Michael Jackson wurde nur 50 Jahre alt. Der selbst ernannte King of Pop ist einem Herzstillstand erlegen, heißt es offiziell. Körperlich soll er bereits seit längerer Zeit sehr schwach gewesen sein und natürlich wird auch gleich über massiven Schmerzmittelmissbrauch (Pethidin) spekuliert.

Aber so schillernd Jacko auch gewesen ist, ist er dennoch nie ein reines Kunst- oder noch schlimmer Castingprojekt gewesen, sondern ein großer Musiker, Sänger und Tänzer.

Seine Zusammenarbeit mit Quincy Jones in den 80er Jahren hat die Unterhaltungsmusik nach dem monotonen Disco-Stampf der Siebziger revolutioniert. Großartige Hits sind entstanden, danke dafür.

Jetzt ist er mit 50 verblichen und damit genau in dem Alter, in dem alles, was “in” ist, vorbei sein soll.

Mit 50 Jahren ist hierzulande jeder Mensch für die werbetreibende Industrie gestorben. Was man in und nach diesem Alter denkt und fühlt ist nicht mehr wichtig. Man ist einfach nur noch out. Alt und verbrannt.

Aber wer hat sich dieses Konzept eigentlich ausgedacht. Wer hat gesagt, dass 50-jährige unwichtig sind?

Das Medlog hat recherchiert:

In den 80er Jahren hatte Fernsehlegende Helmuth Thoma ein großes Problem. Zu jeder Tages- und Nachtzeit hatten die öffentlich-rechtlichen Sender mehr Zuschauer, als „sein” Privatsender RTL.

Da das Finanzkonzept des Senders jedoch vorsah sich über den Verkauf von Werbung zu finanzieren, führte der bestenfalls dritte Platz (nach ARD und ZDF) zu größeren Schwierigkeiten und erweitertem Erklärungsbedarf, denn – wie jeder weiß – verkauft man am besten und am meisten, wenn man sich als Marktführer bezeichnen kann.

Doch Marktführer war RTL nun mal nicht. Thoma benötigte also einen Trick, um höhere Preise für gleichzeitig mehr Fernsehwerbung durchzusetzen.

Nach ausführlichem Bemühen der Marktforschung war seine Idee dann geboren. Die Demografen mussten ihm zwar bestätigen, dass insgesamt weniger Menschen Privatfernsehen sehen, jedoch entdeckten sie, dass in der Gruppe der 14 bis 49-Jährigen durchschnittlich am meisten Menschen Privatfernsehen sehen. Manchmal sahen in dieser Gruppe sogar mehr Menschen Privatfernsehen, als zum gleichen Zeitpunkt bei den öffentlich-rechtlichen Sendern.

In Thomas Hirn machte es Klack und die Idee der „werberelevante Zielgruppe” war geboren. Allerdings musste er sich für die Werbekunden noch eine angenehmere Definition ausdenken. Also nicht mehr, dass das die Menschen sind, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass sie Privatfernsehen sehen besonders hoch ist. Sondern, das diese 14-49-Jährigen besonders beeinflussbare und kaufstarke Menschen sind. Also kurz und gut, die Leute, bei denen Werbung wirkt. Die werberelevante Zielgruppe.

Auch wenn Thomas These in wirtschaftlicher Hinsicht vollkommen unsinnig ist, da jeder Mensch bis zu seinem Tod konsumiert und es im Prinzip einer Firma egal sein kann, ob ein 70-jähriger oder ein 25-jähriger ins Supermarktregal greift; hat sich der Glaube an die „werberelevante Zielgruppe” hartnäckig gehalten. Das ist umso bemerkenswerter, da sogar in umgekehrter Richtung seit Langem bekannt ist, dass die Entscheidung für ein neues Auto auch von den Kindern (also unter 14-Jährige) mit beeinflusst wird.

Der Ehrenrettung halber sei hinzugefügt, dass sich Helmut Thoma wahrscheinlich am meisten über den langanhaltenden Erfolg der werberelevanten Zielgruppe gewundert hat (immerhin durfte er den Konzern auch nach seinem 50sten Geburtstag weiterhin leiten …).

