Überflüssige Operationen erleiden in der Hauptsache Privatpatienten. Dass dabei auch einiges schief gehen kann, berichtet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.
Unter der Überschrift: Doctorandus an der Fräse (S. 118) nimmt sich das Magazin Horst Dekkers zur Brust, seines Zeichens Leiter der Münchener Alpha-Klinik und derzeit Gegenstand von etwa einem Dutzend Klagen auf Schadensersatz am Landgericht München.
Amüsanterweise hat Klinikleiter Dekkers weder Doktor-, Privatdozent- noch Professorentitel, ist aber stets bemüht diesen Umstand zu verschleiern und benutzt dafür den Titel “Drs.”
Drs? Nie gehört? Ist hierzulande auch nicht gerade geläufig, aber in den Niederlanden (da kommt der Mediziner her) die gängige Abkürzung für Doctorandus und heißt übersetzt so wenig wie “Akademiker”.
Und was macht Dekkers? Er operiert gerne an der Wirbelsäule.
Laut Spiegel-Artikel (Gerald Traufetter) entdeckt er dort Stenosen und an dieser Stelle kann man durchaus kurz stutzen.
Denn Stenosen sind nichts anderes als Verengungen, die natürlich vorrangig an Gefäßen auftreten und durch ihre abschnürende Funktion immer die Eigenschaft haben, etwas Fließendes zu stören.
Stenosen kennt man deshalb vorrangig von Herzklappen, Speiseröhre, Darm oder auch der Halsschlagader, mit den jeweils entsprechenden Symptomen.
Da aber an der Wirbelsäule gar nichts fließt, ist man über den Fachbegriff an dieser Stelle zunächst überrascht. Erst nach dem man erkannt hat, dass damit eine Verengung des Rückenmarkkanals bezeichnet wird (Spinalkanalstenose), versteht man, worum es eigentlich geht und dann beginnt das eigentliche Aua.
Denn unser Rückenmark ist nichts anderes, als unser verlängertes Gehirn. Kein Mensch würde sich freiwillig ins Gehirn schneiden lassen. Dementsprechend vorsichtig gehen die meisten Mediziner auch mit dem Rückenmark um.
Selbst einfache Spritzen in diese Struktur (PDA bei Geburten) nötigen ihnen Respekt ab und erfordern – der Wichtigkeit dieser Struktur entsprechend – auch einigen Papierkrieg.
Wenn Verengungen an dieser Stelle auftreten (die durch wuchernde Wirbelknochen zustande kommen) setzen erfahrene Mediziner deshalb grundsätzlich erst Mal auf Schmerzmittel.
Anders dagegen Dekkers. Auf seiner Institutshomepage beschreibt er, dass er die Patienten öffnet und die verengten Knochen wegfräst.
Na, wenn das man gut geht, denkt man …
Im Landgericht München werden jetzt die Fälle verhandelt, in denen es anders gelaufen ist.
Besonders schlimm: Dem Spiegel-Bericht zufolge haben gutachtende Kollegen in den medizinischen Diagnosebildern der Patienten – vor den entsprechenden Operationen – gar keine Spinalkanalstenosen erkannt.
Was natürlich den Verdacht nahelegt, dass andere Faktoren für die Operationen ausschlaggebend gewesen sind.
Und was hat das jetzt alles mit Kassenpatienten und Glück zu tun?
Naja, der Herr Dekkers bietet seine Operationen vorrangig Privatpatienten an und natürlich nur denjenigen, die zusätzlich noch Rechnungen im mehrtausigen Eurobereich zahlen können.
Angesichts der verhandelten Fälle vor dem Landgericht kann man froh sein, als Kassenpatient keinen Anteil an erstklassiger Gesundheitsversorgung zu haben und dadurch geschützt zu sein vor Ärzten, die ALLES tun, was theoretisch möglich ist.
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