare Verwerfung, die sein Einsatz hinterlässt, ist die des Wissenschaftsbetriebs.
Gerda Schneider, Leiterin des Instituts für Landschaftsplanung, betreute eine 2010 fertig gestellte Diplomarbeit, in der die „Koinzidenz der Bau- und Freiraumstrukturen mit Strukturen der Erdkräfte…“ verglichen werden. Dabei unterscheidet die Autorin „links- und rechtsdrehende Orte“. Links wirke negativ, rechts positiv. Allerdings wirke sich „zu langer Aufenthalt auf ‚positiven’ Zonen auf den menschlichen Organismus ebenfalls negativ aus.“ Interessant. Später widerspricht die Autorin sich selbst, man müsse einen „Platz zur kreativen und geistigen Arbeit…auf einem positiven, linksdrehenden Ort einrichten.“ Sie meint überdies, dass Kreuzungen, Wasseradern und Verwerfungen „gut für den Kompost“ seien. Wünschelrute und Pendel ermöglichen ihr „intuitive Wahrnehmung feinstofflicher Qualitäten“. „Feinstofflich“ ist in der Welt der Esoteriker alles, was sich nicht messen oder anderswie nachweisen lässt. Derzeit arbeitet die Autorin an einer Dissertation mit dem gleichen Titel „Gartendialoge“, also quasi an einer Fortsetzung des Unsinns. Wiederum mit Radiästhesie, doch diesmal mit einer winzigen Distanz, denn Radiästhesie sei „männlich“ und gebe „nur einen unzureichenden Einblick auf die Vielfalt der Erdkräfte“.
Störzonen wohin man schaut
Am Institut für Landschaftsarchitektur ist die Geomantie fest etabliert. Diese esoterische Lehre schreibt der Erde und dem Raum energetische Kräfte zu, die auf den Körper wirken sollen – allerdings sind diese Kräfte nicht bewiesen. Geomantie ist Grundlage einiger Forschungsarbeiten von Prof. Erwin Frohmann und mancher seiner Diplomanden. Frohmann verfasste geomantische Gutachten, wie etwa 2004 für das „Haus der Zukunft in Bregenz“, gefördert vom Bundesministerium für Verkehr und Forschung. Darin wollte er „die mehrdimensionale Qualitäten des Projektgebietes“ erfassen, zur „Bewusstseinsarbeit mit geomantischen Qualtiäten im städtischen Raum“.
Gefördert vom Wiener Wirtschaftsförderungsfonds untersuchte er 2006 „Landschaftsstruktur und Geomantie am Beispiel des Stadtentwicklungsprojekts Flugfeld Aspern, Wien“. Mit dieser „Raumanalyse“ will er einen „Beitrag zur Stabilisierung und Stärkung der Lebenskraft des Projektgebietes“ leisten. Im Prospekt der Gemeinde Wien zur „Seestadt Aspern“ ist dazu zu lesen, man hätte bei der Planung „Geschichten“, u. a. Geomantie diskutiert.
Aus dem Jahr 2005 stammt Frohmanns Publikation über „Schönbrunn. Eine vertiefende Begegnung mit dem Schlossgarten“, in der vom kabbalistischen Lebensbaum die Rede ist, und davon, dass sich entlang der Hauptachse des Schlossgartens geomantisch und energetisch das Chakrensystem des Menschen offenbart.
Im Auftrag der Steiermärkischen Landesregierung untersuchte Frohmann 2007 die „Geomantie im steirischen Vulkanland“. Koautor ist der Geomant Christian Krotschek, der u. a. die Science-fiction-Medizin der „Quanten-Heilung“ lehrt. Das Buch postuliert: „Das geomantische Kosmos-, Welt- und Menschenbild überwindet die vorherrschende Programmatik, stärkt unsere Wurzeln in Mutter Erde, belebt Beziehungen und vermittelt Sinn.“
Es ist fragwürdig, dass öffentliche Gelder für solch pseudowissenschaftliche Projekte ausgegeben werden, die eher der Tourismuswerbung als neuen Erkenntnissen dienen. Esoterik erhält damit den Anstrich von Seriosität, und esoterische Ideologien können sich wie Unkraut auf dem Boden der Gesellschaft verbreiten.
Prof. Frohmann leitet gemeinsam mit seiner Frau das private „Institut für Raum und Mensch“ in Graz, wo die Radiästhesie sozusagen vergeistigt wird: Man bietet Vorträge über „Kosmogramme“ an oder über „Elementarwesen – Die Seele der Erde“. Hier werden angehende Muter darin ausgebildet das „Wahrnehmungspotenzial auf die vitalen und seelisch-geistigen Qualitäten des Lebens zu erweitern und das Verständnis für die persönlichen und erdbezogenen Lebensprozesse zu vertiefen.“ Einer der Mitarbeiter ist der New-Age-Geomant Marko Pogacnik, der durch Steinsetzungen die „Erde heilen“ will.