Am meisten, erklärte Thoma später, hat ihn damals jedoch überrascht, dass sich so viele hochrangige, werbetreibende Personen von seinem billigen Statistiktrick überzeugen ließen.

Argumentativ standen ihm schließlich nichts, als hohle Vorurteile („die sturen Alten lassen sich eh durch nichts beeinflussen”) zur Verfügung, aber dennoch setzte sich die Idee durch und führte dazu, dass RTL trotz insgesamt weniger Zuschauer höhere Preise für seine Werbeplätze erzielen konnte, als andere Sender.

Jetzt aber wieder zurück zur Musikbranche, die so besonders kurzlebig sein soll (hier taucht auch endlich Jacko wieder auf). Auch hier zeigt sich heutzutage ganz deutlich, dass mit der Fixierung auf die unter 49-Jährigen nicht am meisten Geld eingenommen werden kann.

Das erfolgreichste Musikalbum des Jahres 2008 stammt von der australischen Band AC/DC. 720.000 Exemplare und damit dreimal Platin (mittlerweile sogar viermal) verkaufte AC/DC alleine in Deutschland von Black Ice.

Angus Young, Gitarrist der Band und für die Riffs zuständig, ist mittlerweile 54 Jahre alt und viele seiner Fans dürften sogar noch älter sein.

Kommentare (14)

  1. #1 Florian Freistetter
    Juni 26, 2009

    Das Medlog hat recherchiert:

    Ich hoffe die Recherche war genauso sorgfältig wie die über den angeblichen Medikamentenmißbrauch von Jackson. Solch seriöse Quellen wie “The Sun” sind ja schwer zu finden…

  2. #2 Ulrich
    Juni 26, 2009

    @ Florian:
    Bin mir da nicht so sicher…

    Sucht man nach dem wirklichen Ursprung der Altersgrenze von 49 Jahren, landet man statt bei Helmut Thoma im Amerika der 70er Jahre. Es war der US-Sender ABC, der damals die ausführliche Analyse der Demografie des eigenen Publikums als Mittel für die Vermarktung von TV-Spots entdeckte. Der Sender hatte zu dieser Zeit durchaus Probleme: In der Zuschauergunst lag ABC damals hinter den anderen Networks. Das einzige Pfand des Senders: Sein vergleichsweise junges Publikum. Um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, etablierte ABC Anfang der 70er Jahre erfolgreich die Zielgruppe der 18- bis 49-Jährigen. Der Werbemarkt nahm dies an und es folgten Forderungen an die anderen Networks, vergleichbare Daten zu liefern. Innerhalb weniger Jahre hatte sich die Zielgruppe damit aus dem Werbemarkt heraus als Standard etabliert.
    https://www.dwdl.de/story/17705/zapp_gescheiterter_versuch_rtl_zu_entlarven/

  3. #3 ali
    Juni 26, 2009

    Naja, immerhin war es nicht die Sun… 😉

  4. #4 Adromir
    Juni 26, 2009

    Tolle Recherche mit den Suchworten “werberelevante Zielgruppe” bei Google kann man schon bei den ersten Treffern finden, daß dieses Konstrukt aus Amerika stammt. Was bedeutet hier “Recherche” eigentlich? “Ich war zu faul zum Suchen, also schreib ich mal was auf, was ich mal aus dritter Hand gehört habe”.

    Wenn das das Selbstverständnis von Wissenschaftsjournalisten sein sollte, wundert mich vieles nicht mehr.

  5. #5 Albert Wilfert
    Juni 26, 2009

    Das Ende einer jahrzehntelangen Tragödie, Ruhm und Reichtum verblassen daneben sehr schnell. Vom Vater zu einem Leben im Showbusiness gepresst, kam wer so weit sein eigenes Ich zu hassen. Und seine Erscheinung so lange zu “verschönern” bis von der eigentlichen Person Nichts mehr da war. Die “Schönheitschirurgen” als hochbezahlte, willfährige Helfer der Selbstvernichtung. Dieses Ende war seit langem vorauszusehen. Vielleicht hat er jetzt seinen Frieden gefunden.

