Wenn es ein Recht gibt, das man dieser Tage bei uns in Berlin besonders gern ausübt, dann ist es das Demonstrationsrecht. Gestern fuhren 6.000 Landwirte mit rund 500 Traktoren vor und stellten das Mitgefühl für die Bauern bei Pendlern und Berufsfahrern auf eine harte Probe. Spontan sagte ihnen die Bundesregierung zu, die Agrardiesel-Steuer zu senken, was rund 285 Millionen Euro im Jahr ausmachen wird. Das wären 570.000 Euro pro aufgefahrenem Traktor – wenn das keine gute Ernte ist!
Weitere Hilfen soll es zudem für die Milchbauern geben, beeilt sich Ministerin Aigner zu versichern.
Die Milch ist mit rund 8 Milliarden Euro Verkaufserlös und fast 20 Prozent des gesamten Produktionswertes der deutschen Landwirtschaft die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle für Bauern. Ob wir es jemals erleben werden, dass dieser riesige Markt sich selbst regelt und ohne massive Steuergelder auskommt?
Ausführlichst rechnen uns die Vertreter des Berufsstandes seit Monaten vor, wie hoch der Preis für Milch und Getreide sein muss, damit sie überleben. Weniger auskunftsfreudig sind sie, wenn es um ihre EU-Subventionen geht. Eine Reihe von deutschen Bauern hat bereits dagegen geklagt, dass die Höhe ihrer Zuschüsse öffentlich gemacht werden könnte. Nach Deutschland gehen jährlich um die sechs Milliarden Euro Landwirtschaftssubventionen. Europaweit werden 52 Milliarden ausgezahlt.
Wer wieviel bekommt, soll transparenter werden. Die Veröffentlichung der Zahlen ist von der EU offiziell vorgeschrieben. Doch die deutsche Regierung kommt der Aufforderung bisher nicht nach. Unter der Adresse www.agrar-fischerei-zahlungen.de gibt es bislang nur allgemeine Informationen. Mitte Juni werde endlich eine Liste mit den Namen der Begünstigten sowie der Höhe der erhaltenen Subventionen veröffentlicht, will die Berliner Zeitung erfahren haben.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam schätzt, das größte Stück vom Kuchen erhielte eine kleine Minderheit: “Gemäß den letzten verfügbaren Zahlen erhalten in Deutschland 0,5 Prozent der Betriebe jeweils mehr als 300.000 Euro (18% aller Direktzahlungen), während 65 Prozent der Betriebe jeweils bis zu 10.000 Euro erhalten (15% der Direktzahlungen).” Am wenigsten profitieren von den Zuwendungen demnach jene Kleinbetriebe, die derzeit ums Überleben kämpfen.
Man darf auf die Veröffentlichung der deutschen Liste gespannt sein!
Update 17.6.09: Die Zahlen sind seit gestern online.
Lesetipps dazu:
Millionensegen für die Großkonzerne (Focus Online)
Milliarden für Agrarfabriken und Konzerne (Süddeutsche Zeitung)
Südzucker, RWE und Lufthansa profitieren von EU-Agrarsubventionen (Europolitan)
Trinkgelder von der EU (Tagesspiegel)
Wer noch Geld bekommen hat (Zeit Online)
Minister und Bundestagsabgeordnete profitieren von EU-Milliarden (Spiegel Online)
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