Es ist ja an sich erfreulich, dass der ORF und andere große Medien die neue Überblicksarbeit der australischen Gesundheitsbehörde NHMRC aufgreifen und ausführlich berichten, dass diese herausgefunden habe, Homöopathie sei “bei jeglicher Anwendung wirkungslos”. Im Sinne der journalistischen Ausgewogenheit fühlte man sich aber natürlich verpflichtet, den Resultaten der australischen Forscher noch ein paar Meinungsbrocken entgegenzusetzen, die sich heimische Homöopathievertreter aus den Fingern gezuzelt haben. So bemängelt etwa Friedrich Dellmour als Vertreter der ÖGHM im Kurier, dass “keine homöopathischen Experten” an der australischen Studie beteiligt gewesen seien. Wie skandalös! (Hierzulande ist es aber nicht besser. Man munkelt sogar, in der Bundesstelle für Sektenfragen sei kein einziger Scientologe beschäftigt!)
Noch witziger ist allerdings die Erklärung, die Martin Peithner, der Geschäftsführer des Globuliproduzenten Dr. Peithner KG, auf ORF.at absondert: “Das Studiendesign ist nicht ausgelegt für Homöopathie. Da es sich um sehr individuelle Maßnahmen handelt, sind Doppelblindstudien, wie sie als Kriterium verlangt werden, einfach nicht möglich.” Verlogen oder nur ungebildet?, fragt man sich da unwillkürlich.
Aber was wäre ein Homöopathie-Bericht ohne eine Stellungnahme des österreichischen Oberhomöopathen Prof. Michael Frass? Warwick Anderson, der Leiter des NHMRC, hatte Personen, die Homöopathie wählen, gewarnt, sie riskierten ihre Gesundheit, wenn sie anerkannte und wirkungsvolle Therapien ablehnten oder verzögerten. “Wäre das der Fall, wäre das ein massiver Angriff auf die Ärzte“, meinte Frass zum ORF. Frass’ seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholtes Gegenargument lautet nämlich: In Österreich kann das nicht passieren, denn hier dürfen nur Ärzte homöopathisch behandeln, und Ärzte erkennen natürlich sofort, wenn tatsächlich einmal etwas anderes als Zuckerkügelchen indiziert ist.
Interessante Idee, aber besteht sie auch den Praxistest? Nun, wie sich die Frass’sche These in der Praxis bewährt, lässt sich in einer Reportage nachlesen (S. 12-13), die vergangenen Dezember in der ÖH-Zeitung der Meduni Wien erschienen ist. Dort berichtet eine Studentin von ihrem Besuch bei dem praktizierenden Homöopathen – was für ein Zufall! – Prof. Michael Frass:
Professor Frass ruft Herrn S. auf. […] Herr S. wirkt angeschlagen. Auf die Frage nach seinem Befinden, sitzt er etwas unruhig im Sessel. “Sie haben mir doch beim letzten Termin was gegen meine Beschwerden beim Atmen verschrieben – ich hab’s auch genommen, aber irgendwann waren die Schmerzen so schlimm, dass ich die Rettung rufen musste. Die haben mich dann ins Krankenhaus gebracht, wo sie draufgekommen sind, dass ich eine Lungenentzündung habe.”
Tja, was sagt man dazu? Die Autorin des Berichts, selbst Medizinstudentin, sagt folgendes:
Professor Frass hat zwar den gesamten Tag ausführliche Anamnesegespräche geführt, ist sehr individuell auf PatientInnen eingegangen – aber er hat kein einziges Mal eine körperliche Untersuchung durchgeführt. In meiner bisherigen Ausbildung, habe ich gelernt, dass das dazugehört – wenn jemand Schmerzen beim Atmen hat, muss ich ihn/sie abhören.
Aber, gnä’ Frau, das gilt ja nur für diese verbohrten Schulmediziner! Beim Homöopathen braucht’s das nicht. Atembeschwerden? Schmerzen in der Brust? Da mach’ma eine homöopathische Anamnese: Leiden’S unter Schweißfüßen? Ja? Träumen’S oft von Feen? Nein? Alles klar – Phosphor C30! Da haben’s drei Kügelchen und kommen’s in 14 Tagen wieder!
Wenn Sie ganz schnell sind, liebe/r Leser/in, dann können Sie Herrn Frass vielleicht selbst fragen, was er dazu meint. Heute bis 18 Uhr diskutiert er noch im Kurier-Forum.
Kommentare (70)