Nahrung ist allgegenwärtig. Sie begleitet uns bei jedem Schritt auf der Straße: Rechts lockt eine Dönerbude, links der Pizzabäcker, daneben das Fastfood-Restaurant und gegenüber plätschert der Coffee-to-go. Wie das unser Essverhalten ändert, können Wissenschaftler bisher kaum sagen.
Im Animationsfilm “Ab durch die Hecke” muss eine Gruppe kleiner Waldtiere erkennen, dass während ihres Winterschlafs in unmittelbarer Nachbarschaft eine Vorstadtsiedlung aus dem Boden geschossen ist. Der Waschbär Richie führt die ahnungslosen Vierbeiner in die Kultur der Zweibeiner ein: “Die haben immer irgendwas zu essen dabei. Wir essen um zu leben, aber die leben um zu essen. (…) Und, denkt ihr, sie haben genug Futter? Tja, da täuscht ihr euch. Denn die Menschen können niemals genug kriegen!”
In einem vielleicht fünfminütigen Ausschnitt zeigt uns der Film mehr von unserem Alltag als jede langatmige TV-Dokumentation. Denn es ist ja wahr: Wo wir gehn und stehn werden wir zum Essen aufgefordert. Kein öffentlicher Platz ohne ein Dutzend Fastfood-Restaurants, Bäckereien, Süßwarenläden und Cafes; auf jedem größeren Bahnhof wird vielfältig gebacken, gebraten und gekocht. So wie das Handy unser Telefonieren revolutioniert hat, so verändert die Allgegenwart von Nahrung unser Essverhalten.
Wissenschaftlich untersucht ist das bisher kaum. Die im Januar veröffentlichte “Nationale Verzehrstudie II” konzentrierte sich in ihrem ersten Teil auf das individuelle Wissen über Ernährungsfragen und das Einkaufsverhalten. Dabei muss längst niemand mehr selbst kochen, um satt durch den Tag zu kommen. Auf den Wegen zur Arbeit und wieder nach Hause kann jeder Hunger Appetit jederzeit gestillt werden.
Kommen gemeinsame Mahlzeiten zu festen Tageszeiten aus der Mode? Bereits im Jahr 2005 hatten australische Wissenschaftler beobachtet, dass Jugendliche, die zusammen mit ihren Eltern reguläre Mahlzeiten zu sich nehmen, seltener zu Snacks greifen und insgesamt gesündere Kost essen. Ob für Deutschland Vergleichbares gilt, darüber kann bis jetzt nur spekuliert werden. “Derzeit gibt es keine aktuellen Informationen über unsere Ernährungsgewohnheiten: Ob Pizza oder Sauerbraten, ob vorwiegend zuhause, im Restaurant oder in der Fastfood-Kette – so ganz genau weiß das niemand”, hatte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller bei der Präsentation der Verzehrstudie eingeräumt. Etwas mehr Licht ins Dunkel soll der zweite Teil der Studie bringen, dessen Erscheinen für April angekündigt ist.
Wie das “Essen außer Haus” unser Leben verändert, wird zur Zeit auch im Auftrag der Europäischen Union untersucht. Am dreijährigen EU-Projekt “HECTOR” beteiligen sich seit Juni 2006 35 Projektpartner aus 15 europäischen Ländern. Doch außer einer dürren Pressemitteilung haben die Forscher noch nicht viel vorzuweisen.
Welche Personen auswärts essen, wie oft und welche Speisen sie zu sich nehmen – “darüber existieren derzeit keine einheitlichen Daten”, zitiert der Pressetext Heinz Freisling vom Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien. “Weiters fehlen Daten darüber, welche Speisen angeboten werden und welche Speisen die Leute bevorzugen.”
Die Forscher schlagen sich offenbar noch mit Definitionsfragen herum: So werden etwa bei Erhebungen in Griechenland Kartoffeln als Gemüse gezählt, während sie in den meisten anderen teilnehmenden Ländern als Kohlehydratquelle mit Nudeln und Reis in einen Topf geworfen werden. Neben vielen leichter zu vereinheitlichenden Unterschieden erschweren die unterschiedlichen Ausbildungssysteme der teilnehmenden Länder transnationale Vergleiche der Außer-Haus-Essgewohnheiten nach dem jeweiligen Bildungsstand.
Gut möglich, dass der letzte Europäer bereits an Fettsucht verstorben ist, bevor uns “HECTOR” die Ursachen erklärt. Darauf einen Pausensnack!
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