Solche Ideen verbreitet Frohmann auch an der Universität. Schon 2001 hatte er die Diplomarbeit „Geomantie in der Freiraumgestaltung, am Beispiel des Morzinplatzes in Wien“ unterstützt. Die Autorin hat das Areal gemutet, „die Lebensenergie des Ortes“ dokumentiert und Wahrnehmungsübungen durchgeführt. Mit „persönlichen Assoziationen, emotionalen Reaktionen, inneren Bildern und Gedanken … wird der Versuch unternommen, über die Bewusstseinsfelder des Menschen mit der seelischen und geistigen Ebene der Landschaft in Kontakt zu treten.“ Beispiel: „Im Bereich des Straßenbahnkörpers wurde von mir eine symbolisch wässrige Verbindung in Richtung Donaukanal wahrgenommen.“ Sie berichtet: Bei einer gemeinsamen Übung am Rupertusplatz nahm Prof. Frohmann „eine emotionale Belastung wahr, die er als emotionale Reste gewalttätiger Handlungen aus früherer Zeit bezeichnete.“ Doch: „Nach Übungen zur Reinigung des Platzes … stellten sich Gefühle der Freude und der Leichtigkeit ein.“ Wie schön – Gefühle als wissenschaftliche Messlatte! Heute ist die Autorin Gartendesignerin.
Bewusstseinstransformation
2011 betreute Prof. Frohmann die wunderschön bebilderte Diplomarbeit „Gestaltung rituell genutzter Landschaft“. Da ist zu lesen: „Die geomantische Wahrnehmung setzt … einen leicht kontemplativen Bewusstseinszustand voraus, in welchem die Trennung zwischen Subjekt und Objekt aufgehoben ist.“ Der Autor propagiert – frei nach Esoterik-Autor Rüdiger Dahlke – „Denken in Analogien“. Er forscht mit „assoziativer und introspektiver“ Raumwahrnehmung, lenkt dabei seine „Aufmerksamkeit auf das eigene Aura- und Emotionsfeld“ und interpretiert es. Das liest sich so: „Ich habe das Gefühl, dass sich mein Rücken öffnet und der hinter mir gelegene Raum ein Teil von mir wird. Eine Art milchige Wolke durchzieht ihn vor meinem inneren Auge…..(ich) verspüre einen Druck, ähnlich wie vor einem Vulkanausbruch.“ An anderer Stelle ist zu lesen: Zu archetypischen Bildern „kommen Einflüsse des Magnetismus, der radioaktiven Strahlung des Wassers und geologischer Besonderheiten wie Verwerfungen hinzu. Sie begünstigen eine Veränderung des Bewusstseinzustandes.“ Man ist versucht, dem Autor Recht zu geben.
Ebenfalls im Jahr 2011 hat Prof. Frohmann eine Diplomarbeit betreut, die mit „Kornkreise, Beobachtung eines Phänomens“ betitelt ist. In der Bibliothek ist das Werk „nicht verfügbar“, ein Abstract ist online nicht zu bekommen, aber auf einschlägigen Blogs ist ein Zwischenbericht zu lesen: Der Autor habe Magnetfeldmessungen im Zentrum von „echten“ – also angeblich nicht von Menschen gemachten – Kornkreisen durchgeführt. Prof. Frohmann kommentiert das so: „Es ist darunter ein Kreis mit auffallenden Magnetwerten“ gewesen.
Im Jahr 2012 schloss ein Boku-Student das Diplomstudium der Landschaftsplanung und Landschaftspflege bei Prof. Frohmann mit der Arbeit „Empathie und Raum“ ab. Mit bahnbrechenden Erkenntnissen vom ersten bis zum letzten Satz, z.B.: „Die Verbindung mit naturräumlichen Qualitäten verstärkt die Sehnsucht nach Empathie zur Landschaft.“ Zwischendurch geht es um die esoterische „holistisch-ganzheitlich-leibliche Auffassung des Menschen“, um Rupert Sheldrakes pseudowissenschaftliche „morphische Resonanz“, um „Intelligenz des Herzens“ in Verbindung mit „Intelligenzfeldern einer höheren Energieordnung“, verbunden mit einem „universellen Gesamtbewusstsein“, um „intuitiv geprägte Aspekte, die parallel zu den jüngeren Erkenntnissen der Quantenphysik die Grenzen von Raum und Zeit verschwimmen lassen.“ Da hat der Autor wohl etwas missverstanden.
Auf die Frage, ob subjektive Gefühle denn als wissenschaftliches Werkzeug dienen könnten, entgegnet Prof. Erwin Frohmann: „Es handelt sich um einen künstlerischen Zugang und ist notwendig, wenn man die räumliche Qualität erschließen will. Subjektive Gefühle können bei der Arbeit mit Gruppen intersubjektiviert werden.“
Ob dies wissenschaftliche Erkenntnis transportiere, beantwortet er so: „Diese Methode hat nicht den Anspruch von Allgemeingültigkeit, doch sie kann als Vorerhebung für den gestalterischen Entwurf eines Raumes dienen.“
Prof. Erwin Frohmann hält in diesem Sommersemester ein Seminar zur „Vertiefung der Raumwahrnehmung, zu atmosphärischen und psychischen Wirkungsebenen der Landschaft.“ Es werden „Methoden der holistisch-integrativen Raumwahrnehmung theoretisch wie praktisch vermittelt.“ Holistisch-integrativ ist ein in der Esoterik beliebtes Schlagwort, das meint, „Alles ist mit allem verbunden.“
Der Kommentar des Rektorats: Es gelte das „verfassungsmäßig verbriefte Recht der freien Lehre und Wissenschaft“ und es sei „an einer Universität apriori nicht möglich, in Forschung und Lehre den WissenschafterInnen die Beschäftigung mit bestimmten Themen zu untersagen.“ Die Inhalte selbst liegen immer „in der Verantwortung der jeweiligen WissenschafterInnen.“ Der Vizerektor ergänzt: „Wir bemühen uns um Qualität.“
Mitarbeit: Christian Laimer, unabhängiger Esoterik-Forscher in Wien
Unterstützung: Ulrich Berger
Kommentare (42)