  6. #6 Peter Artmann
    Juni 26, 2009

    Natürlich ließ sich Thoma aus den USA inspirieren. Damals in den 80ern durften ja sogar Mitarbeiter von RTL, SAT1, etc. Bildungsurlaub in den USA machen um dort fernzusehen!
    Heutzutage unvorstellbar.

    Aber in Deutschland hat Thoma den Begriff der “werberelevanten Zielgruppe” erfunden und durchgesetzt und wir leiden noch heute darunter.

  7. #7 Florian Freistetter
    Juni 26, 2009

    “In Thomas Hirn machte es Klack und die Idee der „werberelevante Zielgruppe” war geboren. “

    Ja, jetzt wo ich es nochmal lese, klingt das wirklich nach “Inspiration aus den USA” 😉 Naja – ist halt einfach gut recherchiert…

  8. #8 Jörg Friedrich
    Juni 26, 2009

    Der Begriff “werberelevante Zielgruppe” scheint tatsächlich von RTL/Thoma zu stammen, auch wenn die Idee, sich die Altersklasse zu suchen, die den eigenen Sender überdurchschnittlich schaut und damit dann bei der Werbewirtschaft haussieren zu gehen, von ABC stammt. Jedenfalls gibt es zwar einige Texte im Netz, in denen behauptet wird, der Begriff stamme aus den USA, aber eine englische Version scheint nicht verbreitet zu sein. Im Leo-Forum fand ich zu diesem Begriff den Satz: “This is such a great German word to express a complicated concept.” Und manchmal ist es ja auch eine gute Idee, zu einem bekannten komplizierten Konzept einen guten Namen zu finden. Möglicherweise hätte die Idee ohne den Namen gar keine Chance gehabt.

  9. #9 Andrea N.D.
    Juni 26, 2009

    @Jörg Friedrich: In Leo habe ich auch schon geschrieben. Entweder ich bin jetzt das Maß aller Dinge oder ich würde Kommentare in Leos nicht unbedingt für ein Lexikon halten oder daraus zitieren. Und ich finde das Konzept, ehrlich gesagt, ziemlich simpel und nicht kompliziert.
    Hier ging es doch um Recherche und die “Idee” hat Peter Artmann ja mittlerweile durch Begriff ersetzt, damit passt’s wieder.
    Der Artikel prangert die werberelevante Zielgruppe an – und das zu Recht.

  10. #10 Paraphen
    Juni 26, 2009

    Michael Jackson ist tod. So what?! Diesen Tod als Aufhänger für eine Diskussion um werberelevante Zielgruppen zu nutzen, ist schäbig.

  11. #11 Tobias
    Juni 26, 2009

    Interessant ist die Anmerkung, dass letztes Jahr das erfolgreichste Album von AC/DC kam. Mit Sicherheit war es nicht das meist gehörte. Für die Plattenindustrie ist also die werberelevante Zielgruppe jene, die in den 80ern mit ihrem Musikgeschmack stecken geblieben ist.

  12. #12 Tim
    Juni 27, 2009

    Medlog hat recherchiert: Seine Zusammenarbeit mit Quincy Jones in den 80er Jahren

    Das von Quincy Jones produzierte Album “Off The Wall” kam 1979 heraus. Die Aufnehmen dafür begannen sogar im Dezember 1978.

  13. #13 Gluecypher
    Juni 27, 2009

    O.K. und der Tod eine völlig überkanditelten Entertainers ohne Cojones hat WAS? mit WIssenschaft zu tun?

    Und was Black Ice betrifft: da kann ich Tobias nur Beipflichten. DIe Zielgruppe hier kauft tatsächlich immer noch CDs (ich zähle mich auch dazu) und ist meist über 40 (hier dito)

  14. #14 Jörg Friedrich
    Juni 29, 2009

    @Tobias: Das hat nichts mit dem Musikgeschmack, sondern mit dem Alter zu tun. Ich kaufe auch Peter Fox.