Das OLG Stuttgart als Berufungsgericht hat gestern in seinem Urteil festgestellt, dass Masernviren zwar existieren, dass der Virenleugner Lanka aber das Preisgeld von € 100.000 trotzdem nicht an den Kläger Bardens zahlen muss. Bardens hat also in zweiter Instanz verloren und muss die Kosten beider Verfahren tragen. (Ich gehe davon aus, dass meine Leserinnen und Leser die Vorgeschichte kennen. Falls nicht, siehe z.B. hier.)
Unter Skeptikern ist das Entsetzen groß, und nicht minder groß die Empörung. Von einem “Skandalurteil” ist die Rede, von Richtern, die “auf der Seite der Pseudowissenschaft stehen”, von einem Urteil, das sich “wie ein schlechter Scherz” liest. Die Ruhrbarone orten gar einen “Justizskandal”. Auf Facebook brodelt das Richterbashing und es fehlt nicht viel auf die ersten Je-suis-Bardens-Proklamationen.
Natürlich ist der Ausgang dieses Prozesses aus der Perspektive der Vernunftbegabten bedauerlich. Auch ich hätte es dem Impfspinner und Virenleugner Lanka gegönnt, sein Preisgeld auszahlen zu müssen. Doch kann ich leider beim besten Willen nicht in die allgemeine Empörung einstimmen. Im Gegenteil, das Urteil des OLG erscheint mir gut begründet.
Lanka hat nämlich, auch wenn der Spiegel das so darstellte, nie “gewettet”, dass das Masernvirus nicht existiert. Bei seinem angebotenen Preisgeld handelte es sich, wie das OLG ausführte, um eine Auslobung. Das heißt also, er bestimmt die Regeln. Und diese Regeln besagen:
Das Preisgeld wird ausgezahlt, wenn eine wissenschaftliche Publikation vorgelegt wird, in der die Existenz des Masern-Virus nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen und darin u.a. dessen Durchmesser bestimmt ist.
Bardens hat bekanntlich sechs Publikation vorgelegt, die gemeinsam die Existenz des Masernvirus nach wissenschaftlichen Maßstäben unzweifelhaft etablieren; darunter auch eine, in der dessen Durchmesser bestimmt wird. Einen einzelnen Artikel, der beides leistet, konnte er nicht vorlegen, weil ein solcher Artikel schlicht nicht existiert. Das hat das Gericht nun dargelegt und folglich die Bedingungen der Auslobung als nicht erfüllt angesehen.
Und das muss man, so meine ich, bei aller Bardens-Symapthie und aller Lanka-Aversion auch zugestehen. Lanka hat die Spielregeln erfunden, Bardens hat sich auf das Spiel eingelassen und es verloren. Und bei der Entscheidung des OLG ging es nicht darum, ob das Spiel wissenschaftlich sinnvoll oder die Spielregeln ethisch gerechtfertigt sind oder ob Lanka nicht etwa ganz andere Spielregeln gemeint haben könnte, sondern einzig darum, wer das Spiel den veröffentlichten Spielregeln gemäß gewonnen hat.
Es sei aber logisch unmöglich, meinen nun viele, in einem einzigen Artikel die Größe von Masernviren zu bestimmen, ohne gleichzeitig deren Existenz zu belegen. Das halte ich für einen Irrtum. Lanka bezweifelt ja, dass die isolierten und vermessenen Partikel Masernviren sind. Bestimmt man die Größe dieser Partikel, hat man damit noch lange nicht gleichzeitig belegt, dass es sich bei diesen zweifelsfrei existenten Partikeln um Masernviren handelt. Man stelle sich vor, ein Esoteriker hätte die mittlere Größe der Orbs auf seinem Geisterfoto korrekt vermessen – sollte ein Richter ihm dann zugestehen, dass er damit gleichzeitig die Existenz von Geistern nachgewiesen hat?
Es soll und darf auch keine Rolle spielen, was Lanka zu seiner Auslobung eigentlich motivierte. Natürlich wollte er damit seinen Anhängern vermutlich demonstrieren, dass die Existenz des Masernvirus nicht nachgewiesen sei. Aber der Wortlaut der Auslobung lautet eben anders. Zum Vergleich: Auch die GWUP hat im Rahmen der PSI-Tests ein Preisgeld ausgelobt, und zwar € 10.000 für jeden, der seine “paranormale” Fähigkeit unter kontrollierten Testbedingungen nachweisen kann. Auch dabei kommt es sehr auf die exakten Bedingungen an. Z.B. würden wir es nicht akzeptieren, wenn uns jemand lediglich einen Packen von Studien schickt, die die Existenz von PSI zu belegen scheinen und in wissenschaftlichen Journalen erschienen sind (z.B. Jacques Benvenistes Nature-Publikation oder Daryl Bems Zukunftsgefühle). Wir machen die Spielregeln, und damit basta. Was für die GWUP gilt, sollte aber auch Lanka für sich in Anspruch nehmen dürfen.
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