Gestern trafen sich die Spitzen der Großen Koalition zum Kindergipfel in Berlin. Sie forderten eine “Kultur des Hinsehens”. Das klingt nett, bedeutet in erster Linie jedoch zusätzliche staatliche Zwangsmaßnahmen für Eltern: verbindliches Einladewesen, kürzere Intervalle bei Vorsorgeuntersuchungen und mehr Kompetenzen für Jugendämter.
Nicht alle Erziehenden dürften die staatlich verordneten Termine als Verbesserung auffassen. Am ärgerlichsten ist jedoch die unangefochtene Aufwertung der Kinderärzte. Als letztgültige Kontrollinstanz verlieren sie jeden zweifelhaften Anstrich und dürfen künftig jeden blauen Fleck beim Jugendamt melden.
Aber wer hindert die Kinderärzte künftig daran massenhaft Kinder per chemischer Peitsche zu verstümmeln?
In jüngster Zeit gab es häufiger Spekulationen, dass der rapide gestiegene Verbrauch von Ritalin, Concerta und anderen Methylphenidat-Arzneien, auf massive Werbemaßnahmen der Pharmaindustrie (auf Kinderärzte) zurückzuführen sei.
Allesamt Arzneien, die gewiss nie ohne Nebenwirkungen daherkommt, aber möglicherweise überhaupt keine therapeutische Wirkung haben.
Was erwartet man von einem Arzt, der Hautrötungen entdeckt? Was machen Eltern, wenn der Arzt sagt, es gibt auch andere Wege, wie Kinder gehorchen: Versuchen Sie es mal mit diesem Rezept.
Gibt es jemanden, der Kinder, die früher mit Ohrfeigen bestraft wurden, vor der Zwangsabhängigkeit durch Psychostimulanzien schützt?
Abhängigkeiten, die in der Grundschule geschaffen werden und frühestens in der Pubertät enden, weil zuvor sämtliche Absetzversuche scheitern.
Oder anders gefragt: Wenn die heutigen Erwachsenen die Wahl hätten zwischen jeweils drei Ohrfeigen für nicht gemachte Hausaufgaben und sechs Jahre lang Psychopharmakaschlucken
– mit ungewissen Folgen für die Gehirnentwicklung – wie würden sie entscheiden?
Das soll jetzt kein Plädoyer fürs Kinderschlagen sein, aber wenn Leute ernsthaft eine körperliche Unversehrtheit für Kinder fordern, die sie sogar ins Grundgesetz schreiben wollen, dann sollten sie auch mal über eine chemische Unversehrtheit nachdenken.
Denn was auf den ersten Blick als saubere Tablettenlösung daherkommt – und sogar vom Kinderarzt verschrieben wird – muss nicht unbedingt die beste Lösung für Erziehungsaufgaben sein.
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