Konventionelle Milchbauern bekommen weiterhin nur rund 29 Cent für den Liter Milch. Ihre Kollegen aus der Bioecke kommen auf etwa 45 Cent. Die wollen sie sich dauerhaft sichern.
Als im Juli 2008 die Milchbauern für höhere Preise demonstrierten, war eigentlich schon abzusehen, dass daraus nichts wird. Die niedrigen Milchpreise im Einzelhandel haben sich seitdem nicht verändert. Besser sieht es bei den Biobauern aus: Sie erzielen im Schnitt 16 Cent mehr pro Liter und arbeiten mit Gewinn. Wer als Kleinbauer dagegen nur 29 Cent für konventionelle Milch bekommt, wird seinen Hof auf Dauer nicht mehr halten können. Nur Industriebetriebe arbeiten zu diesen Preisen kostendeckend.
Damit der Bio-Preis dauerhaft hoch bleibt, haben Biobauern, Molkereien und der Biofachhandel am Montag eine “Erklärung zum Bio-Milchmarkt” (hier als PDF) vorgelegt, die man unfreundlich formuliert eine Preisabsprache nennen könnte. “Faire Preise
sichern die hohe Bio-Qualität, Preisdumping gefährdet sie”, heißt es in der Erklärung. Die Befürchtung dahinter: Je stärker die Discounter in den Biomarkt einsteigen, um so mehr Druck können sie auf die Produzenten ausüben.
Die geringe Haltbarkeit von Frischmilch war bisher von Vorteil für die deutschen Produzenten; sie machte Importe unattraktiv. Doch der Siegeszug der so genannten ESL-Milch, die für drei bis vier Wochen “frisch” bleibt (die Technik dahinter wird sehr gut erklärt im Fischblog), könnte ausländischen Molkereien einen Zugang zum deutschen Markt erlauben.
Zweimal “frische Vollmilch”, zweimal Bio, aber auch zweimal mit “extended shelf life” (ESL)
Weil die ESL-Milch bei der Verarbeitung “nur” auf 127 Grad Celsius erhitzt wird, gilt sie nicht als H-Milch, die bei 135 Grad Celsius ultrahocherhitzt wird. Dass sich das ESL-Produkt als “frische Vollmilch” ausweisen darf, ist einer Gesetzeslücke zu verdanken: Die seit etwa fünf Jahren angewandte Technik ist noch nicht im bundesdeutschen Vorschriften-Dickicht angekommen. Anders ist das etwa in Österreich, wo ESL-Milch nicht als “frisch” bezeichnet werden darf.
Für den Konsumenten stellt die längere Haltbarkeit offenbar einen großen Vorteil dar, denn die ESL-Milch hat sich über die Jahre einen immer größeren Marktanteil erobert. Neuerdings verzichten manche Discounter sogar ganz auf das Anbieten von “echter” Frischmilch. Die Hamburger Verbraucherzentrale kritisiert die Verdrängung der Frischmilch und bezeichnet sie gar als “ökologisch kaum vertretbar“. Ich halte das für ein irreführendes Argument, wenn man bedenkt, dass sich der Milchabsatz nie richtig planen lässt und der Handel regelmäßig Kartons mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum vernichten muss. Mit ESL-Milch lässt sich besser kalkulieren, was dem Händler Verluste erspart.
Der Wandel in Technik und Konsumverhalten zusammen sind es also, die den Milchmarkt kräftig in Bewegung versetzen. Vor diesem Hintergrund sind die Angst der Biobauern vor einer weiteren Globalisierung und ihr Appell, “faire Preise” zu zahlen, sicher verständlich. Bleibt abzuwarten, wie bewusst die Bio-Kundschaft ihre Marktmacht einsetzt…
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