In dieser vorösterlichen Woche scheint Selbsttötung ein großes Thema zu sein.


Stets ist so eine Tat das Zeugnis größter Verzweiflung und besonders schwer für Angehörige zu verkraften – die sich nicht selten schwerste Vorwürfe machen.
Im Jahr 2006 starben nach offiziellen Angaben des Statistischen Bundesamtes 9.765 Menschen an den Folgen „vorsätzlicher Selbstbeschädigung”, das waren 1,2 Prozent der Todesursachen.

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Möglicherweise ist die Dunkelziffer deutlich höher und so mancher Unfall ein geplantes Ereignis (nur ohne Abschiedsbrief).
In Hannover steht derzeit die Ärztin Mechthild B. von der Paracelsus Klinik vor Gericht. Sie soll acht Patienten gegen deren Willen totgespritzt haben – zumindest behaupten das die Angehörigen.
Die Ärztin lies hingegen verlesen, dass sie im Einverständnis ihrer Patienten gehandelt hat.

Wie auch immer entschieden wird, aus medizinischer Sicht steht außer Zweifel, dass sie den Kranken den sanftest möglichen Abgang ermöglicht hat. Morphium und Valium in Überdosen und die Reise über den Jordan geschieht im Schlafwagen.

Ganz andere Methoden verwendet hingegen der Schweizer Verein Dignitas, der übrigens ebenfalls in Hannover eine Dependance eröffnet hat, und Sterbewillige nach einer Motivprüfung in die Schweiz auf Parkplätze oder in Hotelzimmer lotst.
Dort erhalten die lebensmüden Vereinsmitglieder mit Helium gefüllte Plastiktüten, die sie sich über den Kopf ziehen sollen – um zu ersticken.
Ein keinesfalls sanfter Vorgang und zudem überraschend, da sogar Ärzte dem Verein angehören (die solche Methoden eigentlich nicht befürworten dürften).

Gleichzeitig erschüttern auf der Welt andere Fälle die Gemüter, in denen lebensmüde Menschen vor Gericht einklagen wollen, dass sie getötet werden. Zuletzt hat das ein Gericht in Frankreich abgelehnt. Aktive Sterbehilfe bleibt auch in Frankreich ein Verbrechen.

Aber wer  – fragen wir uns im Medlog – kann so eine “Hilfe” von offizieller Seite überhaupt mit seinem Gewissen vereinbaren?
Einzelfälle werden natürlich nach wie vor in vertrauensvoller Absprache – aber immer ohne öffentliche Einmischung – entschieden. Mittel gibt es ja.

Am meisten haben wir uns jedoch in dieser Woche über die Enthüllung eines der bestgehüteten Geheimnisse der Medizin in Focus Online gewundert.
Denn tatsächlich braucht kein Mensch einen Gerichtsbeschluss oder ein Rezept um Zugang zu tödlichen Medikamenten zu erhalten.

30 Tabletten Paracetamol 500 reichen aus um einen irreparablen Leberschaden zu generieren (und bis zu 48 Stunden schwerste Schmerzen). Die Packung kostet häufig noch nicht mal 1,50 Euro. Wer diese Tabletten lange genug im Körper behält, kann nicht mehr gerettet werden (akutes Leberversagen).
Deshalb soll diese Packungsgröße auch vernünftigerweise abgeschafft werden (denn leider kam es in der Vergangenheit häufiger dazu, dass Teenager, die ihre Eltern ärgern wollten – und nichts als Paracetamol in der Hausapotheke fanden – alle Tabletten auf einmal schluckten …)

Wie dem auch sei. Der Tod ist die größte Gewissheit im Leben. Wir alle werden sterben und jeder Friedhof ist voller unersetzbarer Menschen.

Die Zeitspanne, in der wir leben ist begrenzt, deshalb ist es auch für gesunde Menschen schwer nachzuvollziehen, weshalb manche Menschen diese Zeitspanne eigenmächtig verkürzen wollen.

Ein Leben ohne Krisen und Enttäuschungen gibt es nicht. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass es auch in scheinbar ausweglosen Situationen fast immer weiter geht und sich häufig ungeahnte neue Möglichkeiten oder sogar Chancen eröffnen.

Aber immer … geht es auch nicht weiter. Irgendwann muss jeder Abschied nehmen.

Auf eine persönliche Wiederauferstehung sollte dann niemand hoffen – noch nicht mal an Ostern – wenngleich das keine Aufforderung sein soll, auf Religion zu verzichten.

Viele Menschen haben persönliche Erfahrungen gemacht, die Kontinuität andeuten.

Keiner von ihnen rät zu einer Selbsttötung.

Kommentare (7)

  1. #1 Mandy
    März 20, 2008

    Da gehe ich grundsätzlich mit. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen mich als Gesunde in die Situation einer Totkranken hinein versetzen zu können. Das halte ich für unmöglich und von daher kann ich keine Wertung aussprechen.
    Einen Meinungsaspekt möchte ich dennoch anfügen. Durch den rasanten medizinischen Fortschritt ist es möglich Menschen am Leben zu erhalten, teilweise über Jahrzehnte!, die unter natürlichen Bedingungen bereits gegangen wären. Man könnte versucht sein zu formulieren, diese Menschen würden künstlich am Leben gehalten. Selbsttötung ist auch nicht natürlich.

  2. #2 Peter Artmann
    März 20, 2008

    Ja, es stimmt. Bei manchen Leuten hat man den Eindruck, dass sie den Zeitpunkt verpasst haben, an dem ihre Zeit gekommen ist.

    Die darauf folgende Situation ist dann weder für sie, noch für die pflegenden Personen erfreulich – obwohl sie Jahre andauern kann und es in der gesamten Zeit nicht besser wird.

  3. #3 Monika
    März 20, 2008

    Das mit den Plastiktüten bei Dignitas gehört aber zu den Gerüchten 😉 und entspricht meines Wissens nicht den Tatsachen ;-). Der Fall der französischen Krebspatientin Madame Sébire verleiht dem ganzen Thema eine erschreckende Brisanz.

    Eine sehr lange und ausführliche Diskussion zu diesem Thema gab es vor 3 Monaten in den Wissenslogs, Rubrik “Libertarian” hier: Mein Tod gehört mir!

  4. #4 ali
    März 20, 2008

    @Monika
    Das mit den Plastiktüten stimmt. Es ist aber nicht das Mittel der Wahl, Dignitas hat aus rechtlichen Gründen die Praxis geändert.

  5. #5 Monika
    März 21, 2008

    Das mit dem Helium geschieht ja nur, weil den Sterbewilligen – dank des heftigen Protestes – die andere Möglichkeit mit der Tablette genommen worden ist. Offenbar scheint der Sterbewunsch so stark zu sein, dass diese das auch noch in Kauf nehmen. Anstatt Mitleid zu haben, wird diese Nachricht dann sensationslustig verheizt. Wer ein mehrminiütiges Ersticken auf sich nimmt, bzw. nehmen muss, um aus dem Leben ausscheiden zu dürfen und sein bevorstehendes größeres Leid verkürzen zu können, verdient doch eher noch größeres Mitleid. Aber diese Fähigkeit scheint – angesichts der medialen Ausschlachtung – in unserer Gesellschaft völlig abhanden gekommen zu sein…….

    Und an der Französin Sebire wurde doch sehr deutlich, wie brutal mit menschlichem Leid umgegangen wird. Auf der einen Seite scheuen sich Mediziner überhaupt nicht, (lebens-)gefährliche Therapien anzuwenden, wenn es um einen humanen Tod geht, dann kneifen alle. Unsere Gesellschaft hat den Tod so sehr tabuisiert, dass vielen offenbar nicht mehr klar zu sein scheint, dass jeder früher oder später sterben muss. Bei Schwerkranken ist dies oft führer 😉 Obwohl man Ihnen helfen könnte, bitteres Leid nicht ertragen zu müssen, verzichtet man aus pseudoethischen Gründen – entgegen dem Wunsche der Betroffenen – darauf.

    Ich finde es schrecklich, wie mitleidlos mit schwerem Leid in unserem ach so modernen Europa umgegangen wird. Jeder Hund wird humaner behandelt. Und dann kommen oft noch so pseudochristliche Argumente…..alles von Menschen, welche kaum ein Krankenhaus von innen gesehen haben. Geschweige denn einen körperlichen Zustand kennen, welcher nahe am Ersticken liegt oder unter qualvollen, nicht zu lindernden Schmerzen leiden lässt….

  6. #6 Peter Artmann
    März 21, 2008

    Ohne mich mit diesem Beitrag über Schwerkranke erheben zu wollen, gilt doch nach wie vor, dass das Leid stets im Auge des Betrachters liegt. Es gab schon so viele Selbstmordversuche wegen Alltäglichkeiten …

    Und andererseits gelingt es manchen Leuten überraschend gut mit ihrer schweren Erkrankung umzugehen (der Prominenteste dürfte Stephen Hawking sein).

    Ich denke, wenn man jemandem wie Hawking eine “humane” Behandlung anbieten würde, wie man es mit einem kranken Hund oder Pferd macht, würde er das als reichlich unhuman empfinden.

    Abgesehen davon stellt sich für mich die Frage, ob Mitleid mit einem Leidenden eine Legitimation darstellt um zum Henker zu werden. Ich würde jedenfalls keinem selbstmörderisch veranlagten Menschen eine Plastiktüte aushändigen.

    @Monika könntest du das?

    Anders sieht es mit Schmerzmitteln aus.

  7. #7 Monika
    März 24, 2008

    Ich kann Dein Kommentar nachvollziehen. Es geht allerdings etwas am Thema “Sterbehilfe” vorbei, denn da geht es nicht darum einen Art “depressiven” Selbstmord zu begehen. Wer als Gesunder glaubt, dass die Medizin für jedes schwer erträgliche Leid ein Mittelchen bereit hält….der kann eine solche Ansicht teilen. Auch Hawkings ist für so was ein schlechtes Beispiel. Wie soll ich es mit “wenigen” Worten sagen?? Das geht eigentlich gar nicht. Daher meine Bitte. Lies Dir die ausführliche Diskussion in den Kommentaren bei Libertarian durch, dann kann man verstehen was ich meinte. Denn hier haben wir die Dinge von verschiedenen Seiten beleuchtet und haben diese Angelegenheit nahezu bis ins letzte Detail betrachtet: Mein Tod gehört mir!
    Die im Haupttext erwähnten “Sterbehilfe-Modelle” zeigen, dass eine sinnvolle Sterbehilfe eher zu weniger, als zu mehr “Selbstmorden” führt 😉