i-ced63540da2fc2f37d474124fa52534f-Fotolia_Olberto-Mejia_Honigbiene_150-thumb-150x150.jpg Die Imker in Baden-Württemberg sind in Panik. In den letzten drei Wochen haben sie mehr als 7000 Bienenvölker verloren. Die Insekten sterben in Massen, während Braunschweiger Forscher noch über die Ursachen rätseln. Mit Nervengift präpariertes Saatgut könnte der Auslöser sein.

Foto: Olberto Mejia /Fotolia

Auf Honigfreund kommen schwere Zeiten zu – zumindest, wenn sie Honig aus heimischer Produktion verzehren wollen. Nachdem im letzten Winter bereits die Varroa-Milbe große Schäden angerichtet hat, dezimiert nun vermutlich das Nervengift Clothianidin die Bienenvölker weiter. Mit dem Gift wurde Maissaatgut imprägniert, um es vor dem Maiswurzelbohrer zu schützen, der in Bayern und Baden-Württemberg weit verbreitet ist.

Die Imker vermuten, Gift aus dem Saatgut sei durch den Wind auf Blüten getragen und dort von den Bienen aufgenommen worden. Der Landesverband Badischer Imker schlägt Alarm: “Das Sterben unserer Honigbienen ist nur äußeres Zeichen der Umweltkatastrophe, von der auch alle Blüten bestäubenden Insekten betroffen sind. Da die Maisfelder in der Rheinebene direkt an die Wohnbauung angrenzen, legt sich die Feinstaubwolke mit dem Nervengift auch auf Terrassen, Kinderspielplätze und Hausgärten, wo gerade die ersten Erdbeeren reif sind.”

Im Braunschweiger Julius Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, hat man zwar Hinweise auf diese These gefunden, die Forscher sind sich aber noch nicht sicher: “In den ersten untersuchten Proben konnte der Wirkstoff Clothianidin tatsächlich in Spuren nachgewiesen werden. Diese ersten Analysenergebnisse reichen jedoch nicht für eine abschließende Einschätzung aus, ob diese Dosis allein für den Tod der Bienen verantwortlich ist. Bisher ist ebenfalls unklar, wie die Bienen überhaupt in diesem Ausmaß mit dem Mittel in Kontakt kommen konnten.”

Den Imkern geht es verständlicherweise nicht schnell genug. Imker-Sprecher Ekkehard Hülsmann heute im Deutschlandfunk: “Wir haben überall ein Massensterben an Honigbienen, eine Umweltkatastrophe Nummer Eins und keiner reagiert, weil gesagt wird, wir müssen jetzt erstmal abwarten, bis wir knallharte Fakten haben. Das heißt, die lassen einfach weitersterben ,die lassen einfach weiter sehen, der Minister taucht auch nicht vor Ort auf, sondern gibt Presseerklärungen vom fernen Stuttgart ab, das ist die Tragik, die wir jetzt als Imker breitbändig in der Rheinebene erleben.” (Text, mp3-Datei)

Auch in anderen Bundesländern, beispielsweise in Brandenburg, schaut man besorgt nach Westen – und nach Osten, denn auch im südlichen Polen soll Clothianidin-imprägniertes Saatgut im Einsatz sein.

Ob nun das Clothianidin die alleinige Ursache ist oder nicht – dass auch nach Wochen noch Unklarheit über die Hintergründe eines derartig großen Bienensterben herrscht, stärkt nicht gerade das Vertrauen in die staatlichen Kontrolleure und Zulasser für Pflanzenschutzmittel.

Nachtrag vom 16.5., 18 Uhr: Wie das Bundesamts für Verbraucherschutz (BVL) in Berlin heute bekannt gab, hat es “das Ruhen der Zulassung” für Clothianidin-behandeltes Saatgut angeordnet: “Diese Entscheidung erfolgte nach eingehender Prüfung des aktuellen Sachstandes vor dem Hintergrund der in Südwestdeutschland aufgetretenen Schäden an Honigbienen. (…) Diese Prüfung ergab, dass bei der Ausbringung von mit Insektiziden behandeltem Saatgut mit pneumatischen Sämaschinen eines bestimmten Konstruktionstyps eine höhere Exposition von Bienen verursacht wird, als im Zulassungsverfahren bislang bekannt.”

Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Bericht bei süddeutsche.de. Es wird spannend zu verfolgen sein, wie in den nächsten Wochen die Verantwortung für den entstandenen Schaden zwischen den beteiligten Parteien hin und her geschoben wird…

Kommentare (5)

  1. #1 Fischer
    Mai 16, 2008

    Ich würde da von voreiligen Schlussfolgerungen abraten. Periodische Bienensterben mit großem Ausmaß sind seit Jahrhunderten in unregelmäßigen Abständen immer wieder aufgetreten.

  2. #2 Tobias
    Mai 16, 2008

    Also mal langsam.
    Chlotinaidin ist ein Neonicotinamide. Das wirkt wie Nikotin, nur halt spezifisch auf Insekten. Das ist unbestritten. Der Vergleich des Landesverbands badischer Imker zeugt in zweierlei Hinsicht von absoluter Unkenntnis der Grundlagen:
    1. Das Insektizid wird nicht einfach so von Samen auf Blüten übertragen. Vor Allem da die Samen nicht sofort blühen, sondern erst mal in den Boden kommen, austreiben, die Pflanze wächst und dann irgendwann blueht. Oder die Samen lagern in Silos, und zur Zeit der Aussaht gibts nicht eine einzige Biene, die irgendwo rumfliegt und irgendwas sammelt.
    2. Es besteht keine Gefahr für Menschen. Es ist ein spezifisches Insektizid. Wohngebiete, Spielplätze, Erdbeeren, ganz egal. es schadet weder Erwachsenen noch Kindern.

  3. #3 Stefan Jacobasch
    Mai 16, 2008

    Seit Jahren schon gehen Wellen von Bienensterben durchs Land. Findet das niemand beunruhigend, dass es über die Ursachen zwar zahlreiche Theorien, aber kein wirklich gesichertes Wissen gibt?

  4. #4 Tobias
    Mai 16, 2008

    Von behandelten Samen abgeriebenes Pflanzenschutzmittel, das bei der Aussaat als Wolke über dem Traktor hängt, vom Wind verteilt wird, und auf umliegende Blütenplflanzen niedergeht.
    Interessante Hypothese, bleibt auf jeden Fall spannend, was dabei raus kommt, und wie du oben schreibst, wer für den Schaden der Imker aufkommt.

    Noch am Rande: Wenn Mais ausgesäht worden wäre, der von vorne herein resistent gegen den Maiswurzelbohrer ist, wäre eine Vorbehandlung mit Chlotinaidin möglicherweise nicht nötig gewesen, und wenn der Zusammenhang zutrifft, auch kein Bienensterben.
    Der resistente (gentechnisch veränderte) Mais bildet eine bestimmte Variante des Bt-Toxins (cry3Bb1) und nennt sich MON863. Über die Zulassung von einigen Kreuzungen von MON863 Mais wurde im März auch hier von mir schon berichtet:
    https://www.scienceblogs.de/weitergen/2008/03/gentechnisch-veranderter-mais.php

  5. #5 Müller
    Juli 25, 2008

    Um Gottes Willen bloß kein MON863!

    Die gentechnisch veränderten Sojapflanzen in Argentinien und den USA sollten uns eigentlich Warnung genug sein. Der Gebrauch von gentechnisch Veränderten Pflanzen hat dazu geführt das Pestizide auf entsprechenden Feldern um den Faktor 10! mehr Anwendung finden müssen, bis sogegannte ‘Superunkräuter’ und ‘Superinsekten’ in Schach gehalten werden können. Essen kann man das Zeug nicht mehr, bereits bei jungen Kühen die mit diesem Soja gefüttert werden verfärbt sich die Leber!
    Bauern die ihre Kühe auf den Feldern weiden lassen haben, beklagen sich darüber dass die alle gestorben sind. Bitte kein Genschmutz mit falschen Versprechungen in unsere Flora und Fauna, Danke!

    In Amerika hatten sie das Massensterben der Bienen bereits vor einiger Zeit, man könnte ja mal schauen ob diese entsprechenden Insektizide auch dort zeitgleich mit dem Bienenmassensterben eingeführt worden waren.