Im Mittelmeer vor der Küste Libyens sind in den letzten Tagen offenbar mehrere hundert Menschen ertrunken. Es soll sich ersten Berichten zufolge um Flüchtlinge aus Ägypten, Tunesien und anderen afrikanischen Ländern handeln, die in völlig überladenen Booten die Überfahrt von Libyen nach Italien wagen wollten.
Wie der Zufall es will, strahlte letzte Nacht der SWR den Dokumentarfilm “Blutige Ernte” aus, der sehr anschaulich macht, auf welche Weise wir Europäer mitschuldig an den Flüchtlingswellen werden.
“Blutige Ernte” handelt in erster Linie davon, unter welchen Bedingungen italienische Bauern Tomaten pflanzen und ernten. Als Erntehelfer kamen demnach über viele Jahre hinweg Tagelöhner aus Italien und Afrika zum Einsatz. Seit der Erweiterung der Europäischen Union drängen zusätzlich osteuropäische Wanderarbeiter auf den Arbeitsmarkt; die Tageslöhne der Erntehelfer sind infolge des Überangebots an Arbeitern von 50 auf 30 Euro gesunken. Mancher beginnt sein Tagewerk, ohne zu wissen, was er am Abend ausgezahlt bekommt. Neben diesen schon schlechten Strukturen existiert ein illegaler Markt unseriöser Vermittler, die Erntehelfer wie Sklaven behandelt (man lese u.a. hier weiter).
Die italienischen Bauern sind selbst unter Druck: Chinesische Hersteller können Tomatenpüree noch billiger anbieten; sie exportieren ihre Ware u.a. nach Italien, wo sie nicht selten zu italienischen Produkten umdeklariert wird.
Die Italiener ihrerseits geben den Druck weiter – nach Afrika. Der Film zeigt anschaulich am Beispiel Ghanas, wie Tomatenkonserven “made in Italy” und “made in China” den Markt überschwemmen und die Preise der heimischen Bauern kaputt machen. Europäische Subventionen helfen noch dabei. Die einzige Fabrik Ghanas, die Tomaten verarbeitet, befindet sich im Besitz eines italienischen Konzerns, der noch dazu Ware importiert. Ghanas Tomatenbauern bleibt nichts anderes übrig, als auf dem heimischen Markt ihre Ernte unter Wert anzubieten.
Wenn ihr durch eure Subventionen unsere Lebensgrundlage zerstört, sagt ein ghanesischer Bauer in die Kamera, bleibt uns bald nichts weiter übrig, als zu euch zu kommen. Diese Sätze gingen mir heute morgen durch den Kopf, als ich die Nachricht von den ertrunkenen Flüchtlingen im Radio hörte. Tatsächlich sind ja die Tomatenbauern nicht die einzigen, denen wir mit unseren Billig-Exporten die Existenz zerstören.
Der Film “Blutige Ernte” von Thomas Giefer, Rena Giefer und Karl Hoffmann lief bereits im Oktober 2008 im WDR, damals um 22 Uhr. Gestern beim SWR erst nach Mitternacht. Wie wäre es denn, liebe ARD, ihn aus aktuellem Anlass mal im Ersten zu wiederholen, sagen wir um 20.15 Uhr?
Mehr Infos zur Situation in Ghana gibt es übrigens bei FIAN.
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