Beim “Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz” steht man als Verbraucher nicht nur im Titel an letzter Stelle. Im Zweifelsfall präferiert Minister Seehofer die Interessen der Industrie. Das zeigt gerade schön anschaulich der Streit um die Kennzeichnung von Lebensmitteln.
Geht es nach Verbraucherschützern, dann bekämen wir in Deutschland ein System, das in Großbritannien bereits eingeführt wurde: Dort müssen die wichtigsten Bestandteile von Lebensmitteln mit Grün, Gelb oder Rot gekennzeichnet werden. Enthält eine Ware beispielsweise wenig Fett, Zucker und Salz, bekommt sie dafür drei grüne Punkte. Zuviel Zucker muss dagegen mit einem (warnenden) roten Punkt markiert werden.
Verständlich, dass nicht alle Hersteller diesem System folgen wollen. Immerhin “verraten” sie dadurch, wie ungesund der Verzehr ihrer Produkte sein kann. Bei den Verbrauchern kommt die “Ampel” auf der Verpackung dagegen gut an. 80 Prozent befürworten die leicht verständliche Kennzeichnung, berichtete die BBC im Frühjahr 2007. Bestrebungen, das britische Vorbild europaweit einzuführen, bekämpft die Lebensmittelindustrie seitdem mit aller Kraft.
In Horst Seehofer haben die Produzenten einen Verbündeten. “Die ‘Ampelkennzeichnung’ ist insgesamt ein schlechter Ernährungsratgeber”, so Seehofer; “in einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung ist Platz für alle Lebensmittel. Die Ampelfarben nehmen dem Verbraucher seine eigene Einschätzung ab. Das Modell der freiwilligen Nährwertkennzeichnung meines Hauses orientiert sich hingegen an mündigen und informierten Verbraucherinnen und Verbrauchern.”
Nun ist das mit der “Freiwilligkeit” in der Industrie so eine Sache. Und ob die Ampellösung “dem Verbraucher seine eigene Einschätzung abnimmt”, wage ich zu bezweifeln. Sehr anschaulich zeigt “Foodwatch” im Vergleich beider potenzieller Kennzeichen-Systeme, wie die Hersteller hohe Fett- oder Zuckergehalte ihrer Produkte verstecken können.
An dieser Stelle seien “Kellogg’s Smacks” herausgegriffen: Die Frühstücksflocken bestehen zu 43 Prozent (!) aus Zucker und müssten das nach dem Ampelmodell klar und deutlich zeigen. Nach den Vorstellungen von Kellogg’s soll dagegen eine 30-Gramm-Portion als Maßstab gelten. Dann macht der Zucker plötzlich nur noch “14 Prozent der empfohlenen Tageszufuhr eines Erwachsenen” aus – obwohl das süße Zeug wohl überwiegend von Kindern verzehrt werden dürfte.
(Quelle: Foodwatch)
Mal ehrlich: Welche Kennzeichnung erscheint Ihnen als “mündige und informierte Verbraucherinnen und Verbraucher” verständlicher? Damit Sie auf diese Frage jetzt keine industrieunfreundliche Antwort geben, hat die Lebensmittelwirtschaft die Initiative “Ausgezeichnet informiert” gegründet. Aus dieser Ecke werden wir in nächster Zeit bestimmt noch viel hören, auch wenn bis jetzt noch nicht mal die entsprechende Online-Propaganda Webseite freigeschaltet ist.
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