Der Nestlé-Konzern hat Mitglieder von Attac ein Jahr lang ausspionieren lassen. Der Grund: die schweizer Globalisierungskritiker schrieben ein Buch über den Konzern.
Wie die Frankfurter Rundschau heute berichtet, hat Nestlé im Jahr 2003 eine Informantin der Sicherheitsagentur “Securitas” bei Attac eingeschleust, um Informationen über das Buchprojekt zu erhalten. Den Vorfall machte der westschweizer TV-Sender TSR am letzten Donnerstag in einer Reportage öffentlich (hier das Video, 36 Min. französisch).
“Ein Jahr lang”, schreibt die FR, “hatte die Frau mit dem falschen Namen den Entstehungsprozess des konzernkritischen Buches Schritt für Schritt mitbekommen. Konnte jede E-mail lesen, die sich die Autoren schrieben. Hatte Zugang zu den privaten Räumen der Mitglieder. Kannte deren Recherche-Probleme, deren Gesprächspartner und spitzte bei Diskussionen juristischer Probleme die Ohren – Überwachung total.”
Mitte 2004 erschien das Buch “Nestlé – Anatomie eines Weltkonzerns” im Züricher Rotpunktverlag. Zu dem Zeitpunkt dürfte der Lebensmittelriese bereits bestens über den Inhalt informiert gewesen sein.
Wie ein ergänzendes Interview mit einer der Attac-Autorinnen belegt, haben es die Aktivisten der Securitas-Mitarbeiterin recht leicht gemacht: “Als wir uns im Herbst 2003 entschieden haben, ein Buch über Nestlé zu schreiben, hat sie sich sehr interessiert gezeigt und wollte mitmachen. (…) Sie hat die Diskussionen um Formulierungen und um heikle Passagen mitbekommen. Und sie kam auch zu den Treffen der Autorengruppe, die in unseren privaten Wohnungen stattfanden. Wir haben uns immer wieder bei jemand anderem getroffen. Sie war sicher in drei Privatwohnungen. (…) Sie wusste unsere Quellen, die Fachleute, die wir kontaktiert haben, die Vorbereitung zur Veröffentlichung des Buches. Sie wusste genau, mit wem wir Kontakt hatten und wer wann kommt.”
Die Naivität der Attac-Autoren ist schon erstaunlich: “Wir haben uns nicht angefreundet, aber wir fanden es gut, dass mal jemand Neues mitmacht.” Inzwischen hat die Organisation Strafanzeige gestellt. Vielleicht sollte sie sich künftig genauer überlegen, wie bei heiklen Recherchen vorzugehen ist. Mit ihren offenen Strukturen sind Gruppen wie Attac leider leicht verwundbar. Das Greenpeace-Konzept, zwischen dem harten Kern der Aktivisten und den eher passiven Unterstützergruppen deutlich zu unterscheiden, scheint deutliche Vorteile zu haben.
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