Was ist schlimmer: 493 Millionen Einwohner der EU steigen auf Bio-Treibstoffe um, oder 1,6 Milliarden Chinesen entdecken ihre Liebe zur täglichen Portion Fleisch?
Am Wochenende hatte ich die neue Ausgabe des Magazins Seed im Briefkasten (Die “Seed Media Group” ist an der deutschen Scienceblogs-Plattform beteiligt). Das Heft bietet u.a. einen sehr lesenswerten Beitrag von Paul Roberts zur Entwicklung des globalen Fleischkonsums. Es handelt sich offenbar um einen Auszug aus Roberts´ neuem Buch The End Of Food.
Werfen Sie mal einen Blick auf den Artikel, Carnivores like us gibt es inklusive Fotos auch online frei zu lesen.
Roberts berichtet, wie sich das Essverhalten der Chinesen mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des Landes verändert. “Wir Chinesen betrachteten fleischliche Kost immer schon als etwas Besseres”, zitiert er Yang Xiao Guang von der “China Nutrition Association”; “wir hatten nur nicht das Geld, Fleisch zu kaufen.”
Mittlerweile können sich immer mehr Chinesen Fleisch leisten. Die gute Nachricht: Mangelerscheinungen durch schlechte Ernährung sind rückläufig. Die schlechte Nachricht: Etwa 100 Mio. Chinesen gelten bereits als fettleibig.
Auf die im Artikel behandelten Thesen, warum wir Menschen so eine Vorliebe für Fleisch haben, will ich hier nicht näher eingehen. Viel spannender finde ich die Frage, was sich durch den Anstieg der Viehhaltung in der chinesischen Landwirtschaft ändert. Ackerland ist in China knapp und durch Jahrzehnte der Überforderung ausgelaugt. Wenn steigende Anteile der Ernte künftig als Viehfutter genutzt werden – welche Konsequenzen mag das für die Reis- und Getreideknappheit der Region haben?
Bis 2030 soll China einen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 50 Kilogramm Fleisch erreichen und so mit dem Nachbarn Taiwan gleichziehen. Zum Vergleich: In den USA wird laut Roberts rund doppelt so viel verzehrt; in Europa sind es im Schnitt 65 Kilogramm (Quelle: Deutscher Fleischer-Verband, PDF). Ist “China’s meat mania” schon jetzt mitverantwortlich für die Abholzung der brasilianischen Regenwälder und die inflationär steigenden Lebensmittelpreise Afrikas, wie Roberts folgert? Der Autor zitiert Tian Weiming, “one of China’s top food security experts”, der sagt: “Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Welt aussieht, wenn China so wohlhabend sein wird wie Taiwan.”
Man kann viele Argumente für einen fleischreduzierten oder gar ganz vegetarischen Lebensstil nennen – moralische, religiöse, medizinische. Aber es wäre wohl naiv anzunehmen, dass sich mit diesen Argumenten globale Trends stoppen lassen. Stattdessen sollten wir lieber Wege finden, Nahrung generell umweltfreundlicher zu produzieren – was beispielsweise bedeuten könnte, Fleisch in der Petrischale wachsen zu lassen anstatt im Stall. Roberts verweist auf entsprechende Forschungen der NASA, die ihre Astronauten so auf Langzeitflügen ernähren will:
“Seeded on thin membranes or small three-dimensional beads, muscle tissue stem cells can be grown into animal-free beef, chicken, or pork. Scalability remains the major barrier to this avant-garde approach, but if implemented, it would simultaneously address environmental, food safety, and animal welfare concerns, if not those surrounding biotechnology.”
Klingt doch gar nicht so unappetitlich, wenn man bedenkt, welche wenig erfreulichen Alternativen uns bleiben.
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