Nach dem man zuletzt sehen konnte, wie ein Mensch einen Computer per Gedanken steuert, haben Wissenschaftler aus Kalifornien jetzt das umgekehrte Experiment gewagt und einen Computer gebeten Gedanken zu analysieren.


Dafür haben sie zwei ihrer Postdocs in einen Kernspintomografen gezwängt, per funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) Aufnahmen von ihren Gehirnen angefertigt und ihnen dabei 1750 schwarz-weiß Fotos von Gegenständen oder Tieren gezeigt. Das Ergebnis hat Nature veröffentlicht.
Eine sehr ansprechende Beschreibung des Experiments hat Stephan Schleim hier verfasst.

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Der Vollständigkeit halber auch hier kurz zusammengefasst. Nach der Trainingsphase zeigten die Forscher um Jack Gallant von der University of California ihren Probanden 120 Bilder, die die Testpersonen zuvor nicht gesehen hatten.
Anhand der vorher angefertigten Aufnahmen suchte danach ein Computer per Scan dasjenige Bild heraus, das dem zuvor gemessenen Resultat am nächsten kam. Im erfolgreichen Fall war das ebenfalls das Bild einer Katze oder eines Telefons.
Erstaunlicherweise waren die Computervorhersagen sehr präzise. Bei einem der Probanden wurde eine Treffergenauigkeit von 72 Prozent erreicht, bei dem anderen wurden sogar 92 Prozent. Im Vergleich dazu hätte eine zufällige Erkennung bei 0,8 Prozent liegen müssen.

Als Anwendung kann sich Gallant vorstellen, dass Ärzte mit dieser Technik später einmal Hirnschäden bei Schlaganfallpatienten untersuchen oder das Ausmaß einer Demenzerkrankung einschätzen.

Allerdings ist seiner Ansicht nach der Zeitpunkt für solche Spekulationen noch verfrüht.
Den aktuellen Stand der Technik verglich er mit einem Zauberer, der einen Zuschauer eine Karte aus einem Stapel ziehen lässt und anschließend herausfindet, welche Karte es ist.
Bereits zuvor hatten Forscher gezeigt, dass man mithilfe eines Tomografen erkennen kann, woran eine Person denkt, im Unterschied zum aktuellen Versuch basierten frühere Tests jedoch auf einem sehr eingeschränkten, künstlichen Aufbau, bei dem keine neuen – zuvor unbekannten Objekte – erkannt werden sollten.

Man kann sich jetzt allerhand Gedanken machen, was es bedeutet, dass man – nach einer gewaltigen Trainingsphase – Leuten ins Gehirn schauen kann. Können Geheimdienste dieses Wissen für Verhöre nutzen … gibt es das im nächsten James Bond?

Aber man kann sich auch fragen, was Untergebene denn noch alles über sich erdulden müssen, um auf ein Paper zu kommen.
Die beiden “Freiwilligen” Kendrick Kay und Thomas Naselaris haben sich für die Trainingsphase bei mindestens 1750 Aufnahmen blitzen lassen und dann noch einmal jeweils dreizehnmal bei jedem der 120 neuen Bilder. Macht insgesamt mindestens 3310 Aufnahmen vom Gehirn.

Zwar gelten Kernspintomografen wegen fehlender ionisierender Strahlung im Gegensatz zu Computertomografen (CT) als ungefährlich (siehe Brenner & Halls bahnbrechenden Studie über CT im NEJM).
Aber ob derartig geballter Einsatz von fMRT folgenlos bleibt … weiß man es?

Kommentare (7)

  1. #1 Monika Armand
    März 7, 2008

    Schöner Beitrag !
    Dein Nachdenken über den Aufwand (vermutlich ja auch finanziell) und etwaige gesundheitliche Gefahren,beleuchtet auch die vergessene ethische Seite der “menschlichen Versuchskaninchen”. Dieser Aspekt fällt ansonsten bei solchen Wissenschaftsmeldungen leider immer “hinten runter”….
    Ob Gedanken genau so exakt messbar sein würden, wie visuelle Wahrnehmungen, welche vermutlich stärker biologischen Gesetzmäßigkeiten folgen, wage ich auch zu bezweifeln.
    Wenn wir alle genau gleich dächten….ja dann, aber so?….;-))

  2. #2 Peter Artmann
    März 7, 2008

    Hallo Monika,
    es gibt da noch einen Aspekt, den ich nicht im Haupttext schreiben wollte, aber über den ich mich doch sehr gefreut habe … sozusagen eine Art Ehrenrettung für die Spezies Mann:

    Männer denken nämlich nicht permanent und immer nur an Sex!

