Die Imker in Baden-Württemberg sind in Panik. In den letzten drei Wochen haben sie mehr als 7000 Bienenvölker verloren. Die Insekten sterben in Massen, während Braunschweiger Forscher noch über die Ursachen rätseln. Mit Nervengift präpariertes Saatgut könnte der Auslöser sein.
Foto: Olberto Mejia /Fotolia
Auf Honigfreund kommen schwere Zeiten zu – zumindest, wenn sie Honig aus heimischer Produktion verzehren wollen. Nachdem im letzten Winter bereits die Varroa-Milbe große Schäden angerichtet hat, dezimiert nun vermutlich das Nervengift Clothianidin die Bienenvölker weiter. Mit dem Gift wurde Maissaatgut imprägniert, um es vor dem Maiswurzelbohrer zu schützen, der in Bayern und Baden-Württemberg weit verbreitet ist.
Die Imker vermuten, Gift aus dem Saatgut sei durch den Wind auf Blüten getragen und dort von den Bienen aufgenommen worden. Der Landesverband Badischer Imker schlägt Alarm: “Das Sterben unserer Honigbienen ist nur äußeres Zeichen der Umweltkatastrophe, von der auch alle Blüten bestäubenden Insekten betroffen sind. Da die Maisfelder in der Rheinebene direkt an die Wohnbauung angrenzen, legt sich die Feinstaubwolke mit dem Nervengift auch auf Terrassen, Kinderspielplätze und Hausgärten, wo gerade die ersten Erdbeeren reif sind.”
Im Braunschweiger Julius Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, hat man zwar Hinweise auf diese These gefunden, die Forscher sind sich aber noch nicht sicher: “In den ersten untersuchten Proben konnte der Wirkstoff Clothianidin tatsächlich in Spuren nachgewiesen werden. Diese ersten Analysenergebnisse reichen jedoch nicht für eine abschließende Einschätzung aus, ob diese Dosis allein für den Tod der Bienen verantwortlich ist. Bisher ist ebenfalls unklar, wie die Bienen überhaupt in diesem Ausmaß mit dem Mittel in Kontakt kommen konnten.”
Den Imkern geht es verständlicherweise nicht schnell genug. Imker-Sprecher Ekkehard Hülsmann heute im Deutschlandfunk: “Wir haben überall ein Massensterben an Honigbienen, eine Umweltkatastrophe Nummer Eins und keiner reagiert, weil gesagt wird, wir müssen jetzt erstmal abwarten, bis wir knallharte Fakten haben. Das heißt, die lassen einfach weitersterben ,die lassen einfach weiter sehen, der Minister taucht auch nicht vor Ort auf, sondern gibt Presseerklärungen vom fernen Stuttgart ab, das ist die Tragik, die wir jetzt als Imker breitbändig in der Rheinebene erleben.” (Text, mp3-Datei)
Auch in anderen Bundesländern, beispielsweise in Brandenburg, schaut man besorgt nach Westen – und nach Osten, denn auch im südlichen Polen soll Clothianidin-imprägniertes Saatgut im Einsatz sein.
Ob nun das Clothianidin die alleinige Ursache ist oder nicht – dass auch nach Wochen noch Unklarheit über die Hintergründe eines derartig großen Bienensterben herrscht, stärkt nicht gerade das Vertrauen in die staatlichen Kontrolleure und Zulasser für Pflanzenschutzmittel.
Nachtrag vom 16.5., 18 Uhr: Wie das Bundesamts für Verbraucherschutz (BVL) in Berlin heute bekannt gab, hat es “das Ruhen der Zulassung” für Clothianidin-behandeltes Saatgut angeordnet: “Diese Entscheidung erfolgte nach eingehender Prüfung des aktuellen Sachstandes vor dem Hintergrund der in Südwestdeutschland aufgetretenen Schäden an Honigbienen. (…) Diese Prüfung ergab, dass bei der Ausbringung von mit Insektiziden behandeltem Saatgut mit pneumatischen Sämaschinen eines bestimmten Konstruktionstyps eine höhere Exposition von Bienen verursacht wird, als im Zulassungsverfahren bislang bekannt.”
Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Bericht bei süddeutsche.de. Es wird spannend zu verfolgen sein, wie in den nächsten Wochen die Verantwortung für den entstandenen Schaden zwischen den beteiligten Parteien hin und her geschoben wird…
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