Doch die Freigabe des Goldenen Reises wurde bisher von Greenpeace und anderen Aktivisten erfolgreich bekämpft. Sie haben starken Einfluss auf Politik, Behörden und Medien und haben Rückhalt vor allem in Bevölkerungsschichten, die nicht von Armut und VAD betroffen sind. So sorgen sie für bürokratische Hürden gegen die Einführung des Goldenen Reises, im Frühjahr 2014 wurde von Aktivisten ein Versuchsfeld zerstört. In keinem Land der Welt ist heute der Anbau von Goldenem Reis erlaubt. Wissenschafter schätzen, dass die Nichteinführung von Goldenem Reis seit 2002 – dem Jahr, in dem die Sorte frühestens hätte eingeführt werden können – bis 2014 1,42 Millionen Lebensjahre gekostet hat [1]. Allein in Indien. Pro Jahr könnten 40000 Menschenleben durch den Goldenen Reis gerettet werden. Allein in Indien.
Greenpeace begründet seine Ablehnung damit, dass es sich bei Goldenem Reis um eine „gefährliche Illusion“ handle. Welche konkreten Gefahren von dem Reis ausgehen sollten, wird selten dazu gesagt. Selbst wenn sie ausgesprochen werden, stehen sie in keinem Verhältnis zum Menschenleben rettenden Potential, das dem Goldenen Reis innewohnt. Ein ganz neuer Biosyntheseweg sei in die Reispflanze eingeführt worden, der unerwartete Effekte haben könnte und traditionelle Reissorten „verunreinigen“ würde, behauptet Greenpeace. Dabei ist die Synthese von Beta-Carotin der Reispflanze nichts Unbekanntes, produziert sie doch das Provitamin-A sehr wohl in den Blättern, nicht aber in den verzehrbaren Körnern. Dieser Mangel wurde im Goldenen Reis behoben durch die Einführung von zwei Genen, eines aus einem Bakterium und eines aus Mais, die den Syntheseweg in den Körnern vervollständigen. Außerdem behauptet Greenpeace, dass der Goldene Reis als Lösung versagt hätte, da er immer noch nicht verfügbar ist. Dabei beruht die Nichteinführung des Goldenen Reises hauptsächlich auf dem von Aktivisten wie Greenpeace lancierten Lobbying gegen die Reissorte.
Doch es wird immer offensichtlicher, dass es sich allein um eine allgemeine, dogmatische Ablehnung von Gentechnik handelt. Wie Verschwörungstheoretiker verteidigt Greenpeace seine kruden Thesen zur Gentechnik gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis und jedes rationale Argument. Anders als z.B. bei Klimawandel und Artensterben argumentiert Greenpeace beim Thema Gentechnik gegen den breiten und gesicherten wissenschaftlichen Konsens. Die „gefährliche Illusion“ besteht ausschließlich darin, dass das Spendenbudget von Greenpeace in Gefahr gerät, wenn die Vorteile des Goldenen Reises in der Anwendung ersichtlich werden und man nicht mehr dagegen zu Felde ziehen und Angst verbreiten kann. Lange habe ich gewartet und gehofft, dass Greenpeace noch zur Vernunft kommen und wenigstens beim Goldenen Reis eine Ausnahme machen würde. Meine Hoffnung wurde vor kurzem sehr bitter enttäuscht.
Denn vor kurzem wurde ein von 110 Nobelpreisträgern unterzeichneter offener Brief veröffentlicht, der Greenpeace dazu auffordert, die positiven Erfahrungen von Bauern und Konsumenten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) weltweit, sowie den wissenschaftlichen Konsens dazu, zu akzeptieren und seinen Widerstand gegen Gentechnik im Allgemeinen und gegen den Goldenen Reis im Speziellen aufzugeben [2]. Die meisten Unterzeichner des Briefes, mehr als ein Drittel der lebenden Nobelpreisträger, haben ihre nobelpreisausgezeichneten Arbeiten auf Gebieten erbracht, die der Biotechnologie nahestehen und die daher genau wissen, wovon sie sprechen. Aber auch die österreichische Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hat den Brief unterzeichnet.
Offenbar hat Greenpeace jedoch nicht lange über den offenen Brief nachgedacht und ihn umgehend vom Tisch gewischt. Es ist enttäuschend und bezeichnend zugleich, wenn sich Greenpeace offenbar nicht einmal die Zeit nimmt zu überlegen, ob die Nobelpreisträger nicht doch Recht haben könnten und Gesprächsbereitschaft signalisiert. Als Wissenschafter, der aus dem ehemals jungen Studenten geworden ist, fällt es mir besonders schwer, diese antiwissenschaftliche Haltung nachzuvollziehen. Die Nobelpreisträger stellen in ihrem Brief die Frage, wie viele arme Menschen noch sterben müssen, bevor wir die Ablehnung des Goldenen Reises als Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachten? Eine Frage, die aufgrund der vorliegenden Zahlen berechtigt ist. Es ist eine Groteske der Globalisierung, dass wir im reichen Europa an eine Umweltschutzorganisation spenden, die u.a. gegen die Globalisierung auftritt und das Geld dazu verwendet, armen Menschen in weit entfernten Erdteilen den Zugang zu einer Technologie zu verweigern, die ihnen ein gesünderes und besseres Leben ermöglichen würde.
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