Zu den kuriosesten Gestalten im Gesundheitswesen gehören die Impfgegner.
Ausgerüstet mit Halbwahrheiten, Gerüchten und allerhöchstens rudimentären Kenntnissen über Immunreaktionen im menschlichen Körper fallen sie regelmäßig über Eltern her und behaupten, dass Impfungen Kindern schaden.
“Da ist ja schon so viiieel passiert“ “Man kann das überhaupt nicht verantworten!“ “Weißt du überhaupt, dass die einem Krankheitserreger aus Labors spritzen?“ Man könnte die Liste endlos weiterführen.
Mein persönliches Highlight war immer: “Impfen macht blöd“. Wobei die Impfgegner damit nicht sich selber meinen (denn fast alle wurden in der Kindheit geimpft), sondern stattdessen darauf hinweisen wollen, dass Impfen Autismus auslöst.
Ein Vorwurf, der natürlich pauschal für alle Impfungen gelten soll. Aber im Gegensatz zu den sonstigen Behauptungen der Impfgegner ist an dieser Aussage sogar ein bisschen etwas dran (auch wenn ich nicht glaube, dass diese Leute das entsprechende Paper kennen).
Denn im Jahr 1999 hatte der Arzt Andrew Wakefield im Lancet einen Aufsatz publiziert, in dem er behauptete das die Mumps-Masern-Röteln Impfung (MMR) Autismus begünstigen würde (saubere Wissenschaft war das allerdings nicht …).
Seiner Theorie zufolge soll die Masernimpfung in manchen Fällen eine abnorme Immunreaktion auslösen, bei der eine schwache dauerhafte Masernerkrankung erfolgt (quasi verdeckt), die eine Ausbildung von autistischen Symptomen zur Folge hat.
Dem Lancet war die Angelegenheit jedenfalls später so peinlich, dass seit dem Erscheinen des Ursprungsartikels 6 Kommentare und gut und gerne 104 (!) Artikel erschienen sind, die den Fehler der Publikation beseitigen sollten. Zweifellos hat der Lancet ein Wakefield-Trauma.
Doch zurück zur Ausgangslage. Durch den Abdruck im Lancet erhielten die Impfgegner mächtigen Aufwind und es ist durchaus möglich, dass den Verschwörungsfreunden die Diskreditierungsversuche der Zeitschrift unbewusst sehr gelegen kamen.
Dadurch konnten sie Wakefield zu einem Helden zu machen. Einem Revolutionär, der ausgesprochen hatte, was das Establishment verschweigen wollte. Und trotz aller Vertuschungsversuche hatten die Impfgegner die Wahrheit trotzdem erfahren!
Tolle Leistung, nicht wahr? Jedenfalls viel einfacher, als das Paper zu lesen, zu verstehen und seine Schwachstellen zu entdecken, bzw. die Zweifelhaftigkeit der Argumentation sowie das gefälschte Datenmaterial (Wakefield hat nicht wissenschaftlich gearbeitet).
Jedenfalls wissen deshalb Impfgegner mehr als die unkritischen Impfer.
Zweifellos ist Wakefield auch der Grund, weshalb jetzt britische Forscher überprüft haben, ob es theoretisch überhaupt möglich sein kann, dass sich aus einer Impfreaktion Autismus entwickelt.
Diese Woche hat das Fachjournal Archives of Disease in Childhood die entsprechende Arbeit publiziert.
Die Forscher um Gillian Baird verglichen dazu Blutproben von drei unterschiedlichen Kindergruppen im Alter von 10 bis 12 Jahren.
Insgesamt hatten sie 240 Blutproben zur Verfügung. Davon stammten 98 von autistischen Kindern, 50 von verhaltensauffälligen Kindern und 90 von “normal” entwickelten Kindern.
Alle Kinder waren mindestens einmal bis zum Alter von zwei Jahren geimpft worden (den vollen Impfschutz erhält man erst durch die zweite MMR-Impfung).
Doch entgegen der Theorie von Wakefield fanden die Forscher im Blut der Autisten oder der verhaltensauffälligen Kinder keinerlei Veränderungen in Bezug auf die Zusammensetzung oder die Konzentration der Antikörper gegen Masern im Vergleich zu den “normalen“ Kindern.
Im zweiten Versuch hatten die Forscher dann die Impfreaktion der Blutproben nach der Versetzung mit Masernerregern untersucht, wobei sie dafür sogar zwei unterschiedliche “Erreger“ eingesetzt hatten.
Einmal den Masernerreger und ein anderes Mal nur die die Komponenten der Masernimpfung – ohne Erreger.
Vielleicht hätten sie sich noch auf den Kopf stellen können, doch am Ergebnis hätte das nichts verändert:
Alle Blutproben hatten gleichartig reagiert.
Es gab noch nicht einmal einen Unterschied in der Immunreaktion der autistischen Kinder, die nur eine MMR-Impfung erhalten, hatten im Vergleich zu den autistischen Kindern, die zwei MMR-Impfungen in ihrer frühen Kindheit erhalten hatten.
Das Resultat der Forscher klingt dementsprechend auch eindeutig: “Es gibt keine Verbindung zwischen der MMR-Impfung und Autismus”.
Aber bestimmt finden die Impfgegner doch noch irgendwo einen Haken. Oder sie werden Globalisierungsgegner, Klimagegner oder weiß-der-Kuckuck-was-für-Gegner.
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