    Sonst wäre bei dem Experiment etwas ganz Anderes rausgekommen.

    Alles Gute
    Peter

  3. #3 Fischer
    März 7, 2008

    Moin Peter,

    ich sehe hier nicht, dass in irgendeiner Weise Gedanken analysiert worden wären. Was die Wissenschaftler gemessen haben, ist vielmehr die interne Repräsentation externer visueller Stimuli. Und das ist ein erheblicher Unterschied.

    Insbesondere werden ja visuelle Stimuli räumlich verteilt repräsentiert. Es gibt einen systematischen Zusammenhang zwischen Aktivitätsmuster und visuellem Input, sprich: ähnliche Bilder erzeugen ähnliche Muster. Das gilt für Gedanken in dieser Form nicht.

  4. #4 Fischer
    März 7, 2008

    Wir Männer denken tatsächlich permanent an Sex, nur halt nicht zwangsläufig mit dem Gehirn, deswegen ist das im Scan nicht aufgefallen. 😉

  5. #5 Peter Artmann
    März 8, 2008

    Hallo Lars,
    ich finde es korrekt hier den Begriff Gedanken zu verwenden.
    Anderes wäre es, wenn die Forscher einzelne Gedächtniszellen abgeleitet hätten oder sich auf die Zellen im visuellen Kortex beschränkt hätten, die für bestimmte räumliche Stimuli wie vertikale Linien zuständig gewesen wären.
    Aber bei den von ihnen gewählten komplexen Stimuli – also Fotos – dürften auch Gedanken mit auf den fMRI-Bildern aufgezeichnet worden sein.

    Es sei denn die Probanden hätten während der Aufnahmen ihr Denken ausgeschaltet und nur die räumlichen Muster auf sich wirken lassen.

    Jedoch – da müssen wir uns nichts vormachen – können das nur sehr, sehr wenige Menschen.

    Wenn es wirklich nur um visuelle Stimuli gegangen wäre, hätte die Lernphase nicht so lange dauern müssen und es wäre ein typisches Experiment mit blinkendem rotem und blauem Ball gewesen.

    Alles Gute
    Peter

  6. #6 Fischer
    März 9, 2008

    Moin Peter.

    Du hast natürlich Recht, dass beim Betrachten des Bildes streng genommen ebenfalls ein Gedanke, also eine Repräsentation innerhalb des Bewusstseins entsteht. Aber wenn man allgemein von einem Gedanken redet, dann meint man ja gerade nicht die äußere Wahrnehmung, sondern ein wie auch immer vom Bewusstsein selbst heraufbeschworenes Bild.
    Ob ich an eine Tasse Tee denke oder eine Tasse Tee sehe ist ein gewaltiger Unterschied (besonders für nen Koffein-Junkie wie mich).

  7. #7 Monika
    März 9, 2008

    Es ging tatsächlich nur um die Messung der visuellen Stimuli. Die lange Übephase benötigt man, um die “Hirnmuster” der Abbildungen zu sammeln. Und da hier wohl vieles in “Handarbeit” und mit neuen Methoden “errechnet” worden ist, war der Aufwand wohl noch größer gewesen.

    Beschäftigt man sich mit der Neurophysiologie des Sehens eingehender, dann zeigt sich, dass hier wohl grundlegende “Lernprozesse” im Spiel sind, wobei als Folge dessen wohl auch davon auszugehen ist, dass gerade deshalb auch wenig individuelle Unterschiede (zumindest für Personen aus demselben Kulturkreis) existieren. Die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit ist bislang die einzige Form der Hirnentwicklung, welche mit ziemlich großer Sicherheit einem “Zeitfenster” unterworfen ist. So werden diese bis zum 3. Lebensjahr “erlernt”. So sollen generell Sinneswahrnehmungen resp. Sehwahrnehmungen ja auch stärkeren Lokalisierungen im Gehirn unterworfen sein, als z.B. gedankliche.

    “Gedankenexperimente” erzielen – da jeder ja seine Gedanken unterschiedlich zusammen setzt – trotz einfachster Versuchsanordnungen oft nur Korrelationen von knapp über 50 % – also wenig über dem Zufallswert. Stephan Schleim hat in seinem Buch “Gedankenlesen” die zugehörigen Experimentalanordnungen und die Messmethodik sehr ausführlich geschildert, so dass man spätestens nach diesem Blick “hinter die Kulissen” nicht mehr an ein “eigentliches” Gedankenlesen glauben kann ;-))