Gibt es Erklärungen, die den von Singer und Roth postulierten Reduktionismus erweitern? Wir hoffen auf eine Klärung durch den unerschütterlichen Kamenin. Aber jetzt keine lange Vorrede: Direkt zu den Thesen im Buch: Ich bin eine seltsame Schleife von Douglas Hofstadter:
Zuerst mal das Positive: Besonders gut gefällt mir an Hofstadters Buch, dass er keine Berührungsängste mit schwer fassbaren Begriffen wie Selbst, Seele und sogar Liebe hat, die er teilweise recht amüsant definiert.
In Bezug auf Bewusstsein bleibt er allerdings etwas schwammig und setzt es manchmal sogar mit dem Ich gleich.
Witzig ist dennoch, dass er für seine Bewusstseins-Definition Descartes zitiert (dessen Dualismus er natürlich strikt ablehnt): Cogito ergo sum.
Gemäß Hofstadters Definition ist Bewusstsein Denken, bzw. der Tanz der Symbole.
– Wie bereits zuvor erwähnt, frei von jeglichen Bedingungen an materielle Grundstrukturen mit der einzigen Ausnahme, dass die zugrunde liegende Materie (also das Gehirn) die Fähigkeit haben muss, eine Musterbildung generieren zu können (natürlich die richtigen Muster).
Ich bin mir durch Kamenins Ausführungen nicht mehr ganz sicher, ob überhaupt irgendetwas an diesem Bewusstseinsmodell mit den reduktionistischen Erklärungsmodellen unvereinbar ist.
Aber selbst wenn dies nicht der Fall ist, muss ich zugeben, dass ich mich von Hofstadters Erklärungen deutlich eher angesprochen fühle, als von den Texten der anderen Erklärer.
Vielleicht trägt dazu auch Hofstadters angenehmerer Tonfall bei, wenn er beispielsweise klar darstellt, dass alleine der Mensch ein Repräsentationssystem besitzt, das keine Grenzen kennt, was die Ausdehnbarkeit und Flexibilität seiner Kategorien betrifft. Denn verallgemeinernde Gehirnforschung von Ameisen auf Menschen wirkt ja doch stets albern.
Wenn Hofstadter schreibt, klingt es jedenfalls stets wie: Das Glas ist halb voll!
Zum freien Willen schreibt er, dass er Unbehagen entwickelt, wenn jemand sagt “Ich habe es aus freiem Willen getan”, er ist jedoch einverstanden mit der Formulierung: “Ich habe es getan, weil ich es so wollte und nicht, weil mich irgendjemand anderes dazu gezwungen hat” (ein möglicher Diskussionsansatz?).
Eine Erklärung, was wirklich “frei” bedeutet liefert er nicht und bewertet ein solches Postulat auch als überflüssig, da ohnehin vieles von Zufällen bestimmt wäre.
Seiner Ansicht nach ist es ausreichend, überhaupt einen Willen zu haben und in dem Sinne aktiv (manche) Entscheidungen herbeizuführen. Insgesamt lautet sein Resümee jedoch:
“Wir können wollen, soviel wir wollen – meist wird unser Wille enttäuscht werden”
Hofstadter beschreibt dies alles logisch und ohne Rechthaberei. Das Primat der Elektrochemie sucht man bei ihm vergebens: Seiner Ansicht nach schubsen in unseren Gehirnen die Ideen die Moleküle an – und nicht umgekehrt.
Doch das eigentliche Thema von Hofstadter ist gar nicht so sehr das Bewusstsein, sondern vielmehr das “Ich” (wie schon der Titel andeutet).
Um dabei nicht in die Dualistenfalle zu geraten, entwirft er ein (gedankliches) Teleportationsexperiment, bei dem zwei Kopien seines Ichs auf Mars und Venus gebeamt werden und beide behaupten „Ich” zu sein.
Für ihn liegt die einzige Lösung aus dem Entscheidungsdilemma darin verborgen, dass er beiden Recht gibt und sich von der Idee einer personalen Identität verabschiedet. Folglich muss das “Ich” immer eine Illusion sein.
(Daniell Dennet hat das Ich mal mit einer Banknote verglichen, bei der es sich eigentlich um nichts als ein wertloses Stück Papier handelt, dass jedoch durch eine soziale Übereinkunft extrem viel wert sein kann – dem Wesen nach handelt es sich dabei um eine Illusion, allerdings stimmen alle stillschweigend zu, ohne dass sie gefragt wurden).
Hofstadter expandiert diese Idee, in dem er in seine Ich-Idee noch die Repräsentationen vieler anderer Ichs mit aufnimmt.
Dabei überrascht er auch mit der provokativen Frage:
“Wie viele Aspekte Du von einer anderen Person auch absorbiert hast – kannst Du je so viel von ihr aufgenommen haben, dass – wenn das ursprüngliche Gehirn zugrunde gegangen ist – du fühlen kannst, dass diese Person nicht ganz und gar von der Erde verschwunden ist, weil diese Bestandteile (oder zumindest ein bedeutender Teil von ihnen) noch immer in Deinem Gehirn existieren, weil sie noch weiterleben in einem „zweiten neuralen Heim”?”
Hofstadter gesteht dem Ich also mehrere Ebenen und Instanzen zu, die sich auch außerhalb des eigenen Gehirns breitmachen und in anderen Gehirnen präsent sind.
Bzw: „dass ihr [gemeint ist der Leser] Gehirn in wechselndem Ausmaß von anderen Ichs bewohnt wird, von anderen Seelen, wobei sich die Ausdehnung jeder einzelnen Seele bemisst nach dem Grad der Wiedergabetreue und danach, wie sie mit dem fraglichen Individuum in Resonanz stehen” (s. 323).
Er findet in diesem Sinne auch einige sehr scharfsinnige Argumente für den Sinn von Trauerfeiern und Gedenkgottesdiensten zum Abschied geliebter Personen